Gemeinschaftspraxen können in bestimmten Fällen gewerbesteuerpflichtig werden(4.1.2022) Niedergelassene Ärzte müssen als selbständige Freiberufler grundsätzlich keine Gewerbesteuer zahlen. Nimmt eine Gemeinschaftspraxis eine Ärztin als Gesellschafterin  auf, die tatsächlich aber wie eine Mitarbeiterin behandelt wird, so werden sämtliche Einnahmen der Gemeinschaftspraxis gewerbesteuerpflichtig (Finanzgericht Münster, Urteil vom 26. November 2021 – 1 K 1193/18 G,F). Denn in einem solchen Fall werden die Einnahmen der Ärztin nicht durch die eigene Fachkenntnis, Leitung und Verantwortung der verbleibenden Gesellschafter erzielt (also in "selbständiger" Tätigkeit), sondern werden quasi durch eine angestellte aber eigenverantwortlich tätige Ärztin erwirtschaftet. Im Folgenden werden Strategien aufgezeigt, wie eine Gewerbesteuerpflicht vermieden werden kann.

Der Fall:

Ene Gemeinschaftspraxis aus Augenärzten betrieb zwei Standorte. Am zweiten Standort war ledglich eine Ärztin tätig, die mit Gesellschaftsvertrag in die Gesellschaft aufgenommen worden war. Sie war allerdings nicht am Gewinn und am Vermögen der Gesellschaft beteiligt.

Das Finanzamt unterwarf die Gemeinschaftspraxis der Gewerbesteuerpflicht, da die Ärztin keine Gesellschafterin, aber gleichwohl eigenverantwortlich tätig sei. Mithin seien die Einnahmen nicht Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit der Gesellschafter.

Dagegen klagte die Gemeinschaftspraxis.

Die Entscheidung:

Das Finanzgericht Münster bejahte eine Gewerbesteuerpflicht der Gemeinschaftspraxis. 

Ein Arzt ist laut Gericht nur dann Gesellschafter eine Gemeinschaftspraxis von Ärzten (und dann dort selbständig und befreit von der Gewerbesteuer) tätig, wenn er/sie

  1. am Gewinn der gesamten Gesellschaft - sprich aller Gesellschafter-Ärzte - beteiligt wird
    (und nicht wie die Ärztin nur am Gewinn, den sie selbst erwirtschaftet hat).
    Diese Beteiligung darf durchaus auch nur anteilig je nach der vom einzelnen Arzt-Gesellschafter eingezahlten Vermögensbeteiligung gezahlt werden.
    Gönnerhaft ausgezahlte Gewinnbeteiligungen zählen nicht als eine solche Gewinnbeteiligung, diese Zahlungen sind lediglich Gratifikationen, auf die kein Anspruch besteht.
  2. beim Auscheiden aus der Gemeinschaftspraxis seinen Anteil an der Wertsteigerung der Gesellschaft ausgezahlt bekommt, sprich wenn er Anspruch auf den Firmenwert und die stillen (materiellen und immateriellen) Reserven der Gesellschaft hat 
    (die Ärztin hatte im vorliegenden Fall keine Beteiligung an den immateriellen und materiellen Reserven versprochen bekommen)
  3. eine Haftung nach außen übernimmt und somit auch Verlustrisiken trägt
    (was bei der Ärztin nicht der Fall war, weil die Gemeinschaftspraxis hohe Gewinne abwarf und die Ärztin durch eine Haftpflichtversicherung gegen eine Inanspruchnahme Dritter abgesichert war)
  4. oder wenn der Arzt zumindest eine besondere Initiative bei seiner Arbeit gezeigt hat, z.B. er besondere Geschäftsführungsaufgaben übernahm oder eine hohe Arbeitslast auf sich nahm
    (da die Ärztin hier Entscheidungen nur zusammen mit den anderen Ärzten treffen konnte, war dies nicht der Fall)
    Dass die Ärztin im medizinischen Bereich Entscheidungsfreiheit besaß und selbst über die Therapien entscheiden konnte, änderte an der fehlenden Leitungsbefugnis nichts, weil jeder Facharzt in seinem Fachbereich ohnehin weisungsfrei tätig ist.  

Praxisanmerkung:

Die Tätigkeit als Gesellschafter in einer Gemeinschaftspraxis bringt Verpflichtungen und Risiken mit sich. Nicht jeder Arzt will diese eingehen, insbesondere manche Ärztinnen aber auch junge Väter scheuen die Arbeitsbelastung und Verantwortlichkeit. Oft wollen die alteingesessenen Ärzte einem neu hinzutretenden Arzt auch erstmal dien Platz am Tisch der Großen verweigern und ihn sich bewähren lassen, bevor sie ihn am Gewinn beteiligen. Manche Ärzte können oder wollen auch keine Vermögensbeteilkigung aufbringen. Es gibt also vielfältige Interessen, die für eine Konstruktion mit geringerer Verantwortung sprechen.

In einer Freiberufler-Gemeinschaftspraxis ist eine solche Konstruktion aber schwierig: Die Verantwortung eines Gesellschafters kann zwar reduziert werden, quasi ausgeschlossen (wie im vorliegenden Fall) darf sie aber nicht sein. So können z.B. die Beteiligung am Gewinn und an den Vermögenswerten, die Mitspracherechte, die Geschäftsführungsbefugnis oder die Risiken verringert werden. Hier können die beteiligten Gesellschafter die große Gestaltungsfreiheit nutzen, die das Gesellschaftsrecht bietet. 

Junge Ärtinnen und Ärzte, die mit reduzierter Arbeitszeit und eingeschränkter Verantwortung tätig sein wollen, sollten eine Tätigkeit als angestellter Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum in Erwägung ziehen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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