(19.2.2024) Die Abrechenbarkeit der GOP 35100 und 35110 EBM erfordert keine codierte F-Diagnose. Der Arzt kann diese Leistungen auch dann nachweisen, wenn sie nicht mittels F-Diagnose codiert sind, wenn er der Prüfungsstelle die entsprechende Behandlungsdokumentation vorlegt, aus der sich eine funktionelle Störung und zugleich eine seelische Belastung des Patienten ergeben. GOP 35110 dürfe nicht fallbezogen geprüft werden von der Prüfstelle, weil diese Leistung auch mehrfach im Quartal erbracht werden könne (Sozialgericht Marburg, Urteile vom 31.1.2024 - S 17 KA 319/21 und S 17 KA 320/21).
(15.2.2024) Eine Online-Versandapotheke darf zwar Stammdaten, wie den Namen, die Anschrift und die Zahlungsinformationen verarbeiten. Daneben kann einzelfallbezogen auch das Geburtsdatum bzw. das Geburtsjahr verarbeitet werden, wenn dies im jeweiligen Fall erforderlich ist. Es ist einer Online-Versandapotheke aber aus Gründen des Datenschutzes untersagt, das Geburtsdatum und die Anrede bei allen Bestellvorgängen zu erfassen und zu verarbeiten, es sei denn, der Kunde hat dafür ausdrücklich seine Einwilligung erteilt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Januar 2024 – 14 LA 1/24).
(12.2.2024) Weiter streiten sich Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte über die Frage, welches Gericht denn nun zuständig ist für die Klagen der Betreiber von Corona-Testzentren auf Zahlung der austehenden Vergütungen von Corona-Tests nach der Testverordnung (TestV). Zwar hatte das Bundessozialgericht als höchstes Sozialgericht entschieden, dass die Verwaltungsgerichte zuständig seien (B 6 SF 1/23 R). Viele glaubten, damit sei der Streit der Gerichte beigelegt. Nun hat aber unter anderem das Verwaltungsgericht Hamburg genau andersherum entschieden (VG Hamburg, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 5 K 4395/23). Welche Auswirkungen hat dieser Streit für Betreiber von Testzentren, die ihre Testvergütung einklagen wollen?
(12.2.2024) Auch wenn keine rechtliche Pflicht zu einer bestimmten Diagnostik (hier: Fertigen eines CTG) bestand, muss der Arzt doch die Ergebnisse dieser durchgeführten Diagnostik (hier: CTG war auffällig) beachten und ihnen weiter nachgehen. Erkennt der Arzt einen Befund (hier Bandbreite von 25 Schlägen pro Minute), ordnet diesen aber (fälschlicherweise) als nicht auffällig ein, so liegt (nur) ein Diagnoseirrtum des Arztes vor, nicht aber ein (schwerwiegenderer) Diagnoseirrtum. Unterläßt der Arzt in Folge eines (einfachen) Diagnoseirrtums aber weitere Diagnostik, so darf dies wegen der Sperrwirkung des Diagnoseirrtums nicht als (zusätzlicher) Befunderhebungsfehler gewertet werden. Ist der Diagnoseirrtum dagegen allerdings als grob einzuschätzen, so greift diese Sperrwirkung nicht ein, so dass in der Folge doch ein grober Fehler vorliegt. Im Ergebnis haftete die Gynäkologin für den Hirnschaden des Kindes vollumfänglich (OLG München, Urteil vom 25. Januar 2024 – 24 U 2058/22).
(7.2.2024) Ein pauschaler Vortrag des von dem Regress betroffenen Arztes, mehr Patienten mit bestimmten (psychosomatischen) Erkrankungszuständen zu behandeln als andere Praxen, reicht regelmäßig nicht aus, um sich gegen einen Regress zu verteidigen - dazu muss der Arzt detailliert und unter Beifügung von Belegen vortragen. Auf Vertrauensschutz kann sich ein Arzt nur berufen, wenn die Prüfstelle ihm schriftlich mitgeteilt hätte, in welchem Umfang er bestimmte Leistungen nunmehr oder in Zukunft als wirtschaftlich erbracht angesehen werden könnten - und dies war vorliegend nicht geschehen (Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.11.2023 - L 4 KA 5/22).
(2.2.2024) Tritt während einer Anästhesie unter maschineller Beatmung eine Sauerstoffunterversorgung der Patientin ein (Blutsauerstoffgehalt von weniger als 40%), so hat der Anästhesist die Patientin von der maschinellen Beatmung zu trennen und ein anderes funktionierendes Beatmungsgerät einzusetzen oder erforderlichenfalls eine Mund-zu-Tubus-Beatmung durchzuführen. Tut er dies nicht und verläßt sich trotz eingetretener Hypoxie-Anzeichen auf die Richtigkeit der Angaben des Beatmungsgerätes, die eine ausreichende Sauerstoffsättigung anzeigen, so haftet er der Patientin, die infolgedessen einen Hirnschaden erlitten hat, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (Oberlandesgericht München, Endurteil vom 25.01.2024 – 24 U 2706/19).
