(17.11.2019) Laut einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts stecken sich 3,6 % der in Deutschland in einem Krankenhaus behandelten Patienten mit einem gefährlichen Keim an. Bis zu 20.000 Patienten versterben jährlich an diesen Infektionen. Betroffen sind geschwächte Patienten, deren Immunabwehr verringert ist, z.B. ältere Menschen, Patienten nach einer Antibiotikabehandlung, Patienten auf Intensivstationen, Krebskranke, Chirurgiepatienten, frühgeborene Babys oder Menschen mit chronischen Wunden. Angehörige können helfen, dies zu verhindern. Leicht ist es aber nicht.

Infektionen im Krankenhaus vermeidenAus meinen eigenen Erfahrungen mit der Betreuung von Familienangehörigen in einer Vielzahl von Klinikaufenthalten, meinen Erfahrungen als Anwalt für Medizinrecht und Schilderungen von Klinikärzten, mit denen ich befreundet bin, sind mir die Zustände in Kliniken aus erster Hand bekannt. Und meine Mutter war vierzig Jahre als Krankenschwester tätig. Patienten mit einem gesunden Immunsystem sind dagegen nicht gefährdet, da ihr Immunsystem die Keime abwehren kann. Besonders gefährlich sind die sogenannten multiresistenten Krankenauskeime, die kaum noch auf Antibiotika ansprechen.

Wie stecken sich die immungeschwächten Patienten an?

Der erste Infektionsweg ist der über die Hände eines Arztes oder Krankenpflegers. Das Personal von Kliniken ist unterbesetzt, überfordert und oft gehetzt. Teilwiese geschieht dies auch aus schlichter Nachlässigkeit. Das Personal vernachlässigt deshalb die notwendige Händedesinfektion. So tragen sie Keime von einem Patienten zum nächsten. Bei der Behandlung von Wunden, Katheterwechseln oder Verbandswechseln tragen sie die Keime direkt an den Patienten und in seine Wunden hinein.

Der zweite Infektionsweg sind die Angehörigen selbst. Bei dem Besuch der Patienten betreten sie die Stationen in Straßenkleidung und waschen ihre Hände nicht. Sie fassen dann den Patienten an und übertragen die Keime. Manche Patienten sind selbst krank und tragen ihre Keimlast direkt zum Patienten.

Der dritte Infektionsweg sind unhygienische Zustände in den Kliniken. Auch das Reinigungspersonal ist oft überlastet oder arbeitet schlicht nachlässig. Die Flächen der Tische und Ablageflächen in den Zimmern der Patienten sind dann schmutzig und von dort können Keime übertragen werden.

Was können die Angehörigen tun?

1. Überwachung in rollender Schicht

Wenn es Ihnen mit dem Schutz Ihres Angehörigen ernst ist, müssen Sie zusammen mit den anderen Verwandten eine rollende Betreuung während der Tagesschicht (in dieser Zeit erfolgen die meisten Kontakte zwischen Patient und Pflegepersonal) einrichten. Das heißt zum Beispiel von 7 bis 11 ist die Tante am Bett, von 11 bis 15 Uhr der Neffe, von 15 bis 20 Uhr Sie selbst.

Die erste Schicht der Angehörigen desinfiziert gleich zu Beginn seine Hände, dann die Türklinken und alle Flächen im Zimmer z.B. auf Tischen und Ablagen. In jedem Zimmer befinden sich Desinfektionsständer und Einmal-Papierhandtücher, so dass dies ohne weiteres möglich ist. Auch alle Flächen im Bad, mit denen der Patient in Kontakt kommen kann, werden mit Papierhandtüchern, die zuvor gut mit Desinfektionsmitteln durchtränkt wurden, abgewischt. Jeden Tag. Nach dieser Reinigung desinfizieren Sie Ihre Hände erneut.

Liegt Ihr Angehöriger auf einer Intensivstation, so ist dies leider nicht möglich.

Hygiene im Krankenhaus

Lassen Sie sich von dem Patienten bevollmächtigen zur Gesundheitssorge. Die Vollmacht kann handschriftlich erfolgen. Text:

Hiermit bevollmächtige ich, Herr ....., geboren am .... in .... (Patient) meinen Angehörigen, Herrn .... (Bevollmächtigter), mich in allen Fragen der Gesundheitssorge zu vertreten. Datum, Unterschrift.

Diese Vollmacht gibt Ihnen die rechtliche Handhabe, für den Patienten zu sprechen.

