Augenbehandlung mit nicht zugelassenem Mittel Trabant Z(14.1.2021) Ein ansonsten austherapierter Patient, dem wegen Glaukom eine Erblindung droht, hat Anspruch auf Versorgung mit einem nicht in Deutschland zugelassenen Arzneimittel (hier: Travatan Z) (Sozialgericht Leipzig, Urteil vom 13. Oktober 2020 – S 8 KR 188/18).

Der Fall:

Der 1955 geborene Kläger leidet seit Jahren unter erheblichen Augenleiden (beidseitigem Glaukom mit Gesichtsfeldausfällen sowie degenerativer Myopie und einer myopen Makulapathie).

Zuletzt unterzog er sich einer Therapie mit "Travatan Z", einem in Deutschland nicht zugelassenem augeninnendrucksenkenden Prostaglandin. 2017 beantragte die behandelnde Augenärztin die weitere Kostenübernahme für "Travatan Z". Sie therapiere zugleich mit "Cosopt S" und "Clonid opthal" Augentropfen, alle handelsüblichen in Deutschland zugelassenen konservierungsmittelfreien Prostaglandinanaloga seien unverträglich bzw. unwirksam, weshalb sie Travatan Z einsetzte.

Die beklagte gesetzliche Krankenversicherung des Klägers lehnte eine Verlängerung der Kostenübernahme für Travatan Z ab, denn es gäbe in Deutschland ein weiteres Prostaglandinanalogon (Tafloprost, Handelsname "Taflotan sine"). Dieses sei wirtschaftlicher als Travatan Z. Außerdem sei das Präparat "Travatan Z" hier nicht zugelassen und überdies nicht konservierungsmittelfrei, weil es Borsäure enthalte.

Dem widersprach der Kläger: Nur das Import-Arzneimittel "Travatan Z", unter Mitgabe von "Cosopt S" und "Clonid opthal", führe zu konstantem Augendruck. Verschiedene Kombinationen von Augentropfen habe er getestet, die jedoch alle unwirksam oder unverträglich seien. Durch hohen Augeninnendruck während dieser "Experimentierphase" habe er jedoch weiteres Augenlicht verloren, darüber hinaus sei es zu Gesichtsfeldeinschränkungen und Eintrübungen sowie weiteren Wechsel- und Nebenwirkungen gekommen. Die Universitätsklinik E. habe unter Berücksichtigung seines individuellen Falles die Augentropfen entsprechend abgestimmt, wie auch andere Universitätskliniken. Er benötige dieses Arzneimittel, weil ansonsten Erblindungsgefahr bestehe. Auch habe er 2009 erfolglos "Taflotan sine" angewandt.

Der MDK führte in einem Gutachten für die Krankenkasse aus, "Travatan Z" sei ein Import- Arzneimittel mit dem Wirkstoff Tafloprost. Nach bundessozialgerichtlicher Rechtsprechung könne aber nur bei Vorliegen seltener, singulärer und unerforschbarer Erkrankungen bzw. einer drohenden Erblindung eine Kostenübernahme empfohlen werden; hier gäbe es jedoch konservierungsmittelfreie Therapie- Alternativen mit dem Wirkstoff Tafloprost in Gestalt von "Taflotan sine". Auch könne der Kläger noch "Lumican" einnehmen.

Die Krankenkasse lehnte schließlich die Kostenübernahme für die Versorgung mit Travatan Z ab. Dagegen klagte der Patient.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht Dresden gab der Klage auf Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme der Behandlungskosten für Travatan Z statt und hob den ablehnenden Bescheid der Krankenkasse auf.

Für das in den USA zugelassene Mittel Travatan Z als nicht zugelassenes Import-Fertigarzneimittel bestehe ausnahmsweise ein Versorgungsanspruch, weil hier eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung vorliege, für die eine anerkannte, medizinischem Standard entsprechende, Behandlung nicht zur Verfügung stehe und mit weil durch Travatan Z eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf möglich erscheine.

Diese Voraussetzungen für einen off-label-use hat das Sozialgericht Dresden hier nach Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigfen bejaht:

Praxisanmerkung:

Wichtig ist in solchen Fällen eines off-label-Einsatzes, dass der Augenarzt den bisherigen Verlauf der Erkrankung genau dokumentiert und insbesondere die bisherige (allgemein anerkannte) Behandlung des Patienten erfasst sowie - ganz wichtig - deren Erfolglosigkeit oder Kontraindikation (z.B. wenn der Patient ein zugelassenes Arzneimittel nicht vertragen hat) in den Behandlungsunterlagen erläutert.