während der Operation durch den Oberarzt - der Chefarzt war nicht da(28.5.2021) Erscheint der Chefarzt nicht zur ausdrücklich vereinbarten Chefarzt-Operation und wird der Patient auch nicht vom Vertreter des Chefarztes behandelt, sondern von einem ganz anderen Arzt, so ist die Behandlung rechtswidrig und der Patient hat einen Schmerzensgeldanspruch, weil der Patient nur vom Chefarzt behandelt werden wollte und durfte (Landgericht Essen, Urteil vom 6.11.2020, AZ: 16 O 229/19).

Der Fall:

Ein an Krebs erkrankter Patient bedurfte einer komplexen und lebensnotwendigen Leberoperation, für die er sich eine Zweitmeinung bei einem Professor eines Universitätsklinikums einholte. Dieser Professor empfahl dem Patienten, die Operation in der Universitätsklinik, sprich in seinem Hause durchführen zu lassen, da dieses Haus dafür spezialisiert sei. Am vorgeschlagenen Operationstag sei der Professor zwar im Urlaub, allerdings werde der Chefarzt die Operation persönlich ausführen. Dieser sei ebenso erfahren wie er selbst und er werde den Chefarzt auch persönlich in den Fall einweisen. Dies überzzeugte den Patienten, der sich daraufhin für die Behandlung durch den Chefarzt entschied.

In der dann abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung waren als Vertreter des Professors der Chefarzt und ein weiterer Professor genannt.

Operiert wurde der Patient aber schließlich von einem Oberarzt, der die Operation zudem abbrach.

Nachdem der Patient erfuhr, dass er weder von dem Chefarzt noch von dem anderen Professor operiert worden war, verlangte er für die fehlgeschlagene Operation Schmerzensgeld. denn in die Behandlung durch den Oberarzt habe er nicht eingewilligt. Eingewilligt habe er nur in die Operation durch den Chefarzt oder den anderen Professor.

Die Entscheidung:

Das Landgericht gab der Arzthaftungsklage des Patienten weitgehend statt und verurteilte die Klinik u.a., ein Schmerzensgeld von 7.000 € an den Patienten zu zahlen.

Denn die der Patient habe tatsächlich nur in die OP durch einen bestimmte Arzt eingewilligt. Damit sei die Operation durch den Oberarzt mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig gewesen.

Man könne auch hier nicht, wie die Klinik argumentiert hatte, die Einwilligung in die Chefarztbehandlung umdeuten in eine allgemeine Einwilligung in die Behandlung durch andere Klinikärzte. Denn dem Patienten ging es erkennbar um die Behandlung durch einen ganz bestimmten Arzt.

Auch die Vertreterklausel helfe der Klinik nicht weiter. Diese Klausel, wonach sich der Patient bereit erklärte, sich bei unvohergesehener Verhinderung des Chefarztes auch von einem anderen Arzt opereiren zu lassen, widerspreche sich mit der individuellen Abrede, die der Patient und der Professoer geschlossen haben - nämlich dass die Behandlung nur durch den spezialisierten und erfahrenen Chefarzt durchgeführt werde. Wegen dieses Widerspruches sei die Vertreterklausel null und nichtig.

Die Klinik berief sich auch darauf, der Chefarzt sei unvorhergesehen verhindert gewesen. Dies ließ das Landgericht nicht gelten. Denn es sei nicht glaubhaft, dass der Chefarzt davon ausgegangen sei, es noch rechtzeitig zur Operation des Klägers zu schaffen.

Praxisanmerkung:

Die Klinik muss sich hier tatsächlich die Frage gefallen lassen, warum die Operation nicht einfach verschoben wurde. Man kann hier den Eindruck gewinnen, dass von Anfang an geplant war, die Operation nicht durch den Chefarzt durchführen zu lassen.

Aus Sicht der Kliniken und Chefärzte gilt:

Sie sollten besondere Aufmerksamkeit auf die Terminplanung der Operationen legen. Sollen Wahlleistungspatienten an Tagen operiert werden, an denen der liquidationsberechtigte Arzt (Chefarzt) nicht anwesend ist, sollten die Patienten entsprechend aufgeklärt werden. Es empfiehlt sich, eine Vertretervereinbarung aufzunehmen. 

Dabei sind den Patienten drei Möglichkeiten vorzuschlagen:

  1. die Verschiebung des Operationstermins auf einen Tag, an dem der Wahlarzt anwesend ist
  2. die Durchführung der Operation durch den ausdrücklich in der Wahlleistungsvereinbarung benannten Vertreter des Wahlarztes 
  3. die Durchführung der Operation durch einen qualifizierten Facharzt des Krankenhauses, dann allerdings ohne gesonderte Berechnung von Wahlleistungen

Im vorliegenden Fall war wohl der Inhalt des Gespräches zwischen dem Patienten und dem Professor, (in dem ihm dieser zusicherte, dass die lebensnotwendige Operation vom Chefarzt persönlich durchgeführt werden sollte) unstreitig. In der Praxis ist es nämlich häufig anders: der Patient kann nicht beweisen, dass ihm eine Chefarztbehandlung durch einen genaz bestimmten Chefarzt ausdrücklich zugesichert wurde und muss dann die gesonderten Gebühren für die Chefarztbehandlung (die er gar nicht erhalten hat), gleichwohl bezahlen. Es empfiehlt sich daher für Patienten, eine solche Zusicherung immer auf der Wahlleistungsvereinbarung handschriftlich zu vermerken, um diese später auch beweisen zu können.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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