(6.12.2021) Wirft das Personal eines Lebensmittelgeschäfts einen Kunden, der keine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, aus dem Laden ohne das von dem Kunden mit sich geführte ärztliche Attest zur Maskenbefreiung zu beachten, so hat der Kunde keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen einer Verletzung des Antidiskriminierungsgesetzes (AGG) gegen das Ladengeschäft. Denn das dem Kunden attestierte chronisches Asthma ist keine Berhinderung im Sinne des AGG, insbesondere, wenn der Kläger nicht im Einzelnen vorträgt, wie schwer das Asthma ist und wie es ihn beim Tragen einer Maske im Rahmen eines kurzen, nicht mit besonderer Anstrengung verbundenen Lebensmitteleinkaufs, beeinträchtigt. Im Übrigen hat das Gericht auch Bedenken an dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest, das gleichlautend mit einem Attest seiner Ehefrau vom selben Tage ist (Amtsgericht Berlin-Kreuzberg, Urteil vom 10.11.2021 . 3 C 200/21).
(30.11.2021) Für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer Operation des Grauen Stars des Auges kann der Augenarzt die GOÄ-Ziffern 1375 und 441 in Rechnung stellen, nicht aber die Ziffer 5855 GOÄ analog. Denn der Lasereinsatz stellt keine eigenständige Leistung dar. Den erhöhten Zeitaufwand kann der Augenarzt lediglich über eine Erhöhung des Steigerungssatzes ausgeglichen erhalten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2021 - III ZR 350/20). Damit entscheidet der Bundesgerichtshof einen seit Jahren schwelenden Streit zu Lasten der Augenärzte.
(25.11.2021) Der Gesetzgeber hat gestern auf die Flut inhaltlich unrichtiger oder gefälschter Atteste und Impf- und negativen Testbescheinigungen im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie reagiert und die Strafen dafür drastisch verschärft. Damit soll der mittlerweile leider gängigen Praxis, dass Personen, die die Covid19-Pandemie als ungefährlich ansehen oder sich nicht impfen lassen wollen und die Corona-Schutzregeln durch Vorlage falscher Atteste zum Beispiel zur Befreiung von der Maskenpflicht oder durch Vorlage von falschen Impfbescheinigungen oder falschen negativen Testnachweisen umgehen wollen, ein wirksamer Riegel vorgeschoben werden.
(25.11.2021) Wird eine Mutter in einer Klinik direkt nach erfolgreicher Geburt mit ihrem neugeborenen Kind in ihrem Zimmer allein gelassen, um den Aufbau der Mutter-Kind-Bindung zu ermöglichen (sog. Bonding), so muss die Mutter dort eine Notrufklingel zur Verfügung stehen, damit sie bei Komplikationen schnell die Hebamme oder einen Arzt hinzurufen kann. Hat sie dagegen keine solche Klingel an ihrem Bett und kommt es zu Atemschwierigkeiten bei dem Kind, so haftet die Klinik für einen sich in Folge der Sauerstoffunterversorgung entwickelnden Hirnschaden des Kindes, weil das Fehlen einer solchen Klingel einen groben Behandlungsfehler darstellt (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 20.9.2021 - 1 U 31/20).
(18.11.2021) Sobald eine Geburt regelwidrig verläuft, muss die Hebamme einen Gynäkologen hinzuziehen. Dies ist ihre elementare Pflicht - verletzt sie diese Pflicht, so liegt ein grober Behandlungsfehler vor. Blutungen der werdenden Mutter sind insofern ein Alarmzeichen für einen regelwidrigen Zustand. Die Hebamme muss die Unterlage, auf der die Mutter sitzt oder liegt (Vorlage genannt), rechtzeitig auf Blutungen kontrollieren. Wann diese Kontrolle nicht mehr rechtzeitig ist, hat das Oberlandesgericht Rostock in seinem Urtel herausgearbeitet (OLG Rostock, Urteil vom 5. November 2021 – 5 U 119/13).
(16.11.2021) Nicht nur Ärzte machen sich strafbar, wenn sie falsche Atteste ausstellen (§ 278 StGB). Auch Bürger, die solche gefälschten oder falschen Atteste einsetzen um sich Vorteile zu verschaffen, machen sich nach § 279 StGB strafbar, wie eine Entscheidung des Landgerichts Freiburg zeