(23.10.2019) Eine bereits durchgeführte Prüfung der Abrechnung des Arztes (z.B. im Jahr 2013) schließt spätere Prüfungen (z.B. 2017) nicht aus bzw. verbraucht die Prüfungsmöglichkeit der KV nicht. Die KV ist bei Prüfungen der obligaten Leistungsinhalte des EBM nicht zur optimalen Prüfung der eingereichten Abrechnung zur Einhaltung des Regelwerks der EBM-Abrechnung verpflichtet (um so Abrechnungsfehler und deren Verfestigung zum Schutz des Arztes sogleich frühzeitig zu erkennen und dem Arzt aufzuzeigen) - genausowenig ist die KV nicht zu laufenden Prüfungen der eingereichten Abrechnungen verpflichtet, soweit diese eine intellektuelle Einzelfallprüfung erforderten. Bei sachlich-​rechnerischen Berichtigungen einer ärztlichen Abrechnung, die innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist erfolgt sind, findet die (nur einjährige) Frist zum Tätigwerden der KV nach Bekanntwerden der fehlerhaften Abrechnung des Arztes gemäß § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X keine Anwendung (Sozialgericht Kiel, Urteil vom 16.10.2019 – S 2 KA 118/18). 

Abrechnungsfehler bei Ärzten führt zu HonorarrückforderungenPraxisanmerkung:

Der betroffene Allgemeinmediziner konnte seine Leistungen teilweise aufgrund nur knapper Dokumentation nicht belegen, teilweise waren die Leistungen schlicht nicht plausibel, so dass er letztendlich unterlag. Der Arzt musste Kürzungen von rund 100.000 EUR erdulden.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig sowohl eine ordentliche Dokumentation der einzelfallbezogenen Leistungen und der obligaten Leistungsinhalte ist.

Soweit ein Arzt mündliche Zusagen der KV zu einer bestimmten Abrechnung erhält, sollte der Arzt dies dokumentieren und sich von der KV bestätigen lassen, andernfalls sind Zusagen als unverbindlich anzusehen.

Es ist der sicherste Weg, wenn der Arzt Abrechnungsfragen anwaltlich prüfen läßt. 

 

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig sind sachlich-​rechnerische Korrekturen von Honorarbescheiden für die Quartale I/2013 bis I/2016.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in G. niedergelassen.

Die Honorarabrechnungen I/2009 bis IV/2012 wurden einer Plausibilitätsprüfung und anschließenden sachlich-​rechnerischen Korrektur in Höhe von insgesamt 168.739,68 EUR unterzogen. Korrigiert wurden die abgerechneten GOP 03212 („Chronikerziffer“) und 35110 EBM (verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen). Nach erfolglosem Widerspruch hob das Sozialgericht Kiel – 16. Kammer – den Bescheid mit Urteil vom 7. November 2018 auf, da die Mischpunktwertberechnung fehlerhaft gewesen sei. Dagegen wird ein Berufungsverfahren geführt.

Die Beklagte unterzog auch die Honorarabrechnungen für die Quartale I/2013 bis I/2016 einer Plausibilitätsprüfung. Der Plausibilitätsausschuss der Beklagten hatte die für den Kläger abschließende Sitzung am 27. April 2016, die mit einem beschlossenen Vorschlag gegenüber dem Vorstand endete. Der formulierte Vorschlag wurde am 8. Juni 2016 von einem Mitglied des Ausschusses unterschrieben.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2017 beschloss die Bekl. eine sachlich-​rechnerische Korrektur in Höhe von insgesamt 97.287,11 EUR. Sie kürzte die abgerechneten GOP 35110 EBM im Quartal I/2013 auf den Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Der Kürzungsumfang beläuft sich auf 5.223,81 EUR netto. Die Kürzung erfolgte, weil der Kläger im vorangegangenen Prüfzeitraum angegeben habe, die Ziffer zu Beginn des Quartals bei nahezu jedem Patienten in Ansatz gebracht zu haben. Es sei nicht erkennbar, warum eine Anerkennung über dem Fachgruppendurchschnitt gerechtfertigt sei. Die Kürzung der abgerechneten GOP 03212 EBM in den Quartalen I/2013 bis III/2013 auf den Durchschnitt der Vergleichsgruppe erfolgte, weil sie vielfach ohne einen - obligaten - zweiten Arzt-​Patienten-​Kontakt abgerechnet worden sei. Der Umfang der Kürzung beträgt 15.107,17 EUR netto.

Die Bekl. nahm auch eine Wandlung der abgerechneten Besuchsleistungen in einem Gesamtumfang von 76.956,03 EUR vor. Es sei schlicht unglaubwürdig, dass der Kläger in den Quartalen I/2013 bis I/2016 die normalen Besuche lediglich in einem Umfang von 1 bis 24 Besuchen pro Quartal durchgeführt habe, hingegen dringende Besuche nach der GOP 01411 bzw. 01415 EBM zwischen 99 und 226 Mal im Quartal und dann vorwiegend an den gleichen Wochentagen erbracht haben wolle. Die GOP 01410 EBM sei bei Heimbesuchen nahezu nie abgerechnet worden, der Mitbesuch jedoch 2 bis 12 Mal pro Quartal, außer zwischen 40 und 61 Mal pro Quartal in den Quartalen IV/2013 bis IV/2014. Auch die Erläuterungen und die Ausführungen der Heimleitungen würden die hohe Häufigkeit dringender Besuche nicht erklären. Selbst wenn die Heimleitungen die Besuche dringend machen würden, sei nicht glaubwürdig, dass er jeder Anforderung einzeln nachkomme. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger häufiger als seine Vergleichsgruppe dringende Besuche durchführe. Die Beklagte kürzte für die Tage, an denen mehrere dringende Besuche in derselben Einrichtung abgerechnet wurden, die weiteren Besuche nach einem Besuch in Mitbesuche nach der GOP 01413 EBM und die für die übrigen Bewohner abgerechnete Wegepauschale. Im Übrigen kürzte sie die abgerechneten dringenden Besuche auf den jeweiligen Fachgruppendurchschnitt.

