Nichtabrechnung kostet Arzt die Zulassung(12.12.2020) Rechnet ein Vertragsarzt (hier: Facharzt für Innere Medizin) über mehrere Jahre hinweg hunderte von behandelten Kassenpatienten nicht gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ab, so stellt dies eine grobe Pflichtverletzung dar, so dass dem Kassenarzt die Zulassung entzogen werden darf. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt wegen EDV-Problemen nicht abrechnete und wenn der Arzt sich in dem fraglichen Zeitraum um seinen erkrankten Bruder kümmern musste. Denn wer Leistungen nicht abrechnet, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den übrigen Vertragsärzten und verfälscht die statistischen Daten, an denen die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeitsweise und der Umfang und Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung insgesamt gemessen wird (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. September 2020 – L 11 KA 32/19).  

Der Fall:

Ein seit 1987 zugelassener Facharzt für Innere Medizin behandelte von 2010 bis 2014 zwar rund 400 - 500 Patienten je Quartal, rechnete diese Leistungen aber nicht gegenüber der KV ab. Als Grund gab er an, er habe sich um seinen erkrankten Bruder kümmern müssen und Schweirigkeiten mit der Abrechnungs-EDV gehabt. Auch im Verlauf des Gerichtsverfahrens legte er keine Abrechnung nach geschweige denn Unterlagen zu den von ihm behaupteten Behandlungen.

Der zuständige Zulassungsausschoss entzog ihm daher die Zulassung.

Die Klage des Arztes gegen die Zulassung wurde vom Sozialgericht als unbegründet abgewiesen.

Dagegen ging der Internist in Berufung.

Die Entscheidung:

Das LSG wies die Berufung des Arztes gegen die Entziehung der Zualssung als unbegründet zurück.

Der Arzt habe durch die Nichtabrechnung eine gröbliche Pflichtverletzung begangen. 

Nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V i.V.m. § 27 Satz 1 Ärzte-ZV sei die Zulassung zu entziehen, u.a. wenn der Arzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletze. 

Zu den Pflichten eines Vertragsarztes gehöre es, die von ihm erbrachten Leistungen offenzulegen und bei der KV ordnungsgemäß abzurechnen. Die sog. peinlich genaue Abrechnung gehört zu den Grundpflichten eines Vertragsarztes und zum Kernbereich der vertragsärztlichen Tätigkeit. Gegen diese Verpflichtung habe der Kläger - unstreitig - verstoßen, als er ab 2010 fortlaufend bis zur Entscheidung des Beklagten keine Abrechnungen gegenüber der Beigeladenen zu 5) fertigte. Gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoße nämlich nicht nur derjenige, welcher nicht erbrachte Leistungen zu Unrecht abrechnet, sondern auch derjenige, der tatsächlich erbrachte Leistungen und Leistungsfälle nicht oder nicht vollständig abrechnet.

Denn ohne diese Abrecchungen könnten bei dem Kläger die in § 106 SGB V (bzw. § 106a SGB V) normierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht stattfinden.

Ferner würden durch ein solches Verhalten sämtliche Statistiken zu Fallzahlen, Einkommen und zur Versorgungssituation der Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung verfälscht. Ferner kann auch eine ausreichende Bedarfsplanung nicht durchgeführt werden, wenn einige Vertragsärzte nicht ordnungsgemäß abrechnen.

Das Fehlverhalten des Arztes sei vor diesem Hintergrund auch keineswegs quantitativ unerheblich. Er habe in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, ab 2010 etwa 400 bis 500 gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten pro Quartal behandelt zu haben, deren gesamte Leistungsdaten er mithin der KV und den KK‘en vorenthalten habe.

Die Einwände des Arztes (EDV-Probleme, Pflege des erkrankten Bruders) seien unerheblich. Die persönlichen Lebensumstände des Arztes seien für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entziehung der Zulassung vorliegen, ohne Bedeutung. Soweit sich der Arzt bei der Abrechnung personeller und/oder technischer Hilfe (z..B durch EDV-Systeme) bediene, entlaste ihn dies nicht von seiner Verantwortung zur Abrechnung.

Praxisanmerkung:

Es kommt nicht darauf an, dass ein Arzt, der nicht abrechnet, der KV Kosten erspart. Das Recht, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln (und abzurechnen), beinhaltet zugleich die Pflicht, sie zu behandeln und abzurechnen

Zwar führen in der Praxis in der Regel nur Falschabrechnungen (Abrechnen von Luftleistungen, falsche Bezifferung, falsche Mengen) zu Zulassungsentziehungen,. Wie der vorliegende Fall zeigt, ist aber auch dann die Zulassung gefährdet, wenn der Arzt entweder nicht ärztlich tätig ist (er also seine Zulassung nicht bespielt), oder aber er zwar korrekt Patienten behandelt, diese Leistungen aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht gegenüber der KV abrechnet.   

Die Einlassung des Arztes, er habe Patienten behandelt, diese aber nicht abrechnen können, ist auch nicht sehr glaubwürdig. Es erscheint wahrscheinlicher, dass er gar keine Patienten behandelte, er dies aber nicht zugeben wollte, da auch dies eine Entziehung der Zulassung gerechtfertigt hätte. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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