(16.1.2020) Treten nach einer Impfung Beschwerden auf (hier: Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein), so sollte der Betroffene sofort zum Hausarzt gehen und diese Beschwerden untersuchen und feststellen lassen. Ansonsten wird es schwer für ihn, die Beschwerden als Impfreaktion und Impfschaden anerkennen zu lassen und eine entsprechende Entschädigung geltend zu machen, wie ein aktuelles Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts zeigt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. November 2019 – L 9 VE 22/18 ZVW). 

Lag ein Impfschaden vor?Der Fall:

Ein damals 33jähriger Mann erhielt Ende November 2007 eine Hepatitis-A-Auffrischungsimpfung mit dem Impfstoff „Havrix“. Er gab an, ab 20.12.2017 an Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein gelitten zu haben. Ab dem 04.01.2008 seien Nackenschmerzen hinzugekommen, die in den Kopf übergingen und die sich mit normalen Schmerzmitteln nicht mehr lindern ließen. Dann sei Fieber hinzugekommen. Am 07.01.2008, habe er morgens seine Hausärztin aufgesucht. Er habe sich am 07.01.2008 ins Krankenhaus fahren lassen, wo ihm ein Katheter gelegt worden sei. Am 08.01.2008 sei ein MRT angefertigt worden, danach habe er sich kaum noch selbstständig auf den Beinen halten und auch nicht mehr selbst aufrichten können. 

Unstreitig ist, dass laut ärztlichem Bericht der Mann Ende Dezember 2012 einen Infekt der oberen Atemwege durchgemacht hat. Am 8.1.2008 wurde von den Ärzten festgestellt: Akute demyelisierende Enzephalomyelitis (ADEM) mit spinalem Schwerpunkt, klinisch maximale Symptomausprägung in Form einer Hirnstammfunktionsstörung, eine komplette Querschnittslähmung ab Segment Th7, eine neurogene Blasenentleerungsstörung, ein Zustand nach Anlegen eines suprapubischen Blasenkatheters sowie eine neurogene Mastdarmentleerungsstörung. 

Der geimpfte Mann ging davon aus, die Erkrankung sei eine Folge der Impfung. Ein Impfschaden wurde aber abgelehnt, weil sein Zustand auch eine Folge der Atemwegserkrankung sein könne. Der Mann  klagte deshalb au´f Feststellung eines Impfschadens und auf Entschädigung. 

Das Sozialgericht zog einen Gutachter hinzu und gab der Klage des Mannes statt. Die Behörde ging dagegen in Berufung.

Die Entscheidung:

Das LSG zog einen weiteren Sachverständigen zu Rate und gab der Berufung schließlich nach längerem Hin und Her statt und wies die Klage des Mannes als unbegründet zurück. Der zweite Sachverständige hatte ausgeführt, die Verursachung der ADEM-Erkrankung sei unklar. Alternativ zur Impfung komme als Ursache für die ADEM-Erkrankung eine direkt erregerbedingte Zytomegalie-Enzephalomyelitis als Folge der Atemwegsinfektion in Frage. Die genaue Abgrenzung wäre nur durch eine Hirnbiopsie möglich gewesen, die aber verständlicherweise nicht durchgeführt worden sei. Ein Zusammenhang der akuten neurologischen Symptomatik im Januar 2008 im Sinne einer ADEM mit Schwerpunkt einer Querschnittslähmung sei möglich, aber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Hepatitis-A-Vakzination von Ende November 2007 zurückzuführen.

Daher kam das LSG schließlich zu dem Ergebnis, dass die Erkrankung des Klägers durch die Impfung ausgelöst sein, sie kann aber auch ebenso durch die Virusinfektion des Klägers (Ende Dezember 2012: Infekt der oberen Atemwege) ausgelöst worden sein. Daher sei das Ganze unklar und das LSG verneinte daher einen überwiegend wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden. 

Ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden liege nur vor, wenn die Symptomatik innerhalb von 14 Tagen nach dem Impfung beginnt, spätestens aber nach vier Wochen klinisch auffällig ist. Das LSG führt dazu aus: Vier Wochen nach dem 26.11.2007 war der 24.12.2007. Selbst bei großzügiger Auslegung der Beschwerden des Klägers traten erste Beschwerden jedenfalls nicht innerhalb von vier Wochen auf, denn der Kläger hat hiervon erst nach Weihnachten berichtet. Die vom Kläger bei Klageerhebung genannten Beschwerden ab dem 20.12.2007 überzeugen den Senat nicht, denn dieser Vortrag ist erst 2011 mit Klageerhebung erstmals vorgebracht worden.

Praxisanmerkung:

Je enger der zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und dem Auftreten erster Beschwerden ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Beschwerden eben gerade auf der Impfung beruhen. Daher sollte jeder Geimpfte, der unmittelbar nach einer Impfung krank wird oder unter Beschwerden leidet (seien diese auch erstmal wenig bedrohlich wie Kopfschmerzen und Unwohlsein), sicherheitshalber seinen Hausarzt aufsuchen und sich untersuchen lassen. So kann er später nachweisen, dass er zu einem bestimmten (frühen) Zeitpunkt unter diesen beschwerden litt, was ihm den Nachweis eines Impfschadens erheblich erleichtert. Denn Impfschäden sind statistisch gesehen selten und aher tun sich die Gerichte schwer mit deren Bejahung, insbesondere, wenn zwischen Impfung und Auftreten der Beschwerden Zeiträume von über 4 Wochen liegen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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