(12.7.2020) Wer eine Heilbehandlung oder eine invasive kosmetische Behandlung durchführt, ohne eine ärztliche Approbation zu haben, handelt grob fehlerhaft. Der Patient hat dann einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen den Behandler. Der Patient muss dann auch nicht beweisen, dass er falsch behandelt wurde. Ebenso haftet auch ein Arzt, der eine solche Behandlung erkennt, aber nicht verhindert (OLG Köln, Urteil vom 13.05.2020 - 5 U 126/18).

kosmetische Operation von Fettschürzen am Oberschenkel - da darf nur ein Arzt ranDer Fall:

Der Beklagte zu 1) arbeitete als Angestellter in der Praxis von Dr. A. Die Approbation von Dr. A. war zu dieser Zeit ruhend gestellt wegen gesundheitlicher Nichteignung. In einem Schreiben an Dr. A. wies die Ärztekammer diesen darauf hin, dass der Beklagte zu 1) nicht über eine Approbation verfügte und daher nicht ärztlich tätig sein durfte.

Die Klägerin lernte den Beklagten zu 1) im Jahr 2010 in einem Imbisslokal kennen. Der Beklagte zu 1) empfahl ihr dort, sich wegen wegen Übergewicht von ihm behandeln zu lassen. Im Februar 2010 begab sich die Klägerin dazu in seine Wohnung, in der er ein Behandlungszimmer eingerichtet hatte. Auch Dr. A. war dort zeitweilig anwesend. Der Beklagte zu 1) gab der Klägerin auf der Innenseite des linken und des rechten Knies jeweils eine „Fett-weg-Spritze“ mit einem ihr unbekannten Inhalt. Die Vergütung zahlte sie dem Beklagten zu 1) in bar. An beiden Knien bildete sich eine großflächige Hautinfektion. Der Beklagte zu 1) behandelte diese Infektionen in der Praxis von Dr. A, teils mit diesem zusammen.

Die Klägerin hat durch diese Behandlung Geschwüre an beiden Knien. Die Wunden heilten schlecht ab. 

Mit ihrer am 29.12.2014 eingegangenen Klage hat die Klägerin den Beklagten zu 1) und Dr. A auf ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 € und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage sei unbegründet, weil verjährt. Die Verjährung habe mit dem Ablauf des Jahres 2010 begonnen und sei mit dem Schluss des Jahres 2013 abgelaufen gewesen. Nach dem von ihr dargelegten Sachverhalt hätte die Klägerin jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis davon erlangen müssen, dass es sich bei dem Beklagten zu 1) nicht um einen Arzt gehandelt habe. Ärzte sprächen nicht in einem Imbisslokal werbend zukünftige Patientinnen an. Sie praktizierten nicht in Privatwohnungen.

Die Klägerin ging in Berufung.

Die Entscheidung:

Das OLG gab der Klage in weiten Teilen statt. 

Die Beklagten schulden der Klägerin als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld von 15.000 € und den Ersatz sämtlicher materiellen und weiteren immateriellen Schäden, so das OLG.

Dazu traf das OLG folgende Feststellungen:

Der Beklagte zu 1) hat einen groben Behandlungsfehler begangen. Wer ohne ärztliche Approbation eine Heilbehandlung vornimmt, handelt grob fehlerhaft. Anders als in Prozessen gegen approbierte Ärzte setzt die Annahme eines groben Behandlungsfehlers bei einer Behandlung durch Nicht-​Ärzte keine sachverständige Bewertung des Haftungsfalls voraus.

Eine Heilbehandlung oder eine invasive kosmetische Behandlung ohne ärztliche Approbation stellen sich per se als grob fehlerhaft dar. Eine derartige Vorgehensweise ist unverständlich. Das Wissen und die berufliche Erfahrung, die das Gesetz zum Schutz der Patienten voraussetzt, sind bei einer solchen Sachlage nicht nachgewiesen und gewährleistet. Einer sachverständigen Bewertung dieser Frage bedarf es, anders als in Prozessen gegen einen approbierten Arzt, bei denen es auf bestimmte Abweichungen vom Standard und die in diesem Zusammenhang für eine Beurteilung erforderliche Fachkunde ankommt, nicht. Die besondere Schwere der Pflichtverletzung knüpft vielmehr an einem Sachverhalt an, den ein Richter ohne besondere Sachkunde feststellen und würdigen kann. Ohne dass es entscheidungserheblich wäre, ergibt sich aus dem im Strafverfahren erstatteten Gutachten von Dr. J zudem, dass gerade eine Injektionslipolyse, wie sie der Beklagte zu 1) vorgenommen hat, eine ausreichende Erfahrung des Behandlers mit dem angewandten Mittel und in der Injektionstechnik voraussetzt.

