Falsche Angaben eines Versicherten einer Berufsunfähigkeitsversicherung zum Einkommen und zum Alkoholkonsum bei Vertragsschluß berechtigen die Versicherung zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (Kammergericht, Beschluss vom 28.04.2006 -6 U 41/06- ).

Aus den Gründen:

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet, da das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass die zulässige Feststellungsklage nicht begründet ist, weil der Versicherungsvertrag aufgrund der wirksamen Anfechtung der Beklagten wegen einer arglistigen Täuschung durch den Kläger als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers, mit dem er lediglich die falschen Angaben und den Täuschungsvorsatz in Abrede stellt, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Ein Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung besteht, wenn der Versicherungsnehmer durch wissentliche falsche Angaben auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich daher bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise den Vertrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn wahre Angaben gemacht würden (Senat, Urteil vom 17. November 2000 - 6 U 2958/99 - unter Hinweis auf BGH, VersR 1957, 351; OLG Köln, VersR 1996, 831).

Der Kläger hat die Beklagte durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt (§§ 123 Abs. 1 BGB, 22 VVG), indem er in dem Bewusstsein, dass die Beklagte im Falle wahrheitsgemäßer Angaben die Anträge möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, und mit der Absicht, durch seine unrichtigen und unvollständigen Erklärungen auf die Willensentschließung der Beklagten Einfluss zu nehmen, wissentlich unrichtige Angaben gemacht hat.

Der Kläger hat sowohl die Frage nach dem zu versteuernden Einkommen der letzten zwölf Monate mit „..... ca. 80.000,--„ als auch die Frage nach regelmäßiger Zusichnahme von Alkohol und die Frage, ob die hier beantragte jährliche Berufsunfähigkeitsrente sein jährliches Nettoeinkommen übersteige, jeweils mit „nein“ und damit objektiv falsch beantwortet.

Tatsächlich hatte der Kläger nämlich ausweislich der Steuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2001 ein durchschnittliches Bruttojahreseinkommen von 24.433,00 DM, während die beantragte jährliche Berufsunfähigkeitsrente 36.000,00 DM betrug. Auch war der Kläger jedenfalls seit März 1995 mehrfach mit erheblichen Blutalkoholkonzentrationen auffällig und straffällig geworden, seine „Alkoholprobleme“ waren ihm ausweislich seines eigenen Schreibens vom 9. November 2002 bewusst und anscheinend derart gravierend, dass ihm durch Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 18. Juli 2003 aufgegeben wurde, eine stationäre Alkoholtherapie durchzuführen.

Die diesbezüglichen Erklärungsversuche des Klägers vermögen nicht zu überzeugen. Soweit er anführt, durch den Zusatz „Netto für Brutto“ vor der Angabe „ca. 80.000,--„ klargestellt zu haben, dass er seinen Umsatz meine, verfängt dies nicht. Da mit der Frage nach dem zu versteuernden Einkommen eindeutig nicht der Umsatz, sondern das Bruttoeinkommen gemeint ist und der Zusatz „Netto für Brutto“ nicht erkennen lässt, dass es sich um eine Umsatzangabe handeln soll, musste die Beklagte die Antwort so verstehen, dass der Kläger tatsächlich sein Bruttoeinkommen angegeben hatte. Zu der - erheblichen - Diskrepanz zwischen einer beantragten Berufsunfähigkeitsrente von 36.000,00 DM und einem jedenfalls unter dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von ca. 24.000,00 DM liegenden Nettoeinkommen fehlt jede Erklärung. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Kläger angesichts seiner oben angesprochenen Alkoholproblematik auch zum Zeitpunkt der Antragstellung am 5. Juni 2001 die „Erkenntnis“ hatte, Alkohol mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu sich zu nehmen.

Mit seinen unzutreffenden Angaben hat der Kläger die Beklagte arglistig getäuscht. Eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB liegt zwar nur vor, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur eine bewusst unrichtige Erklärung abgibt, sondern auch - zumindest mit bedingtem Vorsatz - beabsichtigt, durch die unrichtige Erklärung auf die Willensentschließung des Versicherers Einfluss zu nehmen (OLG Hamburg, VersR 1971, 902). Diese subjektive Komponente setzt bei dem Versicherungsnehmer das Bewusstsein voraus, dass der Versicherer seinen Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde (OLG Köln, VersR 1996, 831). Für die Feststellung der Täuschungsabsicht sind daher weitere Umstände erforderlich, aus denen diese Absicht gefolgert werden kann. Derartige Umstände sind vorliegend aber gegeben. Da es sich insoweit um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis regelmäßig nur anhand von Indizien geführt werden, wobei der Richter sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen kann, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (BGH Z 51, 245, 255 f.). Wesentliche Indizien können sich ergeben aus Art, Umfang und Bedeutung der unrichtigen und unvollständigen Angaben, aus dem Persönlichkeitsbild des Antragstellers, dessen Bildungsstand, den besonderen Umständen bei der Ausfüllung des Antrags und der Art der Versicherung (vgl. Benkel/Hirschberg, § 6 ALB, Rdnr. 86). Dabei ist eine Gesamtschau der Indizien vorzunehmen, wobei der Versicherungsnehmer die Gründe für die falsche Beantwortung darzutun und einer Nachprüfung zugänglich zu machen hat (BGH, VersR 1971, 142, 144). Der Kläger hat aber keine überzeugenden Gründen dafür dargetan, wieso er Alkoholkonsum verneint, sowie sein zu versteuerndes Einkommen unzutreffend angegeben und die Frage, ob die hier beantragte jährliche Berufsunfähigkeitsrente sein jährliches Nettoeinkommen übersteigt, falsch beantwortet hat. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf S. 7 und 8 des angefochtenen Urteils sowie darauf verwiesen werden, dass der Kläger für die Falschbeantwortung der Frage, ob die beantragte Berufsunfähigkeitsrente sein jährliches Nettoeinkommen übersteigt, keine Gründe angegeben hat.

Danach muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger falsche Angaben gemacht hat, um Einfluss auf die Entschließung der Beklagten zu nehmen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.; VersR 1975, 561, 562; OLG Köln, a.a.O.). Durch die unrichtige Beantwortung der Fragen hat der Kläger von seiner Person und seinem Gesundheitszustand ein falsches Bild gezeichnet, wobei er damit rechnete, dass die Beklagte seinen Antrag nicht oder nur zu anderen Bedingungen annehmen werde, wenn er die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hätte.

Damit liegen die Voraussetzungen für eine wirksame Anfechtung gemäß § 123 BGB vor. Die von der Beklagten ausgesprochene Anfechtung ist wirksam.

Der Kläger erhält Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen zu dem vorstehenden Hinweis Stellung zu nehmen, wobei im Kosteninteresse die Rücknahme der Berufung erwogen werden mag (Quelle: Juris).

Anmerkung:
Wer Falschangaben macht bei Antragstellung, muß plausibel erklären können, warum er falsche Angaben machte. Die dafür genannten Gründe muss er einer Aufklärung bzw. Überprüfung durch die Versicherung zugänglich machen. Es ist also erforderlich, dass er insofern mit der Versicherung kooperiert und bei einer Klärung aktiv mitwirkt. 
Tut er dies nicht, kann das Gericht daraus zu seinen Ungunsten schließen, dass er die Angaben machte, gerade um die Versicherung zu täuschen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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