Zur Vergütung von Überstunden von Ärzten in Kliniken und Arztpraxen(17.5.2022) In Kliniken tätige Ärzte erbringen viele Überstunden. Die Bezahlung der Überstunden ist häufig ein Streitpunkt. Die Vergütung von Überstunden kommt dabei grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er die Überstunden erbracht hat und dass diese vom Arbeitgeber angeordnet waren oder von ihm gebilligt wurden (BAG, Urteile vom 4.5.2022 - 5 AZR 359/21; 5 AZR 451/21; 5 AZR 474/21). Um Überstunden bezahlt zu bekommen, sollte der Arzt darüberhinaus mit seinem Dienstherren eine entsprechende Regelung zur Überstundenvergütung treffen. Diese Problematik stellt sich im übrigen ebenso für Ärzte, die zum Beispiel in einem MVZ oder einer Arztpraxis angestellt sind.

Entscheidend sind also zwei Dinge für den Arzt: Erstens eine Vereinbarung, ob und wenn ja wie Überstunden vergütet werden. Zweitens der Nachweis der Anordnung und der Erbringung (Zahl und Datum) der Überstunden.

Vereinbarung der Bezahlung der Überstunden

Grundlage der Vergütung von Überstunden ist zuersteinmal der zwischen Arzt und Klinik (bzw. MVZ oder Gemeinschaftspraxis) geschlossene Dienstvertrag. Dies kann ein tarifgebundener Assistenzarztvertrag sein, ebenso wie ein Oberarzt-Dienstvertrag aber auch ein Chefarzt-Dienstvertrag. 

Überstunden sind nicht vom Direktionsrecht der Klinik oder des MVZ gedeckt. Der Arbeitgeber kann Überstunden also nicht einfach anordnen. Eine Pflicht, Überstunden zu leisten, besteht aber, wenn ein Notfall vorliegt: der Arzt darf dann nicht bei Dienstschluß den Dienst beenden sondern muss vielmehr den Notfall behandeln, auch wenn dies zu Überstunden führt. Außerrhalb von solchen Notfällen kann der Arzt mit Dienstschluss allerdings "den Stift fallen lassen" und nach Hause gehen. Oftmals tun Ärzte dies aber nicht, weil sie sich den Kollegen und Patienten verpflichtet fühlen und/oder weil sie Nachteile für ihre Karriere in der Klinik oder Arztpraxis fürchten.  

In der Praxis ist es daher häufig anzutreffen, dass etwa eine halbe Stelle einer Ärztin durch Überstunden de facto zu einer Dreiviertelstelle wird, allerdings ohne Bezahlung der Überstunden. Vertraglich vereinbarte 40-Stunden-Vollzeitstellen mutieren aufgrund der hohen Arbeitslast und der dünnen Personaldecken oftmals zu 60-Stunden-Tätigkeiten. Für die Ärzte ist es nicht hinnehmbar, dauerhaft unbezahlt Dienst zu leisten. Überdies mindern sich auf diese Weise auch die Beitragszahlungen zur Pflege-, Sozial- und Rentenkasse.  

Assistenzärzte werden in der Regel auf Basis des Tarifvertrages für Ärzte beschäftigt. Im Tarifverag Ärzte (VKA) ist zu den Überstunden geregelt, dass für diese (soweit diese angeordnet und nachweislich erbracht wurden) ein Zeitzuschlag auf dem Zeitkonto von 15 v.H. vorgenommen wird.

Die von der Kliniken und ambulanten Arbeitgebern verwendeten außertariflichen Muster-Dienstverträge (zum Beispiel für Oberärzte) beinhalten oft eine Standard-Formulierung, die ein Entgelt des Arztes für geleistete Überstunden gerade ausschließt, z.B.:

Mit dem Entgelt sind Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaftsdienste und Unterrichtserteilung abgegolten. 

