(30.12.2019) Unterläßt ein Arzt die mikrochirurgische Dekompressionsoperation an der Lenden- und Halswirbelsäule eines übergewichtigen und an Diabtetes Typ II leidenden Patienten, dann ist dies nur behandlungsfehlerhaft, wenn eine solche Operation absolut indiziert gewesen wäre (was der Fall ist, wenn entweder sich die Schmerzsymptomatik akut verschlechterte, erhebliche autonome Störungen auftraten oder bei einem unzureichenden Erfolg der konservativen Therapie). Liegt weder eine zervikale Myopathie mit klinischer Progredienz noch eine lumbale oder zervikale Radikulopathie mit funktionalen Beeinträchtigungen vor, ist eine solche absolute Indikation nicht gegeben und das Fortführen der konservativen Therapie liegt in der Entscheidungsfreiheit des Arztes (OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Beschluss vom 22. November 2019, Az.: 4 U 1929/19). 

Aufnahmen der WirbelsäuleHäufig werfen Patienten Ärzten vor, zu früh am Rücken operiert worden zu sein, bevor die Möglichkeiten der konservativen Therapie (physiotherapeutische Übungen, Muskelaufbau, Massagen etc.) ausgeschöpft waren.

Hier ging der mittlerweile von Inkontinenz und Impotenz betroffene Patient den umgekehrten Weg und warf dem Arzt vor, dieser habe ihn zu spät operiert und dadurch seine Beschwerden hervorgerufen bzw. verschlimmert. 

Die Gerichte wiesen seinen Vorwurf der fehlerhaften Behandlung wegen Nichtdurchführung einer Operation aber zurück: Gestützt auf Ausführungen eines medizinischen Sachverständigen ging das OLG Dresden davon aus, dass die klägerische Behauptung, wonach sich über 2,5 Jahre „überhaupt kein Erfolg der konservativen Behandlungsmethode“ ergeben habe, nicht zuträfe. Vielmehr ergebe sich aus der Behandlungsdokumentation, dass beim Kläger ständig „ein Auf und Ab“ der Symptome vorhanden war und unter konsequenter konservativer Behandlung und physiotherapeutischer Übung auch immer ein Erfolg zu verzeichnen war.

Schließlich berücksichtige der Kläger nicht, dass eine Operations-Indikation nur in der Gesamtschau und unter Abwägung aller gesundheitlichen Risiken für den Patienten, sei es durch die konservative Therapie, sei es durch die Operation erfolgen kann. Dies sei stets eine Einzelfallentscheidung. Insofern habe der Sachverständige klar ausgesprochen, das hohe Lebensalter, das erhebliche Übergewicht (115 kg) und Diabetes (Typ II) stets zu einer signifikanten Erhöhung von Operationsrisiken führten, was bei der Indikationsstellung immer mit zu berücksichtigen sei, nicht zuletzt wegen der dann unter Umständen drohenden erheblichen Folgekomplikationen. 

Auch den Vorwurf des Patienten, der Arzt habe ihn nicht hinreichend aufgeklärt über die Risiken einer unterlassenen Operation, wies das Gericht zurück. Denn bei seiner diesbezüglichen Argumentation geht der Kläger abermals davon aus, dass gerade das Nichtdurchführen der Operation seine erheblichen beklagten Beschwerden wie Inkontinenz, Impotenz usw. verursacht, mindestens aber verschlimmert hätte. Gerade dies hat der Sachverständige aber verneint, indem er einen Zusammenhang zwischen der Wirbelsäulenproblematik und diesen beklagten Beschwerden gerade ausgeschlossen hat.

Praxistipp:

Der behandlende Arzt sollte den jweiligen Zustand des Patienten kurz dokumentieren, um den Behandlungsverlauf (hier: die unter konsequenter konservativ auftretenden Besserungen) im Streitfall nachvollziehbar zu machen und seinen ärztlichen Dokumentationspflichten nachzukommen. 

Auch geht er den für ihn sichersten Weg, wenn er mit dem Patienten die Risiken einer Nichtdurchführung eines operativen Eingriffes unter Berücksichtigung der nit der Operation verbundenen Risken bespricht und dies zumindest in kurzen Worten dokumentiert. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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