Wer nicht als Arzt approbiert ist, darf auch nicht unter ärztlicher Aufsicht eine medizinische Behandlung durchführen, die einem Arzt vorbehalten ist.

Die Gabe der beiden Spritzen durch einen Nicht-Arzt war rechts- und pflichtwidrig und stellte einen groben Behandlungsfehler dar.

Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht festzustellen.

Die Verjährung bei einer deliktischen Schädigung durch einen Nicht-​Arzt beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Patientin Kenntnis von der fehlenden Approbation erlangt. Kenntnis von der fehlenden Approbation des Beklagten zu 1) hat die Klägerin nach ihrem Vortrag durch einen Zeitungsartikel vom 3.5.2011 und ihre polizeiliche Vernehmung vom 26.5.2011 erlangt.

Auch Dr. A. muss haften: Der Klägerin steht gegen Dr. A gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen einer unterlassenen Warnung Dr. A vor der kosmetischen Behandlung ein Schmerzensgeldanspruch von 15.000 € und ein Anspruch auf Ersatz weiterer Schäden von geschätzt 5.000 € zu. Dr. A. hätte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass der Beklagte zu 1) kein Arzt ist. 

Wegen der rechtswidrigen Beschäftigung des Beklagten zu 1) als Nichtarzt, des hierdurch geschaffenen Anscheins der Arzteigenschaft und der hierdurch begründeten Gefahren für Dritte war Dr. A, als er die Klägerin im Behandlungszimmer in der privaten Wohnung des Beklagte zu 1) sah und damit um eine Behandlungsabsicht wusste, verpflichtet, die Klägerin zu warnen und eine Behandlung im Rahmen des Möglichen zu verhindern.

Praxisanmerkung:

In der Praxis kommt es häufiger vor, dass Ärzte, deren Approbation ruhend gestellt ist oder denen die Approbation entzogen wurde, auf die eine oder andere Weise versuchen, weiterhin mit ärztlicher Tätigkeit Geld zu verdienen. Auch Ärzte, deren Praxis zum Beispiel wegen Verstoßes gegen Hygiene- oder Sicherheitsbestimmungen geschlossen wurden, versuchen die Behandlung in Praxen befreundeter Kollegen weiter zu führen. 

Ein Arzt, der ohne Approbation Patienten behandelt, macht sich dabei nicht nur strafbar und setzt sich zivilrechtlichen Haftungsansprüchen aus (die - wie das hiesige Urteil zeigt - in beweisrechtlicher und verjährungsrechtlicher Hinsicht privilegiert behandelt werden), sondern verliert auch seinen Haftpflichtversicherungsschutz und muss dann letztlich mit seinem Privatvermögen für die Arzthaftungsansprüche gerade stehen. 

Auch wer als Arzt einen Nicht-Arzt beschäftigt und diesen Patienten behandeln lässt, haftet in dieser Weise. 

Jeder Arzt ist gut beraten, nur Ärzte als vertreter zu beschäftigen. Zwar können Ärzte bestimmte medizinische Handgriffe von nichtärztlichem Praxispersonal ausführen lassen, die Gabe von Spritzen zur Fettbehandlung ist aber jedenfalls einem Arzt vorbehalten. Wer für solche invasiven und risikoreichen Behandlungen Nicht-Ärzte einsetzt oder eine solche Behandlung auch nur duldetduldet, riskiert also Kopf und Kragen. 

Für Patienten bedeutet diese Rechtsprechung eine Erleichterung der Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche. Arzthaftungsansprüche leiden an dem recht hohen Risiko eines Prozeßverlusts. Zumidest in solch eindeutig rechswidrigen Fällen wie dem vorgenannten springt die Rechtsprechung aber den Patienten zu Seite und verbessert ihre Erfolgsaussichten im Zivilprozeß deutlich. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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