Bei der Behandlung der feuchten Makuladegeneration (AMD) gesetzlich Versicherter stellt sich für den Augenarzt in der täglichen Arbeit die Frage, ob er das preiswerte aber nicht dafür zugelassene Medikament Avastin (Bevacizumab) oder das zugelassene, aber ungleich teurere Lucentis (Ranibizumab) verordnet. Hierfür sieht die Kanzlei ein Beratungsangebot vor, das dem Arzt den für ihn und die Patienten sichersten Weg aufzeigt.

Augenärzte in der Zwickmühle

Der Augenarzt ist einerseits verpflichtet, den Patienten nach dem medizinischen Standard zu behandeln. Dies ist nach derzeitiger Lage die Verordnung des teuren aber zugelassenen Medikaments Lucentis. Andererseits ist der Augenarzt verpflichtet, seine Medikamentenbudgets einzuhalten, will er nicht einen Regress riskieren. Dies drängt ihn in Anbetracht der relativen Häufigkeit der feuchten Makuladegeneration zu der Verordnung des ungleich preiswerteren Medikaments Avastin.

Ob der sog. Off-Label-Use von Avastin überhaupt erlaubt ist, ist dem Augenarzt gleichfalls unklar. Die Rechtslage ist durch das den Off-Label-Use erlaubende Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf aus dem Jahre 2008 (02.07.2008: SG Düsseldorf: „Off-Label-Use“ von Avastin zulässig
) auf den ersten Blick nicht klarer geworden. Das kostensparende Auseinzeln der Medikamente sehen die Gerichte sehr kritisch. Bei der Verwendung von ausgeeinzeltem Avastin kam es in mehreren Fällen zur Erblindung von Patienten (29.10.2008: unsachgemäße Behandlung von AMD mit Avastin führt zu Erblindung).

Pflicht zur Aufklärung bei Off-Label-Use von Avastin

Zugleich ist der Arzt bei Verwendung von Avastin im sog. Off-Label-Use verpflichtet, den Patienten umfassend über die damit verbundenen Risiken aufzuklären. Sonst macht er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig. Wie diese Aufklärung zu geschehen hat, ist dem Augenarzt unbekannt.

Unklare Rechtslage zu Avastin-Programmen der gesetzlichen Krankenkassen

Ob den gesetzlichen Krankenkassen das Umlenken von AMD-Patienten zu Ärzten erlaubt ist, die nur Avastin verordnen, ist in der Rechtsprechung umstritten. Das Sozialgericht Düsseldorf sprach sich dafür aus, das Landessozialgericht NRW dagegen. Was hat der Arzt zu tun, um die Entscheidungsfreiheit des Patienten zu gewährleisten? Das Sozialgericht Aachen entschied kürzlich, dass gesetzlich Krankenversicherte mit feuchter AMD einen Anspruch auf Behandlung mit Lucentis haben. Wie aber soll der Arzt diesen Anspruch erfüllen, ohne sein Budget zu sprengen? Der Arzt ist in dieser unklaren Rechtslage ratlos, was er nun tun soll. Kann er an entsprechenden Avastin-Programmen der Krankenkassen oder Anwendungsstudien teilnehmen? Zumindest in Bezug auf die privat versicherten Patienten kann der Augenarzt ohne Sorgen Avastin im Off-Label-Use verwenden, da die Musterbedingungen der PKV den Einsatz von Arzneimittel grundsätzlich auch außerhalb der zugelassenen Indikation erlauben. Allerdings muss der Arzt auch die privat versicherten Patienten über die spezifischen Risiken des Off-Label-Use hinweisen.

Studien zur Wirksamkeit von Avastin bei feuchter Makuladegeneration laufen noch

Derzeit laufen mehrere Studien zur Wirksamkeit von Avastin. Die bisherigen Ergebnisse der noch laufenden Vibera-Studie der Uni Bremen von Prof. Dr. Bernd Mühlbauer deuten sogar darauf hin, dass Avastin länger im Auge verbleibt und daher wirksamer ist als Lucentis. Dann wäre weniger Avastin als Lucentis nötig, um den gleichen Behandlungserfolg zu erzielen. In diesem Fall wäre Avastin der neue medizinische Standard. Bis zur Klärung dieser Fragen bleiben für den Arzt Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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