Dagegen legte der Klä. am 4. Mai 2017 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass ihm viele Patienten aus der Umgebung überwiesen werden würden, weil er die Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung übernehme und die nur wegen ihres Gesprächsbedarfs zu ihm kommen würden. Er nehme sich viel Zeit für diese Patienten, oft nicht nur eine Viertelstunde, sondern eine Halbe- oder Dreiviertelstunde. Er mache immer Montagnachmittag und Mittwoch ganztägig Hausbesuche. Er sei in der Regel erst abends um 21:30 Uhr und 22:30 Uhr fertig. Da er keine Routinebesuche mache, würde er am Montag und Mittwoch angerufen werden. Die Patienten würden natürlich an diesen Tagen anrufen und eine gewisse Dringlichkeit angeben. Am Telefon könne er nicht beurteilen, wie dringlich es sei. Hausbesuche führe er dann sofort aus. Auch in den Heimen kämen auf diese Weise viele Besuche zustande, da sich die Stationen der Heime auch nicht systematisch absprechen. Das gelte insbesondere für das D-​Pflegeheim. Er werde also immer dringend angefordert, obwohl es eine Gemeinschaftsverpflegung gebe. Zur Chronikerziffer verweist er auf die hohe Altersstruktur im ländlichen Gebiet. Er achte peinlich genau darauf, dass diese Patienten auch chronische Erkrankungen haben und seit mehreren Quartalen wegen dieser Erkrankungen behandelt werden. Es gebe keinen Patienten, der die Ziffer ohne Zweitkontakt aufweise. Sein Computersystem lasse gar keine Chronikerziffer ohne Zweitkontakt zu. Auf seine weiteren Ausführungen wird verwiesen.

Die Beklagte befragte die P-​GmbH und das D-​Pflegeheim. Die P-​GmbH antwortete, der Kläger betreue die Heimbewohner seit Jahren äußerst gewissenhaft und intensiv. Der Kläger sei Montagnachmittag und Mittwoch ganztägig über die Mobilnummer erreichbar. Er werde in der Regel dann zu Patientenbehandlungen angefordert, wenn es sein müsse, auch mehrfach täglich. Das D-​Pflegeheim antwortete, die Patientenbehandlungen erfolgten entweder durch die wöchentlich stattfindenden Visiten oder aus aktuellem Grund durch einen Anruf in der Arztpraxis oder außerhalb der Sprechstunden über das Handy. Der Kläger komme in der Regel wöchentlich zur Visite in das D-​Pflegeheim. Bei Anforderungen komme er selbstverständlich auch ein weiteres Mal. Ob ein akutes Ereignis vorgelegen habe, ergebe sich meist aus dem Kontext des Berichtes. Die S-​Einrichtung schrieb unaufgefordert an die Beklagte, der Kläger kümmere sich seit vielen Jahren intensiv und aufopfernd um die Bewohner/Mieter. Er sei ständig erreichbar, auch abends, an Wochenenden und an Feiertagen. Montagnachmittag und Mittwoch ganztägig stehe er zur Verfügung. Es komme häufig, auch mehrfach täglich, zu Anforderungen. Es gebe mehrere Gebäudekomplexe und über 600 Meter Laubengänge. Es komme oft vor, dass der Kläger umgangssprachlich gerade vom Hof gefahren ist und in dem Moment ein anderer der Bewohnerinnen um einen Besuch bitte. Der Kläger werde oft auch direkt durch die Bewohner oder ihre Angehörigen angefordert. Die Besuche seien gehäuft montags und mittwochs und neben den planbaren Besuchen häufig initiativ und dadurch nicht miteinander zu verbinden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2018 zurück. Sie fasste den Tenor des Bescheides vom 4. Mai 2017 korrigierend neu, um das Berechnungsergebnis zutreffend zu beschreiben. Der Widerspruch wurde im Übrigen mit ausführlicher Begründung zu jeder Korrektur und Erläuterung der Berechnungen zurückgewiesen. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die am 26. Juni 2018 eingegangene Klage. Die Abrechnung der GOP 03212 EBM ohne mindestens zwei Arzt-​Patientenkontakte sei ein typischer Fehler, der im Rahmen einer standardisierten Abrechnungsprüfung auf Einhaltung des Regelwerks bereits vor Erlass des Honorarbescheids hätte herausgefiltert werden können. Einer intellektuellen Prüfung im Einzelfall habe es nicht bedurft. Wenn die Beklagte diese Kürzung bereits bei der Abrechnung vorgenommen hätte, hätte er sein Volumen deutlich weniger überschritten, so dass die Honorarminderung geringer gewesen wäre. Die Mischpunktwertberechnung sei daher nicht gerechtfertigt.

Die Kürzung der GOP 35110 EBM sei rechtswidrig, weil er einem Abrechnungsfehler unterlegen habe, der auf einer – nicht mehr verifizierbaren – telefonischen Auskunft einer Mitarbeiterin der Beklagten beruhe. Aufgrund dieser Auskunft habe er die GOP 35110 EBM als Quartalsziffer angesehen, die einmal im Behandlungsfall pro Quartal abrechenbar sei. Diese Abrechnung habe er zu Beginn des Quartals vorgenommen, worauf die Auffälligkeit seiner Tagesprofile jeweils zu Beginn eines Quartals beruhten. Die Auffälligkeit habe die Beklagte ebenfalls leicht vorab erkennen und eine Korrektur bereits im Honorarbescheid vornehmen können. Aufgrund der Häufigkeit der Abrechnung habe sich der Beklagten eine Fehlinterpretation geradezu aufdrängen müssen. Daher sei die Mischpunktwertberechnung nicht gerechtfertigt, insbesondere da er seinen Fehler eingesehen und ab dem Quartal II/2013 sein Abrechnungsverhalten geändert habe. Der Kläger erläutert, eine Vielzahl von Patienten mit psychosomatischen Krankheitsbildern zu behandeln, da andere Hausärzte in G. und Umgebung die Behandlung von Patienten mit psychosomatischen Krankheitsbildern ablehnten und an ihn überweisen würden. Diese Besonderheit habe die Beklagte für den Vorprüfzeitraum anerkannt und eine Kürzung auf 75 % der abgerechneten Leistungen vorgenommen. Dieser Schwerpunkt werde bei der Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt für I/2013 nicht berücksichtigt.

Die Kürzung der Besuchsleistungen sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Zunächst habe die Beklagte die Befugnis zur Prüfung und Kürzung der Besuchsleistungen verwirkt, weil die Abrechnungen dieser Leistungen in dem Vorzeitraum I/2009 bis IV/2012 nicht beanstandet worden seien, obwohl die Abrechnungshäufigkeit vergleichbar hoch gewesen sei. Ein Fachgruppendurchschnitt von konstant 0,7 sei statistisch unmöglich. Die Annahme der Beklagten, dass das Angebot gemeinsamer Mahlzeiten und die Nutzung des Angebots eine „soziale Gemeinschaft“ bzw. das Merkmal eines „beschützenden Wohnheims“ bzw. eines „Pflege- oder Altenheims mit Pflegepersonal“ vorliege, wenn die Patienten getrennt wohnen und möglicherweise nur Mahlzeiten gemeinsam einnehmen, sei unzutreffend. Daher sei der zweite Besuch von Bewohnern eines Pflegeheims an einem Tag nicht allein deshalb nur mit der GOP 01413 (H) abrechenbar. Daher sei die Umwandlung der GOP 01415 EBM bzw. der GOP 01410 EBM in die GOP 01413 EBM nicht gerechtfertigt. Auch für diese Kürzung beanstandet er die Mischpunktwertberechnung.

