(1.10.2019) Vor Gericht oder auf einem Amt erscheinen zu müssen, ist unangenehm, kann zu Kollisionen mit anderen Terminen führen oder aus anderen Gründen unpassend sein. Wer den Termin aus gesundheitlichen Gründen vertagen möchte, muss ein Attest vorlegen. Was aber, wenn man selbst Arzt ist? Kann sich der Arzt dann selbst entschuldiigen und wenn ja, worauf muss er dabei achten? Dies beleuchtet ein aktueller Beschluß des Bundessozialgerichts (Beschluß vom 3.4.2019 - B 6 KA 30/18 B).

Wie kann sich Arzt selbst krankmelden?Der Fall:

Hier wollte sich ein Arzt selbst entschuldigen, indem er dem Gericht schrieb der habe eine akute Myokardinsuffizienz. Weiter sagte er, er sei selbst "subjektiv überzeugt" dass er verhandlungsunfähig ist. 

Die Entscheidung:

Das reichte den Gerichten nicht. Das BSG sagt dazu, dass Vertagungsanträge, die mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers oder seines Bevollmächtigten begründet werden, so abgefasst sein müssen, dass das Gericht die Verhandlungsunfähigkeit ohne Weiteres erkennen kann. Dem genüge der Hinweis auf eine „akute Myokardinsuffizienz“ nicht. Dass der Arzt daran leide, besage für sich genommen nichts dazu, ob er in der Lage ist, einen Gerichtstermin wahrzunehmen. Hier muss also der Arzt näher ausführen, warum die Erkrankung seine Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigt, so z.B. seine Konzentrationsfähigkeit oder seine Fähigkeit zu sprechen oder zuzuhören. Das Gericht wies auch darauf hin, dass sich der Arzt ja auch auf den seit längerem bekannten termin hätte vorbereiten können, indem er eine hinreichend informierte und bevollmächtigte Vertretung sicherstellt.

Weiter führte das BSG aus: Würde ein Gericht das Vorbringen eines Arztes, er habe von seiner Verhandlungsunfähigkeit an einem bestimmten Tag "subjektiv überzeugt sein dürfen", anerkennen und somit seinen Antrag auf Vertagung der Verhandlung entsprechen, so liefe das darauf hinaus, dass zumindest ein Arzt, der an einer chronischen Erkrankung leidet, kurzfristig die Aufhebung jedes Gerichtstermins erreichen könne, ohne nähere Angaben zu den genauen Auswirkungen der Erkrankung am fraglichen Tag zu machen und dem Gericht auch nur die Möglichkeit einer Überprüfung zu geben. 

Von der Notwendigkeit der Spezifizierung der gesundheitlichen Beeinträchtigung im Hinblick auf die Unfähigkeit, einen Gerichtstermin wahrzunehmen, ist der klagende Arzt auch nicht deshalb freigestellt, weil er selbst Arzt ist. Will ein Arzt sich selbst entschuldigen, müsse er nähere ärztliche Befunde beifügen. Denn insoweit würden für einen Arzt keine anderen Anforderungen an die Darstellungstiefe gelten als sie an eine sonstige ärztliche Bescheinigung gestellt werden, die von einem anderen Arzt verfasst wird.

Praxisanmerkung:

Maßgebliche Vorschrift ist hier § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Es ist durchaus sinnvoll, sich von einem Kollegen Verhandlungsunfähigkeit attestieren zu lassen, anstatt dies selbst zu tun. Aber auch an das Attest des Kollegen gelten strenge Anforderungen: Die Krankheit muss beschrieben werden ebenso wie der Schweregrad und deren Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit, sprich auf die Fähigkeit, einer Verhandlung konzentriert zu folgen, Fragen zu stellen oder zu beantworten. Es ist der sicherste Weg, wenn der geladene Arzt auch noch einen weiteren (aktuellen!) Arztbrief oder Befundbericht beifügt, um das Attest zu untermauern.

Ähnliche Regeln gelten bei der Befreiung vom Bereitschaftsdienst: Auch hier muss in dem Attest im Einzelnen dargelegt werden, inwieweit die Fähigkeit des Arztes, die Bereitschaftsdienste zu erbringen, durch die Erkrankung (dauerhaft) eingeschränkt ist. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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