Chefarzt und Oberarzt diskutieren (30.3.2021) Wie der Hintergrunddienst eines Klinikarztes zu vergüten ist, hängt davon ab, ob es sich um Bereitschaftsdienst (höher zu vergüten) oder Rufbereitschaft (geringer zu vergüten) handelt. Entscheidend ist dabei der Umfang der vom Arbeitgeber angeordneten Aufenthaltsbeschränkung des Arztes (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.3.2021 - 6 AZR 264/20). 

Maßgeblich ist also, was der Arbeitgeber (Klinik) genau von dem Angestellten (Arzt) verlangt: Verlangt die Klinik von dem Arzt, einen dienstlichen Telefonanruf anzunehmen und damit die Arbeit unverzüglich aufzunehmen (ohne eine konkrete zeitliche Vorgabe, ab wann der Arzt die Arbeit aufnehmen muss), so ist damit keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verbunden und es liegt nur eine Rufbereitschaft vor. 

Verlangt die Klinik dagegen von dem Arzt, dass dieser in einem bestimmten Zeitraum den Dienst beginnen muss, nachdem er gerufen wurde, so ist damit notwendigerweise eine räumliche Begrenzung des Arztes verbunden. Der Arzt kann sich dann nicht wie in seiner Freizeit bewegen, sondern muss sich in der Klinik selbst oder in einem bestimmten Umkreis um die Klinik aufhalten. Dann liegt ein höher zu vergütender Bereitschaftsdienst vor. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Tarifvertrag.

Der angestellte Arzt muss also zwei Dinge besonders beachten:

  1. Entscheidend ist, was die Klinik von dem Arzt konkret verlangt. Verlangt die Klinik, dass der Arzt innerhalb eines bestimmten Zeitraumes dienstbereit zur Verfügung steht, so liegt der höher zu vergütende (oder in Freizeit auszugleichende) Bereitschaftsdienst vor. Was der Arzt zu tun hat, geben die Dienstpläne im Einzelnen vor.  
  2. Wichtig ist auch die Dokumentation der Zahl geleisteten Dienste, seien es nun Bereitschaftsdienste oder nur Rufbereitschaften. Früher musste sich der Arzt die Zeiten selbst auf Stundenzetteln oder in einem Stundenheft notieren.Heute ist die Zeiterfassung in der Regel elektronisch geregelt und es kommt dabei zu keinen Problemen. Dagegen bleibt die Dokumenation von geleisteten Stunden wichtig bei der Erfassung von Überstunden. Bei diesen ist es sinnvoll (wenn auch im Einzelfall nicht immer einfach), sich die Stundenzahl vom Vorgesetzten (Oberarzt oder Chefarzt) abzeichen zu lassen. Zwar hat der angestellte Arzt laut § 10 Absatz 2 des Tarifvertrags ein Einsichtsrecht in die Zeiterfassung der Klinik. Dieses Recht läuft aber leer, wenn die Klinik die geleisteten Zeiten nicht oder nur lückenhaft erfasst, was häufig berichtet wird.  Es kommt immer weider vor, dass Vorgesetzte von dem angestellten Arzt verlangen, Überstunden nicht aufzuschreiben. Dabei wird manchmal angedeutet, dass man dies in diesem Haus "so nicht mache" oder dass ein Aufschreiben die Chancen auf ein berufliches Fortkommen in der Klinik verschlechtere. Wer also Konflikte vermeiden will, kann sich durchaus dafür entscheiden, diese Dienste nicht aufzuschreiben und somit nicht ausgeglichen zu erhalten. Allerdings ist dies nach meiner Erfahrung keine gute Grundlage für eine längere Zusammenarbeit. Die Arbeitsmarktlage ist derzeit auch so günstig für Ärzte, dass sie eine solche Geschäftspolitik nicht akzeptieren müssen und stattdessen eine andere, gerechter vergütete Arbeiststelle finden können.

Im vorliegenden Fall ging es um die weiteren Lohnansprüche eines angestellten Oberarztes, der für seine Hintergrunddienste ein weiteres Gehalt von rund 40.000 EUR forderte. Das Bundesarbeitsgericht kam zwar zu dem Ergebnis, dass die Klimik die vom Kläger geleisteten Hintergrunddienste nicht hätte anordnen dürfen. Denn § 7 Abs. 6 Satz 2 TV-Ärzte/TdL untersag dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß statt bloßer Rufbereitschaft der Arzt regelmäßig arbeiten muss, also nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Hier lag der Fall aber so, dass in rund der Hälfte der Hintergrunddienste des Oberarztes auch tatsächlich der Oberarzt auf der Station Patienten behandeln musste. Gleichwohl führe dies, so das BAG, nicht zu der vom Oberarzt begehrten höheren Vergütung. Denn ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil sei nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent, so das BAG. Die Tarifvertragsparteien hätten damit bewusst für den Fall einer tarifwidrigen Anordnung von Rufbereitschaft keinen höheren Vergütungsanspruch vorgesehen. Das BAG hob daher das Urteil des Landesarbeistgerichts köln auf, das dem Oberarzt eine höhere Vergütung zugesprochen hatte.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Tarifvertrag dem Arzt bei einer tariifwidrigen Anordnung der Rufbereitschaft keinen Gehaltsausgleich zuspricht. Angestellte Oberärzte können sich gegen dieses für sie unangenehme Ergebnis schützen, indem sie einen außertariflichen Dienstvertrag abschließen. In diesem können die Hintergrunddienste, Rufbereitschaften, Bereitschaftsdiesnte und deren Entlohnung und Erfassung individuell ausgehandelt werden. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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