Zahnarzt rechnet Laborleistungen falsch ab(20.6.2022) Rechnet ein Zahnarzt Zahnlaborleistungen für Kronen etc., die in der Türkei hergestellt wurden, als Eigenleistungen zu einem höheren Preis als dem tatsächlich an das Fremdlabor gezahlten Preis ab, so betrügt er die Kassenzahnärztliche Vereinigung in gewerbsmäßiger Weise um den Differenzbetrag. Der Zahnarzt kann sich dabei nicht darauf berufen, von der Abrechnung überfordert gewesen zu sein (Amtsgericht Wuppertal, Urteil vom 5. Mai 2022 – 12 Ls-20 Js 796/17-43/21). 

Der Fall: 

Ein seit 2014 in eigener Praxis tätiger Zahnarzt richtete ein Eigenlabor in der Nähe seiner Praxis ein. Dieses konnte wegen fehlender Ausstattungen aber bestimmte komplexere Arbeiten nicht durchführen. Diese Arbeiten ließ der Zahnarzt im Zeitraum 2015 bis 2017 in einem Zahnlabor in der Türkei ausführen. Der Zahnarzt rechnete die Kronen etc. dann als eigene Leistung ab gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung.

Zum Beispiel wurde ihm für eine Teleskopkrone vom türkischen Fremdlabor ein Betrag von 100,00 Euro in Rechnung gestellt. Diese Krone rechnete der Zahnarzt gegenüber der KZV mit 294,02 Euro zzgl. Mehrwertsteuer ab.

Die Differenz zwischen den tatsächlichen Fremdleistungen und den als eigenen Laborleistungen abgerechneten und erhaltenen Leistungen betrug insgesamt rund 330.000 EUR.

Die KZV forderte rund 130.000 EUR von dem Zahnarzt zurüclk. Der Zahnarzt hat diesen Betrag durch monatliche Rückzahlungen zwischenzeitlich wieder ausgeglichen. 

Zu seiner Verteidigung gab der Zahnarzt u.a. an, er habe noch ganz wesentliche Teilschritte selbst im Labor ausgeführt. Im Übrigen sei der KZV kein Schaden entstanden. Er sei auch von der Abrechnung überfordert gewesen. 

Die Entscheidung:

Das AG Wuppertal sah den Zahnarzt als schuldig an in 19 Fällen des Betruges und verurteilte ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Das Gericht verwarf die Einwände des Zahnarztes als unbegründet. 

Wenn der Zahnarzt den geldwerten Vorteil der günstigen Auslandsarbeiten in keiner Weise in seinen Abrechnungen ausweise, sondern in diesen vorgibt, sämtliche Arbeiten im Eigenlabor ausgefertigt zu haben, erkläre sich dies nur dadurch, dass er die Vergünstigung nicht an die KZV bzw. seine Patienten weiterreichen, sondern diese für sich selbst behalten möchte.

Nachbesserungsarbeiten hat der Zahnarzt tatsächlich gar nicht ausgeführt, so das Gericht. 

Zugunsten des Zahnarztes hat das Gericht berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist und der Schaden vollständig zurückgezahlt wurde. Zudem liegen die Taten viele Jahre zurück. 

Er ist gerade Vater eines Kindes geworden und verfügt über geregelte Einkommen. Seine zahnärztlichen Leistungen rechnet er bereits seit 2017 ohne Beanstandung mit der KZV ab. Vor diesem Hintergrund erwartet das Gericht nicht, dass erneut die Gefahr strafrechtlichen Verhaltens bei ihm besteht.

Strafschärfend muss sich aber aus Sicht des Gerichts auswirken, dass ein hoher Schaden entstanden ist und die Taten über viele Monate hinweg verübt wurden.

Praxisanmerkung:

Der Arzt trägt für die von ihm in der Sammelerklärung abgegeben Abrechnungen die volle Verantwortung. Er kann sich nicht darauf berufen, zum Beispiel den Überblick verloren zu haben oder - wie im vorliegenden Fall - kein "Zahlenmensch" zu sein.

Die Abrechnung haben daher peinlichst genau richtig zu sein. Einzelne Abrechnungsfehler lassen im übrigen die gesamte Abrechnung fehlerhaft werden. Dies kann zu erheblichen Rückforderung führen und damit auch die wirtschaftliche Existenz der Praxis bedrohen.

Neben der hier ausgesprochenen Bewährungsstrafe ist allerdings noch eine Strafe der Zulassungsbehörde und/oder der Approbationsbehörde denkbar. Denn die falsche Abrechnung ist nicht nur ein Verstoß gegen die Strafgesetze (Betrug) sondern auch ein berufsrechtlicher Verstoß. Insbesondere wenn der Täter, wie hier, vor Gericht angibt, eigentlich nichts falsch gemacht zu haben, können Approbationsbehörde und Zulassungsbehörde es für erforderlich halten, hier noch das berufsrechtliche Vergehen zu ahnden, zum Beispiel durch eine Geldbuße, einen Verweis oder schlimmstenfalls durch eine Ruhen der Approbation. Wegen diesem berufsrechtlichen Überhang sollte der beweismäßig überführte Arzt immer erwägen, ob er nicht im Rahmen eines "Deals" reinen Tisch macht und alle Verstöße umfassend zugibt. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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