Das Bundessozialgericht definiert die Voraussetzungen und Grenzen der Zulassung einer Zweigpraxis für Ärzte anhand von vier Fällen. Es stellt u.a. fest, wann eine Zweigpraxis zu genehmigen ist und dass die KVen dabei einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum haben (Bundessozialgericht, Urteile vom 9.2.2011 - B 6 KA 7/10 R, B 6 KA 12/10 R, B 6 KA 3/10 R, B 6 KA 49/09 R).

Örtliche Zuständigkeiten der KVen

Das BSG klärt zuersteinmal, wer für die Genehmigung der Zweigpraxen örtlich zuständig ist. Bei einer Zweigpraxis im Bezirk der Hauptpraxis ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zuständig, deren Mitglied der Vertragsarzt ist. Bei einer Zweigpraxis außerhalb des Bezirks der Hauptpraxis ist die dort räumlich zuständige KV zuständig.

Das BSG führt dann weiter aus, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen einen Beurteilungsspielraum bei der Vergabe der Genehmigungen besitzt. Dieser ist im Sinne des § 24 Ärzte-Zulassungsverordnung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Folglich ist die Angreifbarkeit dieser Entscheidung erschwert.

Wann darf eine Zweigpraxis errichtet werden?

Ein Vertragsarzt darf seine vertragsärztlichen Tätigkeiten neben dem Haupt-Vertragsarztsitz an weiteren Orten (Zweigpraxen) auszuüben, wenn und soweit dies 1. die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird (§ 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung sowie die Zahnärzte-Zulassungsverordnung).

Das BSG betont noch einmal die Privilegierung von MVZ bei der Frage der Zweigpraxen: Berufsrechtlich dürfen Vertragsärzte nur an maximal zwei weiteren Standorten neben der Hauptpraxis vertragsärztlich tätig werden; diese Einschränkung gilt nicht für Zweigpraxen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Eine Grenze gibt es aber auch für MVZ bei der Zahl der verschiedenen Standorte: Jeder im MVZ tätige Arzt darf nur an höchstens drei Standorten des MVZ tätig sein.

Fachkundenachweis darf gefordert werden

Das BSG stellt weiter fest, dass es den KVen gestattet ist, einen entsprechenden Fachkundenachweis von einem Arzt zu verlangen, wenn seitens des Arztes bezüglich einer Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis auf eine besondere Fachkunde hingewiesen wird. Konkret ging es darum, dass ein Zahnarzt zur Begründung seines Genehmigungsantrages geltend machte, dass seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Kinderzahnheilkunde zu einer Verbesserung der Versorgung von Kindern am Ort der Zweigpraxis führen. Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung zum Beleg einer derartigen besonderen Fachkunde auf ein von der Zahnärztekammer vergebenes Zertifikat abstellen dürfe. Sie muss sich nicht mit eigenen Angaben des Zahnarztes zur Zahl der von ihm behandelten Kinder und einer Selbsteinschätzung seiner Fähigkeiten begnügen.

Wer vor Ort eingeschränkt erreichbar ist, darf keine Zweigpraxis errichten

Anhand der entschiedenen Fälle läßt sich gut erkennen, welche Kriterien bei der Genehmigung einer Zweigpraxis relevant sind: So sieht das BSG die Versorgung am Vertragsarztsitz als möglicherweise beeinträchtigt an, wenn ein Kinderarzt regelmäßig an einem Tag der Woche nicht oder nur erheblich eingeschränkt an dem Vertragsarztsitz erreichbar ist, da er 120 km entfernt eine Zweigpraxis betreibt. Auch sieht das BSG keine Verbesserung der Versorgung an dem Ort der Zweigpraxis durch ein kieferorthopädisches Angebot an Freitagen und Samstagen, wenn der Vertragsarzt bei Komplikationen an anderen Wochentagen nicht erreichbar ist. Hier war der Hauptsitz 500 km entfernt von der Zweigpraxis. Ein erhebliches Versorgungsdefizit am Ort der Zweigpraxis könne aber eine andere Beurteilung der Genehmigung gebieten.

Praxistipp

Bei der Beantragung einer Genehmigung für eine Zweigpraxis sind alle Begleitumstände zu berücksichtigen (wie etwa die Versorgungslage im Bereich der Zweigpraxis, die Erreichbarkeit des Arztes für die Patienten im Bereich der Zweigpraxis und die in der Zweigpraxis angebotenen Sprechstunden im Verhältnis zum Versorgungsbedarf) und sogleich umfassend in dem Antrag geltend zu machen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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