Behandlungsunterlagen eines Patienten(5.5.2023) Das Recht eines Bürgers auf Erhalt eine Kopie der verarbeiteten Daten nach Art. 15 DSGVO beinhaltet das Recht auf eine Fotokopie. Wenn es zum Verständnis der Daten unerlässlich ist, kann der Bürger auch die Fotokopie sämtlicher Daten verlangen (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 4.5.2023 - C-487/21). Diese Auskunft ist kostenlos zu erteilen. Diese Grundsätze gelten auch für das Verhältnis zwischen Patient und Arzt.

Eine "Kopie" im Sinne der DSGVO ist laut EuGH eine originalgetreue Reproduktion oder Abschrift, mithin eine Fotokopie. Die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Um zu gewährleisten, dass die so bereitgestellten Informationen leicht verständlich sind, kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. personenbezogene Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, als unerlässlich erweisen. Insbesondere wenn personenbezogene Daten aus anderen Daten generiert werden oder wenn sie auf freien Feldern beruhen, d. h. einer fehlenden Angabe, aus der eine Information über die betroffene Person hervorgeht, ist der Kontext, in dem diese Daten Gegenstand der Verarbeitung sind, unerlässlich, damit die betroffene Person eine transparente Auskunft und eine verständliche Darstellung dieser Daten erhalten kann.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bezog sich auf einen Anspruch eines Österreichers gegen eine Kreditauskunft. Gleichwohl läßt sich diese Rechtsprechung ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen deutschem Patienten und dem behandelnden Arzt/Krankenhaus übertragen. Denn die Daten, die ein Arzt über den Patienten erhebt, sind nur in ihrem gesamten Kontext verständlich, also wenn der Patient nicht nur die erhobenen Daten (zum Beispiel die Inhalte der ausgefüllten Felder eines Anamnese-Formulars wie Sauerstoffsättigung, Blutdruck) sieht, sondern auch die Daten, die nicht erhoben wurden (zum Beispiel freie Felder des Anamnese-Formulars bei Blutzuckermessung). Medizinische Behandlungsunterlagen sind in der Regel also nur verständlich, wenn im Rahmen der Auskunft der Gesamtkontext mitgeliefert wird, sprich dem Patienten sowohl die erfassten Daten wie auch die nicht erfassten Daten mitgeteilt werden. Im Zweifel muss die Behandlungsseite (Arzt/Krankenhaus) dem Patienten also die gesamte Behandlungsakte in Form einer Fotokopie nach Art. 15 DSGVO zur Verfügung stellen und dies auch kostenlos, Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO. Die Behandlungsseite kann aber Kosten sparen, indem sie die Daten elektronisch zur Verfügung stellt, Art. 15 Absatz 3 Satz 3 DSGVO, zum Beispiel durch Übersendung einer verschlüsselten pdf-Datei.

Überholt sind damit die von der deutschen Rechtsprechung zum Anspruch der Behandlungsseite auf Ersatz der Kopierkosten und Versandkosten entwickelten Grundsätze, die schließlich in § 630g Absatz 2 Satz 2 BGB ("Der Patient hat dem Behandelnden die durch die Einsichtnahme entstandenen Kosten zu ersetzen") ihren Niederschlag gefunden hatten. Maßgeblich ist nun, dass der Patient aus Art. 15 DSGVO als vorrangigem Recht einen eigenen Anspruch gegen Arzt/Krankenhaus auf Übersendung von kostenlosen Kopien der gesamten Behandlungsakte hat.  

Stellt die Behandlungsseite diese Kopien nicht (kostenlos) zur Verfügung, hat der Patient das Recht, sich bei der Datenschutzbehörde zu beschweren (Art. 77 DSGVO). Das gleiche Beschwerderecht hat der Patient, wenn der Arzt die Kopien nicht zeitnah zur Verfügung stellt. Diese Beschwerde führt regelmäßig zu schmerzhaften Bußgeldern für die Behandlungsseite. Denn die Nichterfüllung des Auskunftsrechtes nach Art. 15 DSGVO ist ein schwerwiegender Verstoß gegen das Datenschutzrecht. 

Fazit:

Der Behandlungsseite ist zu raten, Auskunftsansprüche der Patienten spätestens binnen Monatsfrist zu erfüllen, indem sie dem Patienten eine Kopie der gesamten Behandlungsunterlagen zeitnah kostenlos zur Verfügung stellen. Dies kann wie gesagt kostensparend auf elektronischem Wege geschehen. Schon das Verlangen eines Vorschusses auf die Kopie- und Versandkosten kann als Verzögerung bzw. Verweigerung des Auskunftsanspruches und mithin als Datenschutzverstoß gewertet werden. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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