Die sachlich-​rechnerische Korrektur ist nach Auffassung des Klägers überdies bereits deshalb rechtswidrig, weil der Vorstand der Beklagten durch den am 27. April 2016 formulierten Entscheidungsvorschlag des Plausibilitätsausschusses vollständige Kenntnis von der beanstandeten Abrechnung des Klägers hatte, den Bescheid jedoch erst am 5. Mai 2017 erließ. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X – die nach der Entscheidung des BSG vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 34/17 R, auch in diesem Fall anwendbar sei - sei zu dem Zeitpunkt bereits abgelaufen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid und ergänzt ihr Vorbringen. § 45 SGB X werde nach ständiger Rechtsprechung des BSG von § 106a SGB V verdrängt. Selbst wenn die Jahresfrist für eine Entscheidungsfindung gelten würde, so käme sie hier nicht zur Anwendung, da der Plausibilitätsausschuss lediglich ein beratendes Gremium sei, das dem Vorstand einen Vorschlag unterbreite. Die Fachabteilungen hätten noch den Rückforderungsbetrag berechnen müssen. Der Zeitspanne sei nicht geeignet, Vertrauen dahingehend zu begründen, dass seine Korrektur nicht mehr erfolge. Die Mischpunktwertberechnung sei rechtsfehlerfrei gewesen. Nachdem bereits nur in 50 % der abgerechneten Fälle die Abrechnung aufgrund der Diagnose nachvollziehbar gewesen sei, habe die Einzelfallprüfung der GOP 35110 EBM gezeigt, dass bis auf wenige Ausnahme eine nachvollziehbare Dokumentation fehle. Dass nicht auf das – prozentuale - Ergebnis der Einzelfallprüfung abgestellt worden sei, sondern auf den Fachgruppendurchschnitt abgestellt worden sei, sei zugunsten des Klägers ausgegangen.

Die Prüfung der Dokumentationen für die GOP 03212 EBM habe ebenfalls gezeigt, dass ein zweiter Arzt-​Patientenkontakt häufig nicht belegt sei und oftmals keine schwerwiegende chronische Erkrankung nachvollzogen werden konnte sowie die nach der Chroniker-​Richtlinie vorausgesetzte kontinuierliche Betreuung nicht vorgelegen habe.

Für die Entscheidung, ob ein Besuch oder ein Mitbesuch vorgelegen habe, sei es sachgerecht, bei dem Begriff der sozialen Gemeinschaft z. B. auf die regelmäßige gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten abzustellen. Tatsächlich sei insbesondere bei Alten- und Pflegeheimen die Versorgung mit Mahlzeiten durch eine zentrale Einrichtung ein bedeutendes Kriterium, um die regelmäßige und ausreichende Versorgung der Mitglieder der Gemeinschaft gewährleisten zu können. Die Besuche würden mit der Wandlung grundsätzlich als solche anerkannt, lediglich die Art der Besuche werde angezweifelt. Die Höhe der Rückforderung ergebe sich auch aus den Wegegeldern. Verwirkung könne für die Besuchsleistungen nicht angenommen werden, da keiner der vom BSG anerkannten Fallkonstellationen vorliege. Sie als Beklagte habe für den vergangenen Zeitraum nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die Anzahl abgerechneter Besuchsleistungen dulde. Ein Vertragsarzt könne keinen Bestandsschutz daraus ableiten, dass die Kassenärztliche Vereinigung in geprüften Quartalen bestimmte – ebenfalls korrekturbedürftige – Leistungen nicht korrigiert, sondern sich auf bestimmte GOP des EBM beschränkt habe. Der Kläger könne nicht darauf vertrauen, dauerhaft fehlerhaft abrechnen zu dürfen. Die Werte in der Darstellung der Statistik würden auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet dargestellt werden. Tatsächlich habe die Abrechnungshäufigkeit zwischen 0,65 und 0,74mal auf 100 Fälle gelegen.

Der Rückforderungsbetrag sei auch nicht unverhältnismäßig hoch gewesen, da die Regelwerksprüfung die fehlerhafte Abrechnung bereits vor Erstellung des Honorarbescheides hätte erkennen können. Der fehlende zweite Arzt-​Patientenkontakt für die Chronikerziffer könne nicht zuverlässig erkannt werden, da die Platzhalterziffer GOP 99090 EBM – wenn keine weitere Leistung abrechnungsfähig ist – nicht verpflichtend zu verwenden ist und in der Ärzteschaft nicht einheitlich verwendet werde. Die weitere Prüfung, ob tatsächlich ein Chroniker behandelt werde oder nicht, könne nur durch Sichtung der Patientendokumentationen im Wege einer Einzelfallprüfung geprüft werden. Gleiches gelte für die GOP 35110 EBM, die ebenfalls nicht im Wege einer Regelwerksprüfung zuverlässig geprüft werden könne. Die Anzahl abgerechneter Ziffern pro Tag sei nicht begrenzt. Erst über eine zusätzliche Prüfung der Zeitprofile könne ermittelt werden, welche Ziffern die zeitliche Auffälligkeit möglicherweise begründen. Auch hier sei eine intellektuelle Einzelfallprüfung durchzuführen.

Der Kammer lagen die Verwaltungsvorgänge vor. Für die weiteren Einzelheiten wird auf alle aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2017 in der Fassung der Widerspruchsentscheidung vom 16. Mai 2018 ist rechtmäßig.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u. a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-​Ärzte (BMV-​Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-​Ärzte (EKV-​Ä) der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Die Berechtigung und Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-​rechnerischen Berichtigung der Abrechnung der Vertragsärzte beruht ferner auf § 106a SGB V (a.F. bis 31. Dezember 2016) bzw. § 106d SGB V ab 1. Januar 2017. Näheres ist in den nach § 106 Abs. 6 S. 1 SGB V a. F. bzw. § 106d Abs. 6 S. 1 n. F. von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit Wirkung ab 1. Januar 2005 (geändert ab 1. Januar 2008) vereinbarten Richtlinie (AbrechnPr-​RL) geregelt. Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt, zielt die Prüfung der sachlich-​rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung auf die Feststellung, ob die abgerechneten Leistungen rechtlich ordnungsgemäß, also ohne Verstoß gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen erbracht worden sind, § 4 Abs. 1 und 2 AbrechnPr-​RL.

Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-​rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-​)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-​rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05 R. Rn 11 bei juris m.w.N.; Urteil vom 28. August 2013, Az B 6 KA 43/12 R).

Der Bescheid ist nicht allein deshalb rechtswidrig, weil die Frist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X nicht eingehalten worden sein könnte. Diese Frist war in diesem Fall der sachlich-​rechnerischen Berichtigung nicht zu beachten. Das BSG führt zwar in seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 34/17 R unter Rz 33 aus:

„Nach § 45 Abs 4 S 2 SGB X, der auch (Hervorhebung durch d. Verf.) bei sachlich-​rechnerischen Richtigstellungen im Vertragsarztrecht nach Ablauf der Ausschlussfrist entsprechend anwendbar ist (BSG Urteil vom 21.3.2018 - B 6 KA 47/16 R - ZMGR 2018, 307 RdNr 39 mwN, zur Veröffentlichung auch in SozR 4-​2500 § 106a Nr 18 vorgesehen), muss die Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme rechtfertigen. Die den Beginn der Jahresfrist bestimmende Kenntnis ist anzunehmen, wenn die Behörde mangels vernünftiger objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen hat (BSG Urteil vom 21.3.2018 - B 6 KA 47/16 R - aaO); hierzu gehören auch alle Tatsachen, die die besonderen Rücknahmevoraussetzungen (z. B fehlender Vertrauensschutz) beschreiben (BSG Urteil vom 20.12.2012 - B 10 LW 2/11 R - SozR 4-​5868 § 12 Nr 1 RdNr 35).“

Die einjährige Tätigkeitsfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist jedoch weder direkt noch indirekt als einjährige Tätigkeitsfrist auch für sachlich-​rechnerische Berichtigungen innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist zu beachten. Die Kammer teilt nicht die Einschätzung des Klägers, dass das BSG in der oben genannten Entscheidung zum Ausdruck bringen wollte, es halte § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X sowohl für sachlich-​rechnerische Berichtigungen innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist als „auch“ für sachlich-​rechnerische Berichtigungen außerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist für anwendbar. Das BSG betont regelmäßig, dass § 45 SGB X von § 106a SGB V verdrängt werde und § 106a SGB V alleinige Rechtsgrundlage für sachlich-​rechnerische Korrekturen sei. Das führe dazu, dass allenfalls Vertrauensschutzgesichtspunkte des § 45 Abs. 2 S. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten sind, wenn sachlich-​rechnerische Korrekturen außerhalb der Vier-​Jahresfrist erfolgen. Dann sei auch § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu beachten. Wenn das BSG davon ausgehen würde, dass § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X oder jedenfalls diese Tätigkeitsfrist auch bei sachlich-​rechnerischen Korrekturen innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist zu beachten sei, dann hätte es diesen Prüfungspunkt systematisch regelmäßig geprüft, bevor überhaupt eine Prüfung unter Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten nach § 45 Abs. 2 S. 3 i. V. m. Abs. 4 S. 1 SGB X geprüft werden. Es hätte diese Frist dann als sechste Konstellation des Katalogs der Verwirkungstatbestände für eine sachlich-​rechnerische Berichtigung aufgelistet. Es hätte sich dann auch dazu positionieren müssen, in welchem Verhältnis diese einjährige Ausschlussfrist zur von ihm selbst als allgemeingültig und starr geltenden vierjährigen Ausschlussfrist steht. Dass das BSG innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist jemals darauf abgestellt hat, welche Umstände fehlerhafter Abrechnung der Beklagten zu welchem Zeitpunkt bekannt gewesen sind, ist den bisherigen veröffentlichten Entscheidungen zu § 106a SGB V nicht zu entnehmen.

Da die einjährige Tätigkeitsfrist nicht anzuwenden ist, bedarf es auch keiner Entscheidung der Kammer, welche Funktion der Plausibilitätsausschuss innerhalb der Beklagten hat (Ausschuss im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 3 Satzung der Beklagten?), welche Kenntnisse er im Einzelfall hat und wie es zu bewerten ist, dass ständige Mitarbeiter der Beklagten in diesem Ausschuss sitzen, die den Vorstand von dem Ergebnis schon vor dem 8. Juni 2016 hätten berichten können.

Durchgeführt wurde eine Anlassprüfung im Sinne von § 7 Abs. 5 AbrechnPr-​RL. Anhaltspunkte für die Vermutung einer fehlerhaften Abrechnung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Solche sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zu Grunde liegt (§ 5 Abs. 1 S. 3 AbrechnPr-​RL). Rechtlich nicht ordnungsgemäß ist unter anderem insbesondere die Abrechnung von Leistungen, die nicht oder nicht vollständig erbracht wurden, § 6 Abs. 2 Spiegelstrich 2 AbrechnPr-​RL. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) genannte Leistungen bzw. Leistungskomplexe dürfen nur dann abgerechnet werden, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Ziffer 2.1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM ab 1. Januar 2011 bzw. 1. Oktober 2013).

Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger alle GOP 03212, 01415 und 35110 EBM EBM-​konform abgerechnet hat. Allein aus der Notiz einer EBM-​Position in der Karteikarte lässt sich nicht entnehmen, dass alle Leistungsvoraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben. Der EBM ist kein Abkürzungsverzeichnis für ärztliche Leistungen, sondern bestimmt den Katalog abrechnungsfähiger ärztlicher Leistungen (§ 87 Abs. 1, 2 SGB V. Wenn der EBM keine Dokumentationspflicht als obligaten Leistungsinhalt einer GOP festlegt, kann zwar eine fehlende Dokumentation allein nicht dazu führen, dass eine sachlich-​rechnerische Korrektur vorgenommen werden kann. Die Dokumentationspflicht des § 57 BMV-​Ä gilt jedoch unabhängig von der Frage, ob eine Dokumentation obligater bzw. fakultativer Leistungsinhalt ist oder von einer EBM-​Ziffer gar nicht gefordert wird. Wenn Zweifel daran bestehen, dass alle Abrechnungsvoraussetzungen vorliegen, hat der Arzt diese anhand der Dokumentationen im Sinne von § 57 BMV-​Ä nachzuweisen.

