Chefarzt im Gespräch mit Oberarzt

(30.4.2020) Überweist ein liquidationsberechtigter Chefarzt eine stationär aufgenommene Patientin zur weiteren Behandlung an eine externe radiologische Praxis, so ist dies von den gesetzlichen Vorgaben nach § 17 KHEntgG gedeckt und die Patientin ist verpflichtet, die als Wahlleistung "Chefarzt" abgerechneten Behandlungskosten der radiologischen Praxis an die Klinik zu bezahlen (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.9.2019 - 8 U 140/17). Dazu muss die Klinik aber einige Formalien erfüllen.

Der Fall:

Eine ältere Dame litt unter einem Hirntumor. Zur Behandlung dieser Erkrankung war sie in einer Klinik stationär aufgenommen worden. Mit der Klinik schloss sie eine Wahlleistungsvereinbarung für die Behandlung durch den Chefarzt der Klinik.

Nach dem Inhalt der Wahlleistungsvereinbarung wurde vereinbart die wahlärztliche Leistungen der an ihrer Behandlung beteiligten angestellten oder beamteten liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses. Ein Informationsblatt zu den Krankenhausentgelten (Patienteninformation Wahlleistungen) war beigefügt. In der Liste der Wahlärzte war auch der Chefarzt F benannt. Die Frau erklärte auch hre Einwilligung zur Abtretung und Weitergabe der zur Rechnungstellung und Forderungseinziehung notwendigen behandlungs- und personenbezogenen Daten.

Der liquidationsberechtigte Chefarzt F behandelte und untersuchte die Frau in der Klinik stationär. Er teilte ihr dann mit,  sie hätten jetzt noch die eine Möglichkeit, mit der Gamma-Nachbehandlung den Hirntumor zu behandeln. Damit war die Frau einverstanden.

Daraufhin übersandte der Chefarzt F die Frau zur Behandlung an eine radiologische Gemeinschaftspraxis, die sich auf einem Gelände außerhalb der Klinik befindet und organisatorisch mit dieser nicht verbunden ist.

Dort wurde die Frau mittels Gamma-Bestrahlung behandelt.

Die Klinik rechnete die Gamma-Behandlung über als Wahlleistung des Chefarztes F ab.

Die Frau zahlte die Rechnung der Klinik aber nicht. Später verstarb die Frau.

Die Klinik trat die Forderung gegen die Erben der Frau an eine Abrechnungsstelle ab. Die Abrechnungstelle klagte auf Zahlung des Rechnungsbetrages.

Das Landgericht gab der Klage statt.

Die Erben der Frau gingen in Berufung. Das Landgericht habe § 17 Abs. 3 KHEntgG falsch verstanden und § 2 Abs. 2 Ziffer 2 KHEntgG, der den vorliegenden Fall erfasse, rechtsfehlerhaft nicht in den Blick genommen. Vor dem Hintergrund, dass sich die radiologische Praxis auf dem Gelände der Klinik befinde, sei davon auszugehen, dass ein entsprechender Kooperationsvertrag bestehe, was einer Geltendmachung der Forderung entgegenstehe.

Die Entscheidung:

Das OLG sieht die Abtretung der Forderung als wirksam an, weil die Frau hierin eingewilligt habe.

Zwischen der radiologischen Praxis und der Frau sei ein Behandlungsvertrag zustande gekommen.

Die Regelungen des Krankenhausentgeltgesetzes stünden der Klageforderung nicht entgegen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG sei die Klinik zur gesonderten Abrechnung der Entgelte für die Gamma-Bestrahlung berechtig:

Zwischen der Frau und der Klinik sei eine wirksame Vereinbarung über gesondert berechenbare ärztliche Leistungen getroffen worden. Die Vereinbarung sei inhaltlich wirksam: Aus der Anlage zum Wahlarztvertrag ergebe sich die Liste der Wahlärzte, zu der auch der Chefarzt F gehörte. Das Schriftformerfordernis und den notwendigen Inhalt einer solchen Vereinbarung sei eingehalten. Auch die sonstigen Informationspflichten über die Höhe der Entgelte seien eingehalten, da die Frau die Entgelte bei Bedarf hätte einsehen können.

Maßgeblich sei hier, dass die Leistungen der externen Praxis durch den Wahlarzt und liquidationsberechtigten Chefarzt F, der auch in der Liste der Wahlärzte benannt sei, veranlasst worden seien. Denn der Chefarzt habe sie behandelt und dann an die Praxis überwiesen, damit diese die Gamma-Behandlung durchführt. Die dort entstandenen Kosten sind zu bezahlen. Daran ändert es nichts, dass die Behandlung von externen Ärzten durchgeführt wurde. Denn indem der Gesetzgeber vom liquidationsberechtigten Krankenhausarzt veranlasste Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses in eine Wahlarztkette einbeziehe, gebe er zu erkennen, dass dem Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene Kompetenz des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes auch dann Rechnung getragen wird, wenn dieser Arzt eine Behandlung durch Drittärzte veranlasst, die das besondere Vertrauen des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes genießen (Vertrauenskette).

Bei der Praxis handele es sich auch um eine ärztlich geleitete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses. Sie stehe nicht im Eigentum des Krankenhauses und befinde sich auf einem benachbarten Grundstück, das nicht dem Krankenhaus gehört. Es seien auch keine Belege dafür erkennbar, dass diese Praxis mit der Klinik eine Kooperationsvereinbarung geschlossen habe; selbst wenn eine solche Kooperation bestünde, stände dies der Forderung der Klinik nicht entgegen, 

Die Frau habe auch nicht eine - nicht gesondert abrechenbare - allgemeine Krankenhausbehandlung nach § 2 KHEntgG in Anspruch genommen, sondern eine Wahlarztvereinbarung getroffen, also eine – wie oben bereits dargelegt – besondere Erfahrung und herausgehobene Kompetenz der liquidationsberechtigten Krankenhausärzte („Chefarztbehandlung“) „hinzugekauft“ einschließlich der von eben diesen herausgehobenen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses. Deren Abrechnungsfähigkeit richte sich nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG (dessen Voraussetzungen hier gegeben seien) und nicht nach § 2 KHEntgG.

Praxisanmerkung:

Die Klinik sollte folgende zwingende Voraussetzungen einer wirksamen Wahlleistungsabrechnung beachten:

  • Die Wahlleistungsvereinbarung muss die gesetzliche vorgeschriebenen  Hinweise enthalten
  • Die Wahlleistungsvereinbarung muss vom Patienten unterschrieben sein
  • Der behandelnde Wahlarzt muss in der Wahlarztliste namentlich aufgeführt sein
  • Der Wahlarzt (Chefarzt) muss den Patienten bereits selbst behandelt haben
  • Dass der Wahlarzt die Behandlung durch einen Dritten (externen) Arzt veranlasst hat, sollte dokumentiert werden in der Behandlungsakte
  • Im Kooperationsvertrag zwischen der Klinik und den externen Ärezten sollten klare Unterscheidungen getroffen werden für a) die Behandlung von allgemeinen Krankenhausleistungen und b) Wahlleistungen auf Veranlassung 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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