Abrechnung von Behandlungen des Arztes(27.10.2020) Zur Abrechenbarkeit einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (OPS 8-550) durch ein Krankenhaus gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse ist es nicht erforderlich, dass über das Gesamtjahr im betreffenden Krankenhaus jederzeit eine adäquate Vertretungsmöglichkeit für die ärztliche Behandlungsleistung und die qualifizierte Pflegekraft vorgehalten werden muss. Ausreichend ist, wenn die für die Abrechnung erforderlichen Strukturmerkmale in Bezug auf die Qualifikation von Arzt und Pflegekraft grundsätzlich gegeben sind und eine Versorgung im individuellen Einzelfall jeweils gewährleistet ist. Die Krankenkasse muss die Prüfung der Rechtmäßigkeit der OPS innerhalb von 11 Monaten abschließen, ansonsten verliert sie eventuelle Rückforderungsansprüche (Sozialgericht Aachen, Urteil vom 7.7.2020 – S 14 KR 560/19).

Der Fall:

Ein Patient und Versicherter der klagenden Krankenkasse wurde im Krankenhaus der Beklagten geriatrisch behandelt. Das beklagte Krankenhaus hatte für die ärztliche Behandlungsleistung zwei Kooperationsverträge mit externen Ärzten abgeschlossen. Die Beklagte rechnete die Behandlung unter Einbeziehung des OPS 8-550 ab.

Die Klägerin zahlte die Rechnung, machte aber später eine Rückforderung geltend. Denn zum einen habe der MDK festgestellt, dass die Beklagte die Strukturmerkmale des OPS 8-550 nicht erfülle: die strukturellen Voraussetzungen zur Abrechnung seien von der Beklagten formal nicht erfüllt worden, weil die Erfordernisse einer fachärztlichen Behandlungsleitung und einer qualifizierten Pflegekraft infolge unzureichender Vertretungsvorkehrungen in Abrede zu stellen seien. Die vorhandenen Kooperationsverträge der Beklagten mit anderen Leistungserbringern stelle eine jederzeitige Verfügbarkeit entsprechenden Fachpersonals nicht ausreichend sicher.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht wies die Klage der Krankenversicherung als unbegründet ab.

1. Die strukturbezogene Rückforderung sei unbegründet, soi das Gericht. Das geforderte Team sei vorhanden, so das Gericht, ebenso alle vier Therapiebereiche. Die fachärztliche Behandlungsleitung sei gegeben, und es gebe auch eine ausreichend qualifizierte Pflegefachkraft.

Die Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher, besonders qualifizierter Behandlungsleitung bzw. die aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal mit mindestens einer Pflegefachkraft im geriatrischen Team mit näher bezeichneter Zusatzqualifikation (OPS 8-​550) erfordert aus Sicht des Gerichts nicht, dass eine jederzeitige Vertretungsmöglichkeit der entsprechenden Teammitglieder sichergestellt sein muss. Das Erfordernis der Gewährleistung einer jederzeitigen Vertretungsmöglichkeit der ärztlichen Behandlungsleistung und der i. S. d. OPS (Spiegelstrich 5, S. 2) qualifizierten Pflegefachkraft zur Kodierung des OPS 8-550 vermag das Gericht dem Wortlaut der OPS aber nicht zu entnehmen. Ob ein Teammitglied die wöchentlichen Temabesprechungen versäumt habe, könne nicht abstrakt beurteilt werden und müsse vielmehr einzelfallbezogen geprüft werden. Die OPS 8-550 fordere auch nicht (anders als z.B. die OPS 8-​980) eine "ständige ärztliche Anwesenheit".

2. Einzelfallbezogene Rückforderungen der Kasse scheiterten aus Sicht des Gerichts an der Versäumung der elfmonatigen Ausschlußfrist nach § 8 S. 3, 4 PüfvV 2016.

Praxisanmerkung:

In den letzten Jahren kommt es vermehrt zu solchen und ähnlichen Rückforderungen der Krankenkassen. Im Einzelfall ist es für das Krankenhaus aber schwer festzustellen, ob Einwände, die von der Krankenversicherung gegen die Abrechnung gegen Komplexbehandlungsziffern erhoben werden, berechtigt sind. Denn wie die Entscheidung zeigt, ist die Auslegung der Ziffern schwierig und es ist unklar, ob die dort genannten Voraussetzungen immer (strukturell) oder im Einzelfall (fallbezogen) vorliegen müssen.

Daher sollten die Krankenhäuser es vermeiden, Rückforderungen der Kassen vorschnell und ohne vorherige juristische Prüfung im Einzelfall anzuerkennen. Vielmehr sollten sie im Detail prüfen, ob es sich bei den in den OPS genannten Merkmale um abstrakte Strukturmerkmale handelt oder stattdessen um im Einzelfall zu erfüllende Anforderungen.

Auch sollten die Krankenhäuser auf die elfmonatige Ausschlußfrist achten: Die Krankenkasse muss nach einer MDK-Prüfung ihre abschließende Entscheidung und die Gründe, warum die Leistung nicht in vollem Umfang wirtschaftlich oder korrekt gewesen sein soll, innerhalb von elf Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige darlegen, danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen. Zugleich sollten die Krankenhäuser beachten, dass sie dabei selbst von Ausschlußfristen bedroht sind: So sind sie z.B. verpflichtet, von der Kasse im Rahmen einer Unterlagenanforderung erbetene Unterlagen binnen 4 Wochen an den MDK zu übermitteln.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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