Die beispielhaften Behandlungsscheine in der Verwaltungsakte zeigen, dass die Chronikerziffer 03212 EBM nicht regelmäßig in jedem Quartal abgerechnet wurde oder nicht jedes Mal chronische Erkrankungen im Sinne der GOP 03212 EBM dokumentiert wurden oder kein zweiter Besuch des Patienten erfolgte. Für die Kammer steht daher fest, dass diese GOP nicht in jedem Fall korrekt abgerechnet wurde. Selbst wenn das vom Kläger verwendete Programm medisoft bestimmte Eingaben nicht zulassen würde – was die fachkundig besetzte Kammer bezweifelt – so entlasten eventuell für den Praxisalltag unzulänglich ausgerichtete Programme den Vertragsarzt nicht von der Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung (BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B; Urteil vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 44/17 R, Rz 22 bei juris).

Wenn die GOP 35110 EBM abgerechnet wird, ist die Dokumentation zu erwarten, welche Beschwerden als psychosomatisch identifiziert wurden und welche Gesprächstechnik angewandt wurde, um verbal zu intervenieren. Diese Erwartungshaltung liegt in den Regelungen in der Psychotherapierichtlinie (§§ 24, 25) und der nach §§ 5 Abs. 6 der Psychotherapie-​Vereinbarung erforderlichen Weiterbildung für die Durchführung der verbalen Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen mit den dort genannten Weiterbildungsinhalten begründet. Die Dokumentationen Blatt 328 bis 468 für die von der Beklagten namentlich benannten Versicherten lassen nach Durchsicht der Kammer keinesfalls in jedem der Fälle erkennen, dass der Kläger eine verbale Intervention bei psychosomatischer Grundversorgung durchgeführt hat. So ist bei nur sehr wenigen Dokumentationen überhaupt erkennbar, dass organisch nicht erklärbare Beschwerden psychisch bedingt sein könnten bzw. sind. Ausführlicher ist lediglich beispielsweise die Dokumentation Bl. 427 – 429. Auch in den Fällen, in denen ua eine psychische Erkrankung als Diagnose genannt wird, wird nicht deutlich, zu welchen körperlichen Beschwerden diese führten oder umgekehrt (z. B. Bl. 454, 457, 463, 430, 364). Für eine Vielzahl von Dokumentationen ist für das Quartal I/2013 überhaupt nicht erkennbar, dass die Beschwerden nur psychosomatisch sein könnten, insbesondere wenn ein Patient einmalig oder maximal zweimalig wegen eines Infekts oder anderer Anlässe in der Praxis erschien (so z. B. Bl. 461, 462, 455, 369, 371, 372, 353). Der Kläger räumte im Übrigen ein, die Ziffer als Quartalsziffer missverstanden zu haben. Für die Kammer steht fest, dass die GOP 35110 als quartalsweise Gesprächsziffer fehlinterpretiert und nicht in jedem Fall korrekt abgerechnet wurde.

Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht alle abgerechneten dringenden Besuche der GOP 01411 EBM und GOP 01415 EBM korrekt abgerechnet hat. Sie hat – ebenso wie die Beklagte - insbesondere Zweifel daran, dass in jedem der abgerechneten Fälle eine auf der Erkrankung beruhende Dringlichkeit vorlag. Ein dringender Besuch eines Patienten in einem Alten-​/Pflegeheim, sofort (01411) oder noch am Tag der Bestellung (01415) ausgeführt, setzt voraus, dass der Patient am Tag des Besuchs angerufen hat und neben der krankheitsbedingt fehlenden Wege- oder Transportfähigkeit eine Dringlichkeit gerade aufgrund der Erkrankung vorliegt.

Die GOP 01411 und 01415 EBM sind auch berechnungsfähig, wenn sich – gelegentlich – herausstellt, dass trotz der Symptome und der Schilderung des Patienten keine Dringlichkeit gegeben ist (Kölner Kommentar zum EBM (Köhler/Hess) zu GOP 01411). Die Kammer teilt jedoch die Einschätzung der Beklagten, dass es unwahrscheinlich ist, dass für jeden Fall der abgerechneten GOP 01411 oder 01415 EBM im Vorwege eine Dringlichkeit gerade aufgrund der Erkrankung vorlag bzw. kommuniziert wurde. Das würde voraussetzen, dass regelmäßig weder die Bewohner und deren Angehörige noch die Pflegefachkräfte die Dringlichkeit aufgrund der Erkrankung einschätzen konnten. Ferner ist es darüber hinaus unwahrscheinlich, dass sich die Erkrankungszustände der Betroffenen geradezu darauf eingestellt haben, regelmäßig an den institutionalisierten Hausbesuchstagen Montagnachmittag und Mittwoch akute Behandlungsbedürftigkeit auszulösen. Dagegen spricht auch, dass die befragten Einrichtungen von regelmäßigen Besuchszeiten berichten und das D-​Pflegeheim sogar von wöchentlichen Visiten spricht. Aber auch die Auswertung der Unterlagen Bl. 151 bis 175 der Verwaltungsakte zeigt, dass eine Mehrzahl von Patienten regelmäßig wöchentlich an einem bestimmten Wochentag – Montag oder Mittwoch – aufgesucht wurde und dafür die 01411 oder 01415 abgerechnet wurde. Wenn die Patienten sich regelmäßig am Montag oder am Mittwoch melden, weil diese Tage zu Hausbesuchstagen institutionalisiert wurden und diese allen bekannt sind, wird der Besuch zwar noch am Tag der Bestellung ausgeführt. Der Besuch wird aber nicht dadurch dringend, dass die Patienten um die institutionalisierten Hausbesuchstage wissen und daher erst am Montag oder Mittwoch anrufen, um ihren Bedarf oder Wunsch für diesen Tag anzukündigen.
37 Die Heimbesuche werden auch nicht per se dadurch dringend, dass die Patienten in einem Heim wohnen und die Praxis nicht mehr aufsuchen können, so dass es notwendig ist, dass der Arzt zu ihnen kommt. Die krankheitsbedingt fehlende Wege- oder Transportfähigkeit dieser Patienten wird bereits dadurch berücksichtigt, dass auch Besuche – außerhalb der Praxisräume – an sich als Leistung anerkannt und mit der GOP 01410 EBM vergütet werden. Der dringende Bedarf muss sich vielmehr aus der Erkrankung selbst heraus ergeben. Wenn ein Besuch zwar aufgrund der Erkrankung durchgeführt wird, der Arzt jedoch allein deshalb sofort bzw. noch am Tag der Bestellung den Patienten aufsucht, weil sich der Zeitpunkt gerade als günstig erweist oder sich in den organisatorischen Ablauf der Praxis- und Besuchstätigkeit einfügt, dann sind weder die GOP 01411 noch die GOP 01415 EBM berechnungsfähig (Kölner Kommentar zum EBM (Köhler/Hess) zu GOP 01411). Gleiches gilt, wenn institutionalisierte Hausbesuchstage durchgeführt werden. Zwar kann es auch an diesen Tagen vorkommen, dass der Arzt sich aufgrund der Anrufe einen Zeitplan gemacht hat und er diesen konkret unterbrechen musste, weil ein im Sinne von 01411 dringender Fall dazwischenkam. Aber das gilt es dann zu dokumentieren.

