(2.2.2020) Bewerben sich zwei Ärzte um einen ausgeschriebenen Kassenarztsitz für eine Arztpraxis, so kommt es immer wieder vor, dass der Praxisabgeber einen "Wunschkandidaten" hat, den er dem anderen Bewerber vorzieht, zum Beispiel indem er mit diesem bereits früh einen Praxisübergabevertrag abschließt. Im vorliegenden Fall entstand daher Streit zwischen dem anderen Bewerber und dem Praxisabgeber. Der Zulassungsausschuss entschied sich daher letztlich für den Wunschkandidaten, weil mit diesem eine "reibungslose" Praxisübergabe gemöglich sei. Das Landessozialgericht Berlin Brandenburg (Urteil vom 13. November 2019 – L 7 KA 36/17) hielt diese Abwägung für rechtmäßig und wies die Klage des unterlegenen Bewerbers gegen den Nachbesetzungsbescheid als unbegründet ab. Bewerber sollten also offenen Streit mit dem Praxisabgeber vermeiden und bei den Verhandlungen mit diesem sachlich bleiben.
(28.1.2020) Bei einem Kaiserschnitt nach Beginn des Geburtsvorgangs besteht ein deutlich erhöhtes Risiko einer Verletzung der Blutgefäße der Gebärmutter und damit einer unkontrollierbaren, letztlich tödlichen Blutung der Mutter. Entscheidet sich die Mutter in der laufenden (natürlichen) Geburt, einen Kaiserschnitt durchführen zu lassen, darf der behandelnde Arzt diesem Wunsch nur zustimmen, wenn er die personellen und organsiatorischen Mittel für eine dann möglicherweise auftretende Komplikation (Blutung der Gefäße der Gebärmuttrer) zur Verfügung hat (was hier nicht der Fall war, weil parallel einen weitere, problematische Geburt anstand, für die der Arzt zuständig war). In einer solchen Situation (plötzlicher Wunsch der Mutter nach Kasierschnittgeburt, eingeschränkte Ressourcen der Klinik, hohes Verletzungsrisiko der Gefäße der Gebärmutter), muss der behandelnde Arzt die Mutter deutlich und "hart" über die Gefahr des Todes aufklären, die mit dem medizinisch nicht indizierten Kaiserschnitt verbunden war (was hier nicht geschah). Insoweit sind die Aufklärungspflichten bei diesem Kaiserschnitt mit denen einer kosmetischen Operation vergleichbar (OLG Hamm, Urteil vom 10. Dezember 2019 – 26 U 2/18).
(20.1.2020) Der ärztliche Wettbewerb um Patienten wird nicht immer mit sauberen Mitteln geführt. Wie ein Kieferorthopäde sich erfolgreich gegen eine sachlich zweifelhafte Behandlung einer Berliner Firma wehrte, erzählt die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (Urteil vom 4.12.2019 – 34 O 33/19). Der Kieferorthopäde schickte dazu eine Testpatientin zu dem Wettbewerber und konnte so belegen, dass dieser Zahnschienen entgegen den medizinischen Standards vertreibt. Der Kieferorthopäde berichtete in einem Artikel, der in einer Zeitschrift eines ärztlichen Berufsverbandes erschien, über diese aus seiner Sicht unlautere Praxis der Firma. Die Klage der Firma gegen diesen Artikel wurde zurückgewiesen. In Folge des Urteils muss die Firma nun hinnehmen, dass der Kieferchirurg über ihre Praxis berichtet.
(16.1.2020) Die intensivmedizinische Komplexbehandlung (Kode 8-980 (OPS)) erforderlt eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation. Diese ist nicht gegeben, wenn ein Arzt auf der Intensivstation nicht durchgehend anwesend ist. Denn alle Mitgliedern des Teams und damit auch der auf der Intensivstation diensttuende Arzt müssen den aktuellen Gesundheitszustand aller Patienten der Intensivstation gleichzeitig kennen. Dazu muss der diensttuende Arzt in das Team der Intensivstation eingebunden sein, was nicht mehr der Fall ist, wenn im Nachtdienst und am Wochenende der diensthabende Anästhesist der Intensivstation auch mit der Aufgabe betraut ist, in Notfallsituationen bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes tätig zu werden. Deshalb muss die Klinik die entsprechenden Entgelte aus solchen Wochenenddiensten (rund 200.000 €) an die klagende Krankenkasse zurückzahlen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.7.2019 - L 10 KR 538/15).
(16.1.2020) Erneut beschäftigte sich ein Gericht mit einer ärztlichen Fernbehandlung und verbot eine Werbung zur Krankschreibung per whatsapp (Landgericht Hamburg, Urteil vom 3.9.2019, 406 HK O 56/19). Dabei betonte es die Gültigkeit des Grundatzes des Fernbehadlungsverbotes, das in der Musterberufsordnung der Ärzte in § 25 festgelegt ist. Während die Telemedizin in aller Munde ist, setzen die Gerichte dieser Behandlungsmethode regelmäßig enge rechtliche Grenzen.
