Chefarzt bei der Arbeit(11.5.2022) Vertragsärzte können Leistungen auch durch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte erbringen (vgl. § 15 Abs. 1 BMV-Ä). Ermächtigte Ärzte dagegen können dies nicht, sie müssen die Leistungen selbst erbringen und dürfen sie nicht durch Oberärzte und Stationsärzte erbringen lassen. Andernfalls muss der ermächtigte Arzt (hier: Chefarzt) die Honorare wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur persönliche Leistungserbringung zurückzahlen. (Sozialgericht München, Urteil vom 16. März 2022 – S 38 KA 300/19).

Der Fall:

Der klagende Chefarzt einer Fachklinik war seit 1999 zur vertragsärztlichen Versorgung von Patienten ermächtigt worden.

Seine Patienten wurden einbestellt und erscheinen im Chefarztbüro. Anschließend wurden sie verwaltungstechnisch aufgenommen und in die Ambulanz geschickt, wo die Behandlung stattgefunden habe. Der Chefarzt kam dann hinzu und führte die Erstbehandlung durch. Die spätere routinemäßige Behandlung wurde dann von anderen Klinikärzten durchgeführt. Der Chefarzt stellte stets die Rezepte über Hilfsmittel aus, während die Rezepte für Arzneimittel von den Klinikärzten ausgestellt wurden.

Die Statsanwaltschaft ermittelte in dieser Sache umfangreich wegen eines Abrechnungsbetruges des Chefarztes.

Die KV warf dem Chefarzt - gestützt auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft - vor, er habe gegen seine Grundpflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen und forderte 2017 für die Quartale 1/10 bis 2/13 insgesamt Honorare von rund 85.000 EUR von ihm zurück. Der Chefarzt widersprach dem erfolglos und klagte schließlich gegen den Rückforderungsbescheid.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht wies die Klage des Chefarztes als unbegründet zurück und bestätigte den Honorarrückforderungsbescheid der KV.

Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung sei eine der Grundpflichten eines Arztes, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, sei es im Rahmen einer Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 1 SGB V oder im Rahmen einer Ermächtigung zum Beispiel nach § 116 SGB. Die Ermächtigung sei gegenüber der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit subsidiär (§ 31 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV). Die vertragsärztliche Tätigkeit sei persönlich auszuüben. Während bei einem Vertragsarzt auch als persönliche Leistungen solche Leistungen gelten würden, die auch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte gemäß § 32b Ärzte-ZV erbringen (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä), bestehe diese Möglichkeit für ermächtigte Krankenhausärzte nicht.

Dem ermächtigen Krankenhausarzt sei es daher nicht erlaubt, weitere Ärzte wie Oberärzte und Assistenzärzte, auf die er qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen.

Es sei im Übrigen nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, wenn bei Unregelmäßigkeiten, die daneben einer strafrechtlichen Würdigung bedürfen, die Verwaltungsbehörde den Ausgang des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft abwarte und ihre eigenen Ermittlungen zurückstelle. Denn die Verwaltungsbehörde könne Zeugen nicht zur Aussage verpflichten, die Staatsanwaltschaft dagegen schon.

Praxisanmerkung:

Der Begründung der inhaltlich korrekten Entscheidung ist nichts hinzuzufügen. Der ermächtigte Arzt darf daher nur in äußerst geringem Umfang ärztliche Tätigkeiten delegieren. 

Anzumerken ist, dass die Ermächtigung von Ärzten oftmals unkritisch mit einer Zulassung gleichgesetzt wird. Dabei ist die Ermächtigung gegenüber der Zulassung klar subsidiär, darf also nur dort erteilt werden, wenn eine Zulassung nicht ausreichend ist. Die Zulassung hat also Vorrang vor einer Ermächtigung, d.h. wenn möglich müssen die Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen einen Versorgungsbedarf im ambulanten Bereich durch die Erteilung von Zulassungen befriedigen. Erst wenn dies nicht möglich ist, kann eine Ermächtigung erteilt werden, sprich darf es einem Klinikarzt gestattet werden, ausnahmsweise im stationären Versorgungsbereich (Klinik) einen ambulanten Patienten zu versorgen. Ermächtigungen werden vor allem dann erteilt, wenn ein bestimmter Bedarf in qualitativer oder quantitativer Hinsicht von niedergelassenen Kassenärzten nicht erbracht werden kann (Beispiel: nur eine fächerübergreifende Fachklinik kann hochkomplexe rheumatologische Fälle kompetent behandeln).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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