Für die Kammer steht damit fest, dass nicht jede GOP 01411 EBM und auch nicht jede GOP 01415 EBM zutreffend abgerechnet wurde, da nicht in jedem Fall alle Voraussetzungen, insbesondere nicht eine krankheitsbedingte Dringlichkeit, vorlagen.

Der Kläger hat wenigstens grob fahrlässig in der Abrechnungs-​Sammelerklärung fehlerhafte Angaben insoweit gemacht, als er mit der Unterschrift bestätigt hat, jeweils alle Voraussetzungen für die Abrechnung der jeweiligen Leistungen eingehalten zu haben.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verwirkung der Korrekturmöglichkeit bzw. einen Vertrauensschutz berufen, da keine der nachfolgend genannten Fallgruppen einschlägig ist. Das Bundessozialgericht hat die Berufung auf Verwirkung bisher in fünf Konstellationen anerkannt (Auflistung zitiert aus dem Urteil vom 08.02.2006, Az. B 6 12/05 R): „Das ist zunächst der Fall, wenn die besonderen bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften nicht mehr anwendbar sind, weil (1) die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist, oder soweit (2) die K(Z)ÄV ihre Befugnis zu sachlich-​rechnerischer Richtigstellung nach den Bundesmantelverträgen bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertrags(zahn)arztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-​rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte. Darüber hinaus ist auch bei Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertrags(zahn)ärzte zu beachten, wenn (3) die K(Z)ÄV es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung hinzuweisen und dadurch schützenswertes Vertrauen bei den Vertrags(zahn)ärzten hervorgerufen wurde, oder wenn sie (4) die Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hatte, diese später jedoch für den betroffenen Vertrags(zahn)arzt als fachfremd beurteilt und deshalb insgesamt von einer Vergütung ausschließt. Außerdem ist eine nachträgliche Korrektur von Honorarbescheiden mit Wirkung ex tunc aus Gründen des Vertrauensschutzes auch eingeschränkt, wenn (5) die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen und deshalb die besonderen Funktionsbedingungen des Systems vertrags(zahn)ärztlicher Honorierung nicht konkret tangiert sind (zB im Bereich des Vollzugs der Vorschriften zum degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung).“

Der Honorarbescheid für das Quartal I/2013 wurde Mitte Juli 2013 erlassen, so dass die Vierjahresfrist Mitte Juli 2017 endete. Der streitige (Ausgangs-​)Bescheid ist bereits am 4. Mai 2017 und daher innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist ergangen. Auch für die Quartale II/2013 bis I/2016 wurde die Ausschlussfrist im Mai 2017 gewahrt.

Die Beklagte hat ihre Befugnis zur Korrektur für diese streitigen Quartale noch nicht verbraucht. Die Kammer teilt nicht die Einschätzung des Klägers, dass eine Plausibilitätsprüfung für bestimmte Quartale mit anschließender sachlich-​rechnerischer Korrektur für bestimmte Quartale – hier I/2009 bis IV/2012 – zu einem Verbrauch der Korrekturmöglichkeit für nachfolgende Quartale führt. Insbesondere kann eine Prüfung vorheriger Quartale verbunden mit einer Korrektur für diese Quartale nicht dazu führen, dass die Beklagte nachfolgende Quartale nur bezogen auf bestimmte GOP des EBM prüfen und korrigieren darf. Dann wäre ein Vertragsarzt, der beispielsweise im sechsten Jahr seiner Tätigkeit geprüft wird, bis zum Ende seiner vertragsärztlichen Tätigkeit davor geschützt, dass seine Abrechnungen nicht mehr weitergehend geprüft werden. Eine solche Folge lässt sich § 106a SGB V nicht entnehmen. Der Verbrauch einer Korrekturmöglichkeit bezieht sich lediglich auf ein bestimmtes Quartal (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R, Rz 35). Es ist daher nicht ersichtlich, warum Vertrauensschutz in eine überdurchschnittlich häufige Abrechnung gesetzt werden kann, wenn diese in einem Verfahren nicht einmal thematisiert wurde. Dass der Kläger im Übrigen seine Besuchstätigkeit im Laufe der Quartale änderte, ergibt sich im Übrigen aus der Aufstellung Blatt 205 für die GOP 01415.

Rechtsfolge einer Abrechnungsauffälligkeit ist, dass die Beklagte im Fall einer grob fahrlässig falschen Abrechnungs-​Sammelerklärung ein weites Schätzungsermessen für die Berichtigung der Honorarabrechnungen hat (siehe nur BSG, Urteil vom 17. September 1997, Az. 6 RKa 86/95, Rn 23 bei juris). Diese Rechtsprechung des BSG, die noch zur sachlich-​rechnerischen Berichtigung auf der – alleinigen - Grundlage des BMV-​Ä – und damit zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2004 bzw. 2005 – ergangen ist, kann auf die nunmehr in § 106a SGB V a. F. bzw. ab 1. Januar 2017 § 106d SGB V geregelte Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-​rechnerischen Berichtigung übertragen werden (so auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. November 2014, L 4 KA 2/11, Rn 56 bei juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. März 2015, L 12 KA 25/13, Rn 17ff bei juris; Landessozialgericht Niedersachsen-​Bremen, Urteil vom 8. Juni 2016, L 3 KA 28/13, Rn 49 bei juris; Clemens in Hauck/Noftz, SGB V, § 106a Rn 236; Schleswig-​Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 13. Juni 2017, L 4 KA 16/14), da § 106a SGB V die vormals nur untergesetzlich geregelte sachlich-​rechnerische Berichtigung nunmehr auch im SGB V verankert.

Diese Schätzung des neu festzusetzenden Honorars eröffnet der KV jedoch keinen der Gerichtskontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen. Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu Eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6RKa 86/95, Rn 28 bei juris). Naturgemäß ist im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht abschließend feststellbar, welche der abgerechneten Leistungen mängelbehaftet sind, während gleichzeitig feststeht, dass die Gesamtheit der abgerechneten Leistungen so nicht erbracht worden sein kann (Landessozialgericht Berlin-​Brandenburg, 25. März 2015, L 7 KA 19/12). Wenn keine realitätsnähere Schätzungsgrundlage vorliegt, die für den Arzt günstiger ist, kann das Gericht die Schätzung der Kassenärztlichen Vereinigung übernehmen.

