Kein 3G, keine Behandlung - ist dies erlaubt?(3.11.2021) Vermehrt verlangen niedergelassene Ärzte von ihren Patienten die Einhaltung der sog. 3G-Regel. Das heißt, sie behandeln nur Patienten, die auf Covid19 geimpft, negativ getestet oder nach Infektion wieder genesen sind. Dürfen Ärzte dies tun oder sind sie rechtlich verpflichtet, auch ungeimpfte, ungetestete oder nicht genesene Patienten in ihren Arztpraxen zu behandeln?

Ärzte sind – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – frei, eine Behandlung abzulehnen, § 7 Abs. 2 Satz 2 der Musterberufsordnung der Ärzte. Der Berhandlungsvertrag ist ein Dienstvertrag, § 630 a BGB, bei dem grundsätzlich die Vertragsautonomie gilt, das heißt, der Arzt kann selbst entscheiden, wen er behandelt. Der Vertragsarzt darf die Behandlung eines Patienten nur in begründeten Fällen ablehnen (vgl. § 13 Abs. 7 Satz 3 BMV-Ä).

Der Arzt ist aber in drei Fällen zur Behandlung verpflichtet:

  • Es liegt ein Notfall vor
  • Der Patient hat Schmerzen
  • Die Erkrankung des Patienten hat sich plötzlich erheblich verschlimmert (sog. Akutfall)

Von Seiten verschiedener Gesundheitsministerien wird in dieser Diskussion der Standpunkt eingenommen, Vertragsärztes dürften keine 3G-Regeln einführen. Richtig ist, dass Vertragsärzte durch die vertragsarztrechtliche Zulassung nicht nur das Recht erwerben, gesetzlich versicherte Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen zu behandeln, sie vielmehr auch verpflichtet sind, Patienten zu behandeln - macht also der Vertragsarzt seine Praxis einfach monatelang zu, so kann ihm die Zulassung wieder entzogen (und an einen anderen Arzt vergeben) werden. Damit ist aber nichts dafür dargetan, dass der Arzt jeden Patienten behandeln muss. Die Ansprüche des Patienten auf Behandlung (§§ 11, 27, 73 SGB V) richten sich gegen die gesetzliche Krankenversicherung des Patienten, nicht unmittelbar gegen die Vertragsärzte. Es gibt mithin keine vertragsarztrechtliche Pflicht, jeden Patienten zu behandeln. Der Arzt ist nur aus dem Berusfrecht verpflichtet, die Notfall-, Schmerz- und Akutpatienten umgehend zu behandeln. Der Wille zum Schutz des Arztes, seines Personals und der anderen Patienten vor einer Ansteckung mit Corona mittels Einführung einer 3G-Regel ist ein nachvollziehbarer Grund für eine Einschränkung der Behandlung.

Begeht ein Arzt eine strafbare unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB), wenn er einen Patienten nicht behandet?

In diese Diskussion schwappt auch immer wieder die Drohung, der Arzt mache sich strafbar, wenn er eine Behandlung verweigert. Hier muss man aber unterscheiden: Eine unterlassene Hilfeleistung erfordert zuerst einmal einen "Unglücksfall" (der die Hilfe des Arzte objektiv erforderlich macht). Eine plötzliche Verschlimmerung einer Krankheit ist als ein solcher Unglücksfall anerkannt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1982 – 1 StR 413/82 –, juris - schmerzhafte Eileiterschwangerschaft mit akuter Gefahr einer Ruptur des Eileiters). Eine schwere Krankheit als solche ist dagegen kein Unglücksfall.

Ist der Arzt in einem städtischen Ballungsraum niedergelassen, ist schon die objektive Erforderlichkeit seiner Hilfe zweifelhaft. Denn der Patient kann dann auch andere niedergelassene Ärzte in dem Ballungsraum zeitnah aufsuchen. Überdies kommt eine Strafbarkeit des Arztes wegen unterlassener Hilfeleistung nur in Betracht, wenn dem Arzt die Hilfe (sprich Behandlung) ohne erhebliche eigene Gefahr möglich ist. Fürchtet der Arzt, dass er sich bei der Behandlung von Patienten, die nicht die 3G-Regel erfüllen, auch bei Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen mit Covid19 ansteckt, so kann dies einer Strafbarkeit entgegen stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Behandlung oftmals die Inspektion des Mundes erfordert, so dass der Patient dann keine Maske tragen kann (Zahnärzte, HNO-Ärzte, Kinderärzte, Hausärzte, Internisten). 

