Die Gründung einer Zweitpraxis ist nach dem Versorgungsstrukturgesetz nunmehr möglich, auch wenn dies die Versorgung am Hauptsitz des Arztes geringfügig verschlechtert, soweit dies durch die Verbesserung der Versorgung an dem Ort der Zweitpraxis aufgewogen wird (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 6 KA 43/11 -).

Sachverhalt:
Der Kläger ist Psychologischer Psychotherapeut mit der Qualifikation für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie; er ist seit 1999 in Einzelpraxis in Frankfurt tätig und hat eine Praxisgemeinschaft mit zunächst zwei bzw. zuletzt drei Psychotherapeutinnen gebildet. Seinen Antrag vom Mai 2007 auf Genehmigung einer Zweigpraxis in der Stadt Schlitz, die ca. 130 km von der Hauptpraxis entfernt ist, lehnte die beklagte KÄV ab. Am Ort der Zweigpraxis in Schlitz mit knapp 10.000 Einwohnern war noch kein Psychotherapeut niedergelassen ist, während in Frankfurt aber eine gute Versorgung durch Psychotherapeuten besteht.

Der Kläger klagte auf Erteilung der Genehmigung für die Zweigpraxis. Das Sozialgericht gab dem Kläger Recht. Das Landessozialgericht wies seine Klage ab.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Revision und berief sich unter anderem auf die zum 1.1.2012 auf Grund des Versorgungsstrukturgesetzes in Kraft getretenen Änderungen des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV und auf die schlechte Versorgungslage am Ort der Zweigpraxis.

Entscheidung:
Das Bundessozialgericht erörterte die Angelegenheit mit den Parteien. Das BSG stellte dabei klar, dass die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Ergänzung des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr 2 Ärzte-ZV, wonach Zweigpraxisgenehmigungen unter erleichterten Voraussetzungen erteilt werden als bisher, anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift sind "geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden".

Auf Vorschlag des BSG beendeten die Parteien darauf hin den Rechtsstreit durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. Danach erteilt die Beklagte dem Kläger die Zweigpraxisgenehmigung zunächst für die Dauer von zwei Jahren. Nach Ablauf der zwei Jahre wird die Versorgungslage in Frankfurt und Schlitz überprüft.

Damit rückt das BSG von seiner früheren Rechtsprechung vom 9. Februar 2011 (- B 6 KA 7/10 R -) ab. In dem im Jahr 2011 entschiedenen Fall hatte das BSG noch einer KÄV Recht gegeben, als diese einem Kinderarzt die Genehmigung der Zweigpraxis in einem etwa 130 Kilometer zum Hauptsitz entfernten Ort verweigerte mit der Begründung, dass durch die Anwesenheit des Kinderarztes in der Zweigpraxis die erforderliche Akutversorgung der Patienten am Hauptsitz gefährdet sei.

Anmerkung:
Die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten (Präsenzpflicht) wird grundsätzlich dann nicht beeinträchtigt, wenn die Dauer der Tätigkeit des Arztes in der Zweigstelle ein Drittel seiner Tätigkeit am Hauptsitz nicht übersteigt. Allerdings kann der Arzt nach der neuen Regelung nun auch mehr Zeit in der Zweigstelle verbringen.

Es ist damit zu rechnen, dass Zweippraxisgenehmigungen aber nur befristet erteilt werden und dass die KV nach Ablauf der Frist prüft, ob die Versorgungslage durch die Zweigpraxis tatsächlich verbessert wurde und ob die Lage am Ort des Hauptsitzes sich nur geringfügig verschlechterte. Daher besteht hier nur eine bedingte Planungssicherheit für den Arzt, der eine Zweigstelle plant.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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