Datenschutz der Akten(30.6.2021) Die ärztliche Berufspflicht zur zeitnahen Ausstellung medizinischer Zeugnisse (vgl. § 25 Satz 2 MBO-Ä), wird nicht verletzt, wenn ein Arzt einer Aufforderung eines Sozialgerichts, einen ärztlichen Befundbericht bezüglich eines bestimmten Patienten zu erstellen, nicht nachkommt (Verwaltungsgericht Berlin - Berufsgericht für Heilberufe -, Urteil vom 4.6.2021 – 90 K 2.19 T).

Der Fall: 

Dem in Berlin niedergelassenen Facharzt für Orthopädie wurde folgendes vorgeworfen:

Er sei von dem Sozialgericht Berlin in vier verschiedenen Gerichtsverfahren zur Abgabe eines ärztlichen Befundberichts über die Behandlung seiner dort prozessbeteiligten Patienten aufgefordert worden. Er sei durch das Gericht in allen vier Fällen mehrmals erfolglos an die Abgabe des Befundberichts erinnert worden. In drei Fällen sei er zudem den Ladungen des Gerichts als sachverständiger Zeuge unentschuldigt ferngeblieben. Der Arzt habe in keiner dieser Angelegenheiten das von ihm geforderte ärztliche Zeugnis gegenüber dem Sozialgericht Berlin abgegeben. Auch habe er einen vom Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg angeforderten Befundbericht nicht erstellt.

Die Ärztekammer Berlin beantragte u.a., deswegen gegen den Arzt ein Bußgeld zu verhängen. 

Die Entscheidung:

Das VG Berlin wies diesen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße zurück. 

Denn die Nichterteilung der Befundberichte stelle keine Berufspflichtverletzung dar.

Nach § 25 S. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin sind Gutachten und Zeugnisse, zu deren Ausstellung Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind oder die auszustellen sie übernommen haben, innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben. Diese Pflicht hat der Beschuldigte nicht verletzt. Die vorgenannte Regelung setzt eine Rechtspflicht oder eine (vertragliche) Übernahme voraus, Gutachten oder Zeugnisse auszustellen, die bezogen auf die genannten Befundberichte aber nicht bestand.

Eine Rechtspflicht, Befundberichte auszustellen, lässt sich den maßgeblichen prozessualen Regelungen im Sozialgerichstgesetz und in der Zivilprozeßordnung  nicht entnehmen. Der Arzt sei letztlich Zeuge in diesen Verfahren. Zwar könne das Gericht von Zeugen auch eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anfordern und kann den Zeugen darauf hinweisen, dass er zu einer Vernehmung geladen werden kann. Daraus ergebe sich, dass eine Rechtspflicht zur Abgabe eines Befundberichts nicht bestehe. sS gebe, wie sich auch aus der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg zeige, keine mit Zwangsmitteln durchsetzbare Rechtspflicht zur Vorlage eines ärztlichen Befundberichts. Schließlich sei auch die ärztliche Schweigepflicht zu Gunsten des Arztes zu berücksichtigen. Eine Pflicht zur Erstellung von Befundberichten folge auch nicht aus den Behandlungsverträgen mit den Patienten.

Im Ergebnis gelte dasselbe auch  für den vom Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg angeforderten Befundbericht. Auch diese Nichtabgabe stelle keine Berufspflichtverletzung dar. 

Praxisanmerkung:

Einer Zeugenladung kann sich ein Arzt schwerlich entziehen. Als geladener Zeuge muss er vor Gericht erscheinen. Der Aufforderung, Befundberichte an Gerichte oder Behörden zu senden, muss und darf der Arzt aber nicht entsprechen. Zuallererst müßte dem Arzt eine Einverständniserklärung des betreffenden Patienten vorgelegt werden, bevor er überhaupt irgendetwas aus dem vertraulichen Arzt-Patienten-Verhältnis Dritten gegenüber offenbaren darf. Andernfalls machte er sich wegen Geheimnisverrats starfbar. Insofern hat sich der Arzt hier letztlich korrekt verhalten. 

Wenn Sie als Arzt von einem Gericht oder einer öffentlichen Behörde aufgefordert werden, patientenbezogene Informationen zuzusenden, sprechen Sie in jedem Fall mit dem Anwalt Ihres Vertrauens, bevor Sie solche Informationen oder Unterlagen, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, an Dritte herausgeben.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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