Mögliche Folge einer festgestellten fehlerhaften Abrechnung kann die Kürzung der Vergütung für die streitigen Leistungen auf den Fachgruppendurchschnitt sein (BSG, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, Rn 23 bei juris). Das gilt nicht nur für die Schätzung des für ein Quartal insgesamt zustehenden Honorars über alle Leistungen hinweg sondern auch für die Kürzung des Honoraranspruchs für bestimmte abgerechnete GOP des EBM. Auch einzelne GOP können auf den Fachgruppendurchschnitt oder ein vielfaches des Fachgruppendurchschnittes gekürzt werden. Das Vielfache des Fachgruppendurchschnitts kann sich daraus ergeben, dass der Anteil richtig abgerechneter GOP ermittelt wird, indem eine repräsentative Anzahl von Dokumentationen gesichtet, der korrekt abgerechnete Anteil bestimmt wird und sodann die Gesamtanzahl der abgerechneten Leistungen auf den bei der Stichprobe als korrekt festgestellten Anteil gekürzt wird. Das Kürzungsergebnis kann dann höher sein als die Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt und auf diese Weise mehr Einzelfallplausibilität sicherstellen. Diese – aufwändige – intellektuelle Einzelfallprüfung ist jedoch nicht zwingend für jede GOP geboten. Welches Schätzungsermessen ausgeübt wird, kann sich auch daran orientieren, worauf die gehäufte fehlerhafte Abrechnung beruht.

Die Kammer macht sich für die streitigen GOP 35110 EBM, GOP 03212 und die Besuchsleistungen die Ausführungen in den Bescheiden der Beklagten zu Eigen und nimmt auf diese nach § 136 Abs. 3 SGG Bezug. Ergänzend ist auszuführen, dass für die GOP 35110 EBM kein anderes Kürzungsvolumen heranzuziehen war. Sofern der Kläger die Kürzungsquote von 25 % angewandt wissen möchte, die für I/2009 bis IV/2012 angewandt wurde, so kann die Kammer aus den für das Quartal I/2013 eingereichten Unterlagen nicht erkennen, dass näherungsweise in einem solchen Anteil der eingereichten Unterlagen die Abrechnung der GOP 35110 EBM gerechtfertigt erscheint. Für die Kammer war nicht ersichtlich, warum diese Quote gleichwohl hätte übertragen werden müssen. Daher hat die Kammer ein solches Schätzungsermessen nicht selbst ausgeübt. Für die GOP 03212 EBM liefert auch der vom Kläger herangezogene höhere Altersdurchschnitt einer ländlichen Bevölkerung keine Anhaltspunkte für eine andere Schätzungsgrundlage, in welchem Umfang der Kläger Patienten mit chronischen Erkrankungen in seiner Praxis tatsächlich ein zweites Mal behandelt hat. Die Beklagte hat eventuelle Zweifel an der statistischen Verbreitung der Besuchsziffern im Fachgruppendurchschnitt ausgeräumt.

Ausgehend von dem von der Beklagten errechneten und von der Kammer übernommenen Kürzungsvolumen ist die Berechnung des Korrekturbetrages in Euro für die GOP 35110 EBM, die GOP 03212 EBM und die Besuchsleistungen nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat für die Besuchsleistungen die budgetierte und die extrabudgetäre Vergütung, die nicht in allen Quartalen identisch war, beachtet. Die Beklagte hat für die gekürzten und im Honorarbescheid budgetiert vergüteten Leistungen quartalsweise den praxisindividuellen Mischpunktwert aus dem Quotienten aller erbrachten budgetrelevanten Leistungen in Punkten und dem Honorar ermittelt und diesen mit dem Kürzungsvolumen in Punkten multipliziert. Dieses Vorgehen entspricht der Rechtsprechung des BSG in dessen Entscheidungen vom 11. März 2009, B 6 KA 62/07, Rn 17 bei juris und vom 24. Oktober 2018, B 6 KA 44/17 R Rn 26 bei juris, und berücksichtigt § 106a Abs. 2 S. 6 SGB V. Danach ist bei den Prüfungen von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen. Auch unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter Rn 25 bis 29 der Entscheidung vom 11. März 2009 ist diese Vorgehensweise im Fall des Klägers nicht unverhältnismäßig. Das BSG geht davon aus, dass ausnahmsweise nicht die Anerkennungsquote der Honoraranforderung herangezogen werden kann, sondern diejenige nach der vorgängigen und ausnahmsweise auch nach der nachgängigen Korrektur. Eine solche Ausnahmekonstellation könne sein, dass der Beklagten die fehlerhafte Abrechnung offensichtlich auffallen konnte oder sie die fehlerhafte Abrechnung mit verursacht hat. Beide Konstellationen liegen für die streitigen Ziffern nicht vor. Die Kammer teilt nicht die Einschätzung der 16. Kammer in seiner Entscheidung vom 7. November 2018.

Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass der Beklagten die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung der Chronikerziffer 03212 bereits vor Erlass des Honorarbescheides hätte ins Auge springen müssen. Die Kammer sah keine Verpflichtung der Beklagten, mittels der Regelwerksprüfung neben der Kontrolle der Abrechnung fachfremder Leistungen, der Beachtung der Abrechnungsausschlüsse für die gleichzeitige Abrechnung bestimmter Leistungen nach dem EBM und weiterer pauschalisierender Abrechnungshindernisse (z. B. fehlende Genehmigung) auch für diese – oder andere – EBM-​Leistungen das Regelwerk so zu programmieren, dass auch die Einhaltung obligater Leistungsinhalte sogleich mit der Regelwerksprüfung geprüft werden kann. Zwar hat die Beklagte eingeräumt, dass EDV-​technisch die Prüfung möglich gewesen wäre, ob ein zweiter Arzt-​Patientenkontakt stattgefunden hat, bei dem wenigstens die Pseudoziffer 99090 angesetzt worden ist. Angesichts der von ihr beschriebenen Unwägbarkeiten – keine Verpflichtung der Ärzte, diese Ziffer für die Dokumentation eines Kontakts zu verwenden - würde eine solche Verpflichtung bei einer pauschalen Regelwerksprüfung und –kürzung jedoch auch zu Ungenauigkeiten und ungerechtfertigten Kürzungen bereits im Honorarbescheid geführt haben. Die Kammer berücksichtigt dabei auch, dass in erster Linie den Arzt die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung trifft und er sich später bei einer nachgehenden Korrektur nicht darauf zurückziehen kann, die Beklagte müsse – quasi zu seinem Schutz vor einer späteren Korrektur - eine optimale Regelwerksprüfung bereits vor dem Erlass des Honorarbescheids durchführen, um – zu seinem Schutz - eine möglichst große Anzahl von Fehlern vorab auszumachen. Diese mag erwartet werden können, wenn sie eine zuverlässige Treffsicherheit aufweist. Das ist bei der Abrechnung fachfremder Leistungen und bei Abrechnungsausschlüssen der Fall, nicht jedoch für die Prüfung obligater Leistungsinhalte.

