Die Große Koalition will laut Koalitionsvertrag unter anderem die Rechte der Patienten gesetzlich regeln und spricht sich deutlich für die ärztliche Leitung in Medizinischen Versorgungszentren aus. Eine Übersicht

Allgemeines

Krankheitsprävention wird als Baustein für gesundes Leben benannt. Wörtlich heißt es weiter zu diesem Thema: „Unsere Präventionsstrategie wird Vorhandenes bewerten und aufeinander abstimmen, nationale und internationale Erfahrungen und Erkenntnisse analysieren sowie auf bewährten Programmen und Strukturen aufbauen, diese weiterentwickeln und sie in die Fläche bringen. Dazu bedarf es einer klaren Aufgaben- und Finanzverteilung unter Berücksichtigung und Stärkung der vorhandenen Strukturen.“

Patientensouveränität und Patientenrechte

Die Rechte der Patienten sollen gestärkt werden. Dies gilt insbesondere gegenüber Krankenkassen und Leistungserbringern. Die Patientenberatung soll ausgebaut werden. Die Transparenz der Behandlung und Orientierung der Patienten sollen gestärkt werden. Die Koalition strebt ein eigenes Patientenschutzgesetz an, in dem alle schadensersatzrechtlichen Ansprüche, Auskunftsansprüche und sonstigen Rechte der Patienten gebündelt werden.

Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes

Konkret wird dem „Weg in die Einheitskasse“ und einem „staatlich zentralistischen Gesundheitssystem“ eine klare Absage erteilt. Angestrebt ist die Entkopplung der Finanzierung des Feldes „Gesundheit“ von den Arbeitskosten, was wohl inhaltlich nur den Weg in die Steuer(mit)finanzierung andeuten kann.

Angestrebt ist eine Reduzierung des Morbiditäts-Risikostrukturausgleichs auf das notwendige Maß. Der Morbi-RSA soll unbürokratisch und unanfällig für Manipulationen gestaltet werden. Die derzeitige Situation sei gekennzeichnet durch ein prognostisches Defizit, dass sich sowohl aus krisenbedingten Beitragsausfällen als auch gesundheitsimmanenten Ausgabensteigerungen (Demographie, Innovationskosten, Fehlwirkungen) zusammensetze.

Zwei kurzfristige Maßnahmen werden hier im Koalitionsvertrag genannt:

  1. Krisenbedingte Einnahmeausfälle dürfen nicht alleine den Versicherten aufgebürdet werden, deshalb werden gesamtstaatliche flankierende Maßnahmen zur Überbrückung der Krise erfolgen.
  2. Unnötige Ausgaben sind zu vermeiden.

Vielfalt und Wettbewerb in der Versorgung

Allgemein wird betont, dass ein Wettbewerb um Leistungen, Preise und Qualität stattfinden soll. Die Grosse Koalition sieht Überprüfungsbedarf insbesondere bei Rabattverträgen und Fusionen von Krankenhäusern und Krankenkassen.

Ärztliche Versorgung, Freiberuflichkeit

Betont wird, dass die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit ein tragendes Prinzip unserer Gesundheitsversorgung ist und die Therapiefreiheit absichert. Ebenso ist die freie Arztwahl wichtig. Diese Struktur der ambulanten Versorgung soll aufrechterhalten werden.

Daher sollen medizinische Versorgungszentren nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden. Geschäftsanteile sollen nur von zugelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern gehalten werden. Wesentlich sei dabei vor allem, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrecht der Ärztinnen und Ärzten zustehe und das MVZ von Ärztinnen und Ärzten verantwortlich geführt werde. Für den Bereich unterversorgte Gebiete solle eine Öffnungsklausel für Krankenhäuser vorgesehen werden, wenn keine Interessenten aus dem Bereich der Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen.

Ärztliches Honorar

Die bisherige Honorarreform soll nach Ansicht der Großen Koalition unter dem Gesichtspunkt eines einfachen, verständlichen Vergütungssystems, das die Leistungen adäquat abbildet, geprüft und korrigiert werden. Die Transparenz für Ärztinnen und Ärzte solle erhöht werden. Die Möglichkeiten der Kostenerstattung sollen ausgeweitet werden.

Interessant für die Ärzteschaft ist insbesondere der geäußerte Wille, die GOÄ an den aktuellen Stand der Wissenschaft anzupassen und dabei Kostenentwicklungen zu berücksichtigen.

Die Große Koalition will ferner überprüfen, ob die Richtgrößen der ärztlichen Verordnung notwendig sind.

Die Praxisgebühr soll auf ihre Steuerungswirkung hin überprüft und gegebenenfalls ersetzt werden.

Zahnmedizinische Versorgung

Hinsichtlich der Zahnmedizinischen Versorgung müssten neue Regelungen zur Vergütung gefunden werden. Nach Ansicht der Koalitionäre habe sich die Anbindung an die Grundlohnsummenentwicklung überholt. Die Kostenerstattung soll erleichtert werden und die GOZ angepasst werden. Auch soll die Approbationsordnung für Zahnärzte novelliert werden.

Flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung

Die Koalition betont die Wichtigkeit der flächendeckenden und bedarfsgerechten Versorgung. Sie will der Unterversorgung, dem Ärztemangel und den zunehmend längeren Wartenzeiten von Patienten beim Arzt entgegen treten.
Dazu sind folgende Maßnahmen genannt im Koalitionsvertrag:

  1. gezielte Nachwuchsgewinnung und Förderung von Medizinstudenten und Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung.
  2. Ausbau der Anreize und Mobilitätshilfen bei der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten in unterversorgten Gebieten und
  3. Erweiterung der Delegationsmöglichkeiten ärztlicher und anderer Tätigkeiten zur Entlastung von Ärztinnen und Ärzten.

Moderne Selbstverwaltung der Ärzte

Die Koalition lobt die Selbstverwaltung der Ärzte durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. Das Selbstverwaltungsprinzip soll bewahrt und an moderne Verhältnisse angepasst werden. Dazu sollen die Kriterien Legitimation, Akzeptanz und Effektivität gestärkt werden. Die KVen müssten künftig mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Vergütung erhalten, um den Versorgungsauftrag vor Ort besser Rechnung tragen zu können. Die Aufgaben des Spitzenverbandes Bund sollen sich auf die Bereiche konzentrieren, die gemeinsam und einheitlich durchgeführt werden müssen.

Zusammenfassung/Summary:

Die Aussagen der Koalition bleiben sehr allgemein.

Positiv ist aus Sicht der Patienten das geplante Patientengesetz zu sehen, das von Patientenschutzverbänden seit längerem gefordert wird und dem Patienten mehr Transparenz bezüglich seiner Rechte im Verhältnis zu den Ärzten bringen soll.

Interessant für Ärzte und Krankenhäuser ist die eindeutige Stellungnahme der Großen Koalition gegen Medizinische Versorgungszentren in der Hand von Investoren bzw. der Aufbau von MVZ als „Ketten“. Aus Patientensicht ist wiederum der Wunsch der Koalition zur Beseitigung der Unterversorgung interessant. Dies ist insbesondere in ländlichen Gebieten der Neuen Bundesländer dringend nötig.

Es bleibt abzuwarten, wie die Koalition diese Ankündigungen im Einzelnen umsetzt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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