(29.1.2024) Der Apothekerin wurden mehrere Verstöße gegen Vorschriften des BtMG in Gestalt der nicht ordnungsgemäßen Nachweisführung vorgeworfen. Dieser Verstoß gegen Vorschriften, die in erster Linie der Überwachung des BtM-Verkehrs und im Fernziel dem Gesundheitsschutz dienen, ist für sich allein genommen aber nicht ausreichend, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine konkrete Gesundheitsgefahr zu begründen (im Sinne dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, § 64 Abs. 4 Nr. 4 AMG) und damit eine vorläufige Schließung der beiden Apothekenfilialen der Apothekerin zu rechtfertigen (Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 2.1.2024 - M 26b E 23.5834).
(24.1.2024) Eine Augenärztin, die mit einer 35%igen Honorarbeteiligung in einer Privatpraxis tätig ist und dort kein unternehmerisches Verlustrisiko trägt, ist abhängig beschäftigt (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2023 - B 12 R 10/21 R).
(23.1.2024) Das Fehlen der Bestätigung der getesteten Person über die Durchführung des Tests gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 TestV führt zur Mangelhaftigkeit der für eine korrekte Abrechnung der Testleistungen notwendigen Dokumentation. Diese Bestätigung kann entweder auf Papier oder in elektronischer Form wie zum Beispiel durch Abruf der Testergebnisse erfolgen. Der Betreiber eines Corona-Testcentrums muss sich auch an den von ihm vorgelegten Abrechnungen festhalten lassen - er kann die Abrechnungen weder im Widerspruchsverfahren noch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes korrigieren oder nachreichen. Da bei der Abrechnung von Corona-Testleistungen die Regeln über die des Abrechnungswesens von Leistungserbringern im Medizinsektor gelten, hat ein Verstoß des Leistungserbringers gegen die Abrechnungsbestimmungen in der Regel auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge (Verwaltungsgericht Weimar, 07.08.2023 - 8 E 213/23 We).
(2.1.2024) Ein Zulassungsausschuss darf bei der Auswahl des Bewerbers im Rahmen einer vertragspsychotherapeutischen Praxisnachbesetzung denjenigen Bewerber bevorzugen, der das gleiche Richtlinienverfahren ausübt wie der Praxisabgeber (Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 11.12.2023 - S 17 KA 306/23 ER). Wer die Nachbesetzung seiner psychotherapeutischen Praxis vorbereitet, sollte die Entscheidung bei seinen Planungen berücksichtigen.
(21.12.2023) Die Nachbesetzung einer Praxis (hier: hausärztliche Praxis) scheitert, wenn die Ärztin über fünf Quartale vor der Praxisabgabe nur eine Fallzahl von 18% des Fachgruppendurchschnitts erreichte. Und ist ein Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bereits wegen eines solchen fehlenden Praxissubstrates vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden, so kann die Ärztin auch keine Entschädigung nach § 103 Abs. 3a Satz 13 SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2023 – L 5 KA 3221/22). Die Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit einer vorausschauenden Planung der Praxisabgabe.
(14.12.2023) Ein niedergelassener Arzt kann sich nicht durch seinen Weiterbildungsassistenten vertreten lassen. Der Arzt muss Rezepte für seine Patienten selber unterzeichnen und kann diese Aufgabe nicht an andere Ärzte delegieren. Dies gilt sowohl für Erstrezepte wie auch für Folgrerezepte. Anders ist dies allerdings bei Laborleistungen, da diese keine ärztlichen Behandlungsleistungen darstellen (Sozialgericht München, Urteil vom 23.11.2023 - S 38 KA 11/19).
- Sitzbindungsklausel bei Arztpraxen: Arzt muss nach Ausscheiden aus Gemeinschaftspraxis die Zulassung dort belassen: Landgericht Kaiserslautern 25-11-2023
- Wirtschaftlichkeitsprüfung: Arzt muss Praxisbesonderheiten schon im Prüfungsverfahren genau vortragen: Landessozialgericht Baden-Württemberg 15-11-2023
- Verlängerung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ: MVZ muss spätestens binnen eines Jahres einen anzustellenden Arzt finden, sonst kann die Anstellung nicht genehmigt werden: Sozialgericht München 24-10-2023
- Sicherstellungsassistent eines Arztes muss nicht demselben Fachgebiet angehören wie der Arzt: Sozialgericht München 16-05-2023