Der angestellte Arzt sollte solche Regelungen streichen. Für den Arzt günstiger sind etwa Vereinbarungen wie:

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt durchschnittlich .... Stunden wöchentlich. ... Für Überstunden erhält der Arzt, sofern ein Ausgleich durch Freizeit nicht möglich ist, eine Vergütung von EUR ... pro Stunde. 

Ärzten ist anzuraten, das Thema Überstundenvergütung bei Vertragsverhandlungen früh und offensiv anzugehen und auf eine Regelung hinzuwirken.

Bei Chefärzten ist die Bereitschaft, sich in vollem Umfang in die Arbeit einzubringen, oftmals höher als zum Beispiel bei Oberärzten und Assistenzärzten. Daher verzichten Chefärzte oft auf eine gesonderte Überstundenvergütung. Vermehrt ist aber bei jungen Chefärzten der Wunsch nach einer gewissen work-life-Balance zu beobachten, so dass auch sie in Vertragsverhandlungen mit den Kliniken auf einen Ausgleich von Überstunden drängen. 

Wer bereits unter einem außertariflichen Dienstvertrag tätig ist, der keine Überstundenvergütung vorsieht, kann auf einer Änderung des Dienstvertrages bestehen. Dann sollte eine schriftliche Änderungsvereinbarung getroffen werden.  

Wer in einer außertariflichen Teilzeitbeschäftigung als Arzt angestellt ist (z.B. halbe Stelle) und gleichwohl ständig Überstunden erbringt, hat drei Möglichkeiten: Er kann erstens auf Neuabschluß eines Dienstvertrages drängen, der als Vollzeitstelle ausgeprägt ist. Zweitens kann er Überstunden künftig ablehnen. Denn Überstunden sind ja nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Drittens kann der Arzt auf eine Vereinbarung drängen, wonach Überstunden bezahlt werden. 

Nachweis der Anordnung und der Erbringung der Überstunden

Ist diese Hürde umschifft, stellt sich das vom Bundesarbeitsgericht angesprochene Problem des Nachweises der Erbringung der einzelnen Überstunden sowie der Nachweis der Anordnung/Billigung der Überstunden durch die Klinik als Arbeitgeberin. Um die geleisteten Überstunden nachzuweisen, gibt es verschiedene Möglichkeiten für den Arzt.

In manchen Kliniken werden die Dienstzeiten elektronisch präzise erfasst. Eine Überschreitung der regelmäßigen vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit ist dann ohne weiteres erkennbar. Der Arzt sollte darauf achten, dass er monatlich einen Ausdruck der Dientszeiten erhält und sollte diesen archivieren, um im Streitfalll dieses Dokument vorlegen zu können. Ansonszeiten wäre nicht sicher gestellt, dass die Klinik ihm diese Unterlagen im Streitfall zur Verfügung stellt oder ob diese überhaupt valide sind, sprich nicht von der Klinik nachträglich verändert wurden. In manchen Fällen kann der Arzt sogar die Überstunden in der Software selbst erfassen und dann genehmigen lassen. 

Teilweise werden Dienstzeiten in Kliniken oder MVZ aber auch nicht oder nur lückenhaft erfasst. Dann ist es der für den Arzt sicherste Weg, dass er seine Überstunden jeweils wöchentlich in einer von ihm selbst geführten Tabelle dokumentiert (geordnet nach Wochentag und Zeit) und sich diese Tabelle dann jede Woche oder zumindet am Ende des Monats vom ärztlichen Direktor mit Datum und Unterschrift abzeichnen lässt. Dies ist aber aufwändig und oftmals nicht durchzusetzen. 

Fazit:

Die Vergütung der Überstunden muss im Dienstvertrag geregelt sein. Hier ist Verhandlungsgeschick erforderlich. Hier hat der Arzt Vorteile, da Ärztemangel auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Der Arzt mus des weiteren dafür Sorge tragen, dass er die Anordnung und die Erbringung der Überstunden dokumentieren und so nachweisen kann.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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