2. Auf Hygiene des Pflegepersonals bestehen

Vor den Krankenzimmern und in den Zimmern stehen Händedesinfektionsspender. Die Türen der Zimmer stehen oft offen. Halten Sie die Tür im Blick: hat sich der Pfleger die Hände desinfiziert, bevor er eintrat? Fragen Sie nach. Man erkennt einen Pfleger, der sich die Hände desinfiziert hat, daran, dass er sich die Hände reibt, wenn er hereinkommt. Außerdem riecht er nach frisch aufgetragenem Alkohol. Die beste Desinfektion erreicht man im Übrigen nicht durch Desinfizieren, sondern durch Waschen der Hände - das wird aber selten von den Pflegern und Ärzten gemacht, weil es noch zeitaufwändiger ist, als das Desinfizieren. Machen Sie sich bewusst, dass das Personal die Desinfektion oft schon deshalb scheut, weil es die Haut der Hände sehr belastet.

3. Eigenes Essen und Getränke mitbringen

Sie bringen dem Patienten selbst gekochtes Essen mit und versorgen ihn mit selbst mitgebrachten Getränken. Zum einen ist das Essen im Krankenhaus oft erbärmlich schlecht und nicht gesund. Bei dem Essen ist es schwer, gesund zu werden. Zum anderen können sich auf den Tabletts, den Bestecken und Tellern und Tassen sowie auch im Essen viele Keime befinden. Lassen Sie die Tabletts, die das Personal bringt, einfach stehen (bis sie wieder abgeholt werden) oder bringen sie diese direkt wieder hinaus. Und desinfizieren sich danach sogleich wieder die Hände.

Das Pflegepersonal wird sogleich registrieren, dass dieser Patient "bewacht" wird. Das Personal reagiert darauf oft verstimmt. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Angehörige haben oft Angst, das Pflegepersonal oder Ärzte gegen den Patienten "aufzubringen", wenn sie kritisch und vorsichtig handeln. Erklären Sie dem Personal, dass es sich um eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme handelt und nicht persönlich gemeint ist. Im Übrigen kümmern Sie sich nicht weiter darum. In jedem Fall wird das Pflegepersonal vorsichtiger agieren, weil es ja weiss, dass der Patient ständig von seinen Angehörigen begleitet wird und dass alle Pflegemaßnahmen unter den Augen der Angehörigen erfolgen.

4. Andere Besucher zu Hygiene anhalten

Halten Sie Besucher von Zimmernachbarn aktiv dazu an, die Hände beim Betreten des Krankenzimmers zu desinfizieren. Erklären Sie die Situation und die Risiken einer Infektion (Infektionsrate von 3,6 % !).

4. Wachsam sein

Beobachten Sie, was auf der Station geschieht. Gibt es in anderen Zimmern Isolationspatienten? Dann müssen Sie besonders darauf achten, dass Ihr Angehöriger keinen Kontakt zu diesen Patienten oder dessen Angehörigen hat. Sind Pfleger selber krank (Husten, Schnupfen)? Dann bestehen Sie auf der Verwendung von einer Mundmaske. Sie werden sich damit keine Freunde machen aber vorrangiges Ziel der Behandlung ist es, den Patienten heil durchzubringen und nicht, Freundschaften oder gute Bekanntschaften mit Pflegern oder Ärzten zu schließen.

Fällt dem Pflegepersonal etwas runter, dass am Patienten verwendet werden soll (Verbände, Kanülen oder ähnliches) so müssen Sie darauf bestehen, dass es sofort weggeworfen wird.

Protokollieren Sie Auffälligkeiten und Hygienemängel! Hier finden Sie eine Vorlage für ein solches Protokoll. Drucken Sie es dreimal aus und nehmen es mit. Übergeben Sie es jeweils an den nächsten pflegenden Angehörigen. Fotografieren Sie unhygienische Zustände (verdreckte Böden). Fotografieren Sie (bitte nicht zu auffällig) Schilder an anderen Zimmertüren ("Achtung, Isolation!").

Schauen Sie auf der Internetseite der Klinik unter "Impressum" nach der E-mail-Adresse der Klinik. Oder fragen Sie den Arzt nach der E-mail-Adresse. Wenn Sie etwas zu beanstanden haben, schreiben Sie eine freundliche E-mail an die Klinik. Beispiel:
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin der (Vater, Mutter, Bruder, Schwester etc.) von Herrn/Frau B. Müller auf Sation 6, Zimmer 15 und von ihm zur Gesundheitssorge bevollmächtigt. Er ist besonders infektionsanfällig. Die Pfleger desinfizieren sich aber leider nicht die Hände, wenn sie das Zimmer betreten. Bitte sorgen Sie dafür, dass dies getan wird. Mit freundlichen Grüßen ....

Auch damit werden Sie sich keine Freunde auf der Station machen. Zum einen kann dies aber zu erhöhter Aufmerksamkeit der Pfleger führen. Zum anderen liefert es Ihnen zumindest Munition in einem möglichen Arzthaftungsverfahren wegen Hygienemängeln. Richter in einem Arzthaftungsverfahren sind in der Regel sehr interessiert an allen schriftlichen Belegen und lesen solche Mitteilungen genau. Dies erleichtert Ihnen den Nachweis von Hygienemängeln und bringt die Arztseite in Erklärungsnot. Die Arztseite muss nämlich in einem Streit vor Gericht vortragen, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene und zum Infektionsschutz bei der Behandlung des Patienten unternommen wurden (Bundesgerichtshof, Beschluß vom 25.6.2019 - VI ZR 12/17). Und eine Mängelanzeige des Patienten oder seiner Angehörigen per E-mail zeigt, dass zumindest aus Sicht der Patienten Bedenken an der Hygiene bestanden und die Richter registrieren dies.