(16.1.2020) Treten nach einer Impfung Beschwerden auf (hier: Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein), so sollte der Betroffene sofort zum Hausarzt gehen und diese Beschwerden untersuchen und feststellen lassen. Ansonsten wird es schwer für ihn, die Beschwerden als Impfreaktion und Impfschaden anerkennen zu lassen und eine entsprechende Entschädigung geltend zu machen, wie ein aktuelles Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts zeigt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. November 2019 – L 9 VE 22/18 ZVW).
(15.1.2020) Im Rahmen eines mir vorliegenden Falles prüfe ich, ob eine Haftung der Bayer AG nach § 84 AMG für Leberschäden wegen der Einnahme von Iberogast in Betracht kommt. Personen, die ebenfalls Iberogast eingenommen und dann Leberschäden erlitten haben, mögen sich unter
(11.1.2020) Der gesetzliche Anspruch der gesetzlich versicherten Patienten auf Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten ist weder abhängig von dem Erhalt eines wie auch immer definierten Gesundheitszustandes, noch wird dieser Anspruch durch das Überschreiten von Altersgrenzen begrenzt. Somit dürfen auch Palliativpatienten mit Leistungen zur Früherkennung behandelt werden (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 2019 – S 33 KA 393/15). Die Kassenaärztliche Vereinigung Hessen scheiterte daher mit dem Versuch, Hausärzten die Bezahlung der Früherkennungsleistungen zu streichen.
(9.1.2020) Viele Mietverträge über Praxisräume von Ärzten besitzen eine sogenannte Verlängerungsoption. Wenn der Arzt diese Option wählt, kann er den Mietvertrag verlängern, meist für einen Zeitraum von fünf Jahren. Dabei muss er aber sorgsam vorgehen, sonst scheitert die Verlängerung und der Arzt muss die Arztpraxis verlassen, wie eine aktuelle Entscheidung zeigt (Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Juni 2019 – 21 O 361/18). Im entschiedenen Fall hatte der Arzt den Vertrag zuerst nur mit einfachem Brief verlängert und hatte keinen schriftlichen Nachweis dafür, dass der Vermieter dieses Schreiben auch erhalten hatte. Nur mit Glück konnte er den Zugang nachweisen und somit in den Praxisräumen bleiben. Will der Arzt solche Probleme vermeiden, sollte er das Schreiben auf eine bestimmte Art den Vermieter übersenden.
(8.1.2020) Stellt sich ein Patient mit einem geröteten Auge bei einem Allgemeinarzt vor, besteht eine Verpflichtung zur Überweisung an einen Augenarzt nur, wenn aufgrund einer Untersuchung mit in der Hausarztpraxis zur Verfügung stehenden Mitteln und der Anamnese des Patienten der konkrete Verdacht auf eine Erkrankung des Auges oder einen eingedrungenen Fremdkörper besteht; solche lediglich unspezifischen Beschwerden rechtfertigen es, von einer Überweisung abzusehen und den Patienten zu einer Wiedervorstellung zu veranlassen (OLG Dresden, Beschlüsse vom 4. Juni und 8. August 2019 – 4 U 506/19).
(4.1.2020) Wendet der Arzt in einem Arzthaftungsprozess ein, dass der Patient aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hätte, dass ein Behandlungsfehler vorlag (§ 199 I Nr. 2 BGB), so ist zu Gunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht (Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 10.9.2019 - 8 U 43/17). Der Einwand des Arztes, der Arzthaftungsanspruch sei verjährt, führt damit selten zum Erfolg.
(30.12.2019) Ein Arzt ist grundsätzlich nur für sein Fachgebiet verantwortlich, er darf also auf sorgfältiges Arbeiten des jeweils anderen Arztes in dessen Fachgebiet vertrauen. Es besteht jedoch die Pflicht zur Koordination der beabsichtigten Maßnahmen durch gegenseitige Information und Abstimmung sowie zur Überprüfung auf Plausibilität und Klärung konkreter Zweifel. Solange also keine offensichtlichen Qualifikationsmängel oder Fehlleistungen erkennbar werden, darf der Arzt sich darauf verlassen, dass auch der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt, ohne dass insoweit eine gegenseitige Überwachungspflicht besteht. Gewichtigen Zweifeln hingegen muss der Arzt nachgehen. Der überweisende Arzt darf sich also in der Regel auf die Richtigkeit der von dem zugezogenen Facharzt erhobenen Befunde verlassen, muss dessen Befunde aber auf Plausibilität prüfen (Prinzip der horizontalen Arbeitsteilung). Daraus folgt, dass der überweisende Arzt grundsätzlich der (unauffälligen) Befundung durch den Radiologen folgen durfte, wenn diese nicht offensichtlich falsch oder unplausibel war (Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 16. Juli 2019 – 8 U 59/17).
- Es ist nicht fehlerhaft, wenn der Arzt die konservative Behandlung von Rückenbeschwerden fortführt (statt zu operieren), wenn die konservative Therapie immer wieder zu Besserungen der Beschwerden führte: OLG Dresden 22-11-2019
- Schönheitschirurgen klären Patienten oft falsch über Risiken der Schönheits-Operation auf, siehe OLG Dresden 04-10-2019
- Nachbesetzungsantrag eines MVZ scheitert, weil MVZ Anstellungsvertrag zu spät bei Zulassungsausschuss einreichte: LSG Niedersachsen-Bremen 23-08-2019
- Vom Notdienst befreite Ärzte bleiben befreit: SG Mainz 12-09-2018