Nach alledem ist eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung auf solche Fälle beschränkt, in denen der Arzt bei klaren Notfällen, Schmerzpatienten oder Patienten mit erheblicher Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung eine Behandlung verweigert. In allen anderen Fällen ist eine solche Strafbarkeit eher unwahrscheinlich. Verweigert der Arzt also einem Nicht-3G-Patienten, der mit leichten Beschwerden oder mit vereinbarten Termin zur Kontrolluntersuchung zu ihm kommt, wegen Nichteinhaltung der 3G-Regel die Behandlung, so macht er sich in der Regel nicht strafbar.  

Was ist der sicherste Weg für den niedergelassenen Arzt?

Dem Arzt ist aber nicht damit geholfen, wenn er eine rechtliche Position einnimmt, die ihm fortwährend Probleme mit seinen Patienten, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer oder gar der Staatsanwaltschaft einbringt. Daher ist es für den Arzt der sicherste Weg, wenn er Nicht-3G-Patienten (die weder Notfälle noch Schmerzpatienten oder Akutfälle sind) die Behandlung grundsätzlich erlaubt, dies aber nur mit folgenden Einschränkungen: der Arzt erklärt dem Nicht-3G-Patienten, dass er nur zu einem bestimmten Behandlungstermin behandelt werden kann. Dieser Termin kann auf einen bestimmten Tag der Woche und in ein bestimmtes Zeitfenster verlegt werden. Der Arzt kann in diesem Zeitfenster dann alle Nicht-3G-Patienten gesammelt und unter besonderen Schutzvorkehrungen behandeln - diese Lösung unterstützt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Damit schützt er auch die anderen Patienten vor einer Ansteckung. Geht der Arzt so vor, kann ihm in keinem Fall eine Behandlungsverweigerung vorgeworfen werden. Denn der Patient - der weder Notfallpatient noch Schmerzpatient oder Akutpatient ist - hat keinen Anspruch auf sofortige Behandlung. Es steht dem Arzt meiner Ansicht nach auch frei, einen solchen Termin nur alle 14 Tage in einem bestimmten Zeitfenster anzubieten. Den Patienten steht es dann wiederum frei, den angebotenen, noch in der Ferne liegenden Termin abzulehnen, und einen anderen Arzt aufzusuchen, der nicht auf die Einhaltung der 3G-Regel besteht.

Nach den Erfahrungen niedergelassener Ärzte nehmen insbesondere hartnäckige Impfverweigerer und Coronaleugner bereits jede Kritik an ihrem fehlenden Willen zur Einhaltung der sinnvollen 3G-Regel zum Anlaß, auf eine weitere Behandlung durch den betreffenden Arzt zu verzichten. Die Ankündigung eines Sondertermins für Nicht-3G-Patienten bringt diese Patienten regelmäßig dazu, einen anderen Arzt aufzusuchen, der ihrer eigenen Einstellung zur Corona-Pandemie näher steht. Der Arzt sollte dann freundlich bleiben, den Weggang des Patienten angemessen bedauern und ihm alles Gute wünschen. Schließlich ist es dann noch wichtig, dass der Arzt das konkrete Terminsangebot und das Abschlagen dieses Terminsangebots durch den Patienten in der Behandlungsakte dokumentiert. So sichert er sich berufsrechtlich, vertragsarztrechtlich, strafrechtlich und haftungsrechtlich ab.

Zusammenfassung:

Der Arzt darf Nicht-3G-Patienten Patienten die unmittelbare Behandlung in der Arztpraxis verweigern.

Der Arzt hat diesen Patienten aber einen spezifischen Behandlungstermin anzubieten.

Dies ist gut zu dokumentieren.

Cave: Folgende Patienten sind in jedem Fall zu behandeln, egal ob sie die 3G-Regeln erfüllen oder nicht:

  • Notfallpatienten
  • Schmerzpatienten
  • Patienten mit Erkrankung, die sich plötzlich erheblich verschlimmert hat (sog. Akutfall)

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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