5. Zurückhaltung bei Antibiosen des Patienten

Eine Antibiose ist manchmal unumgänglich. Sie ist aber auch eine Belastung für den Patienten, weil Antibiotika regelmäßig nicht nur die (unerwünschten) Keime im Körper der Patienten bekämpfen, sondern auch eine Vielzahl anderer kleinzelliger Bakterien abtöten, die aber erwünscht und gut für den Menschen sind. So töten Antibiotika große Teile oder gar sämtliche "guten" Darmbakterien ab, die seit langem im Darm des Patienten wohnen und mit dessen Körper zusammenleben und ihm zuarbeiten, z.B. bei der Verwertung von Nahrungsmitteln. Diese guten Darmbakterien stellen insbesondere die erste Verteidigungslinie des Immunsystems dar und nehmen schädlichen Darmbakterien den Platz weg, so dass sie sich nicht vermehren und in den Körper eindringen können (wo sie auf das köpereigene Immunsystem treffen). Wir haben Milliarden dieser Bakterien in unserem Darm. Diese "Feindschaft" der guten Bakterien mit den "bösen" beruht schlicht darauf, dass die guten Darmbakterien andere Bakterien als Konkurrenten bekämpfen ("ich war zuerst hier!).

Um diese guten Darmbakterien zu schützen, sollte eine Antibiose nur a) gezielt eingesetzt werden und b) nur wenn notwendig zum Einsatz kommen.

a) Die Verwendung einer Antibiose obliegt der Entscheidung des Arztes, dies allerdings in Rücksprache mit dem Patienten. Gegen den Willen des Patienten darf eine Antibiose nicht eingesetzt werden. Sprechen Sie mit dem Arzt über die Notwendigkeit und die Risiken. Möglicherweise gibt es Alternativen. Leichtfertiger Antibiose-Einsatz sollte vermieden werden.

b) Bevor ein Antibiotikum gegen eine Infektion eingesetzt wird, soll der Arzt eine sogenanntes Antibiogramm erstellen. Infektionen können auf Viren oder Bakterien beruhen. Antibiosen wirken aber nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren. Ein Antibiogramm ist ein Labortest, bei dem zuerst ein Abstrich bei dem Patienten genommen wird, der die Art des Bakteriums herausfindet. Dann wird dieser "Feind" verschiedenen Antibiotika (es gibt Dutzende auf dem Markt) ausgesetzt und geschaut, auf welche er sensibel reagiert. Oft reagieren Bakterien nur (noch) auf einzelne Antibiotika. Andere Antibiotika wirken nicht, das ist die sogenannte Antibiotikaresistenz. Nur nach einem solchen Test, der ein bis zwei Tage dauert, kann ein Antibiotikum helfen. Ohne diesen Test ist der Einsatz von Antibiotika nur ein "Schuss ins Blaue", der den Patienten unnötig belastet, weil er auch die guten Bakterien tötet. Trotzdem werden Antibiotika manchmal ohne vorheriges Antibiogramm eingesetzt, wenn der Arzt sich noch nicht sicher ist, ob die Infektion auf Bakterien oder Viren beruht, er aber wegen des ernsten Zustandes des Patienten keine Zeit hat, ein Antibiogramm abzuwarten. Manchmal werden Antibiotika aber auch ohne Zeitnot gegeben.
Fragen Sie also vor der Antibiotikagabe, ob ein Antibiogramm durchgeführt wurde. Wenn nicht, bestehen Sie darauf.

Schließlich sollten Sie Ihrem Angehörigen helfen, nach einer (notwendigen und per Antibiogramm ermittelten) Antibiose wieder schnell "gute" Bakterien in den Darm angesiedelt zu bekommen. Das nennt man eine Probiose. Dazu kann man freiverkäufliche Bakterienkulturen in der Apotheke kaufen. Empfehlenswert ist zum Beispiel Omnibiotic 6. Sprechen Sie dazu mit Ihrem Apotheker. Direkt nach Beendigung der Antibiose nimmt der Patient dann morgens (jeweils auf nüchternen Magen) diese guten Bakterien ein, die dann den Darm sofort neu besiedeln und "schützen". Tut man dies nicht, können schlechte Bakterien (die sich im Darm sehr wohl fühlen, weil es dort warm ist und Nahrung zuhauf gibt) im Darm breit machen, die dann den Körper ständig belasten und das körpereigene Immunsystem schwächen. Diese Fehlbesiedelung nennt man Dysbiose.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de