Auch für die GOP 35110 EBM hatte die Beklagte – entgegen der Auffassung der 16. Kammer und des Klägers – keine kombinierte Tageszeitprofilprüfung mit statistischer Auffälligkeit bereits vor Erlass des Honorarbescheids durchführen müssen, um ein Missverständnis aufzudecken. Zwar hätte ihr dann die gehäufte Abrechnung beim Erstkontakt auffallen können. Eine Kürzung wegen auffälliger Tageszeitprofile bereits im Honorarbescheid würde jedoch eine intellektuelle Einzelfallprüfung erfordern, da erst durch eine weitergehende Prüfung erkennbar ist, welche Ziffer das auffällige Tageszeitprofil verursacht und worin der Fehler liegt. Es ist daher nicht ohne weiteres erkennbar, welches Kürzungsmaß angemessen erscheint. Angesichts dessen, dass die Ziffer 35110 EBM eine verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen erfordert und eine Genehmigung für die Erbringung und Abrechnung dieser Leistungen vorliegen muss, die erst erteilt wird, wenn die erforderliche Weiterbildung nachgewiesen wird und eine Mindestkontaktzeit obligater Leistungsinhalt ist, muss einem Vertragsarzt auch so klar sein, dass die GOP 35110 EBM keine allgemeine Gesprächsziffer ist. Da das vom Kläger erwähnte Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten nicht verifizierbar ist, kann auch im Einzelfall nicht aufgeklärt werden, welchen Gesprächsinhalt das Telefonat hatte und wer welchem Missverständnis aus dem Gespräch heraus unterlag. Zu bedenken ist auch hier, dass die Pflicht des Vertragsarztes zur peinlich genauen Abrechnung als wesentliches Element der vertragsärztlichen Versorgung in dem von gegenseitigem Vertrauen geprägten Bereich ausgehöhlt werden würde, wenn der Kassenärztlichen Vereinigung diese umfangreiche Prüfung der Einhaltung obligater Leistungsinhalte sogleich nach Einreichung der Abrechnung und vor dem Honorarbescheid obliegen würde. Eine solche umfangreiche Fürsorgepflicht im Rahmen der Massenabrechnung der Honorarabrechnung lässt sich aus dem SGB V nicht ableiten.

Es war auch nicht aus grundsätzlichen Erwägungen der Mehrleistungspunktwert heranzuziehen. Wenn die streitigen Leistungen sogleich in einem gewissen Umfang gekürzt worden wären, dann wären insgesamt weniger Leistungen in Punkten in den Mehrleistungsbereich gefallen. Der Kläger hätte dadurch für weniger Leistungen nur den Restpunktwert erhalten. Insgesamt wäre – bei einer durchschnittlichen Betrachtung – seine Vergütung pro Punkt zu einem höheren praxisindividuellen durchschnittlichen Punktwert erfolgt.

Es liegt auch keine systematische Ungleichbehandlung darin, dass im Fall einer sachlich-​rechnerischen Korrektur sogleich mit dem Honorarbescheid eine Kürzung vorgenommen werden würde, die dazu führte, dass Leistungen im Mehrleistungsbereich gestrichen werden würden und somit in diesem Fall der Korrektur im Honorarbescheid das „Kürzungsvolumen“ in Euro sogleich mit dem Mehrleistungspunktwert gestrichen werden würde. Diese Betrachtung führte nicht zu einer anderen Berechnung des Kürzungsvolumens. Denn es ist zu bedenken, dass die sachlich-​rechnerische Korrektur sogleich mit der Honorarabrechnung dazu führt, dass die gestrichenen Leistungen gar nicht erst vergütet werden. Für diese gestrichenen Leistungen werden keine Punkte in die budgetrelevant abgerechnete Punktmenge eingestellt. Das führt dazu, dass dem Budget ein insgesamt geringeres Punktzahlvolumen gegenübersteht als mit den gestrichenen Leistungen, so dass der Restpunktwert für ein insgesamt geringeres Volumen in Punkten zum Tragen kommt, während der Anteil der zum Orientierungswert vergüteten Punkte durch das Budget identisch bleibt. Auch hier stellt sich die Frage, warum dann gerade die gestrichenen Leistungen – an welchem Tag auch immer sie erbracht wurden – in den Mehrleistungsbereich gefallen wären. Vielleicht hat ein Vertragsarzt eine Leistungslegende einer GOP nur im ersten Monat des Quartals missverstanden und bereits ab dem zweiten Monat sein Abrechnungsverhalten umgestellt. Dann wären diese Leistungen, bei einer temporären Betrachtung und bei der Betrachtung danach, wann das Budget „voll“ ist, noch innerhalb des Budgets erbracht worden, die richtig erbrachten Leistungen am Ende des Quartals jedoch zum Mehrleistungspunktwert. Diese logischen Überlegungen zeigen, dass letztlich auch bei einer Korrektur im Honorarbescheid selbst für alle vergüteten Leistungen in Punkten pro Punkt ein Mischpunktwert aus Orientierungswert und Mehrleistungs- oder Restpunktwert zur Auszahlung gelangt. Allerdings ist dieser Mischpunktwert im Fall einer Korrektur von Leistungen im Honorarbescheid selbst höher als wenn auch die fehlerhaft erbrachten Leistungen zunächst vergütet werden. Denn durch die sogleich verringerte Punktmenge fallen weniger Punkte in den Mehrleistungsbereich, so dass der Durchschnitts- oder Mischpunktwert als durchschnittlicher Auszahlungspunktwert höher ist. Die Differenzierung zwischen einer Vergütung von Leistungen innerhalb des Volumens und außerhalb des Volumens und die Vergütung von Leistungen noch zum Orientierungswert und später zum Mehrleistungspunktwert ist letztlich eine idealistische Betrachtungsweise, die praktisch bei der Vergütung und der Auszahlung keine greifbare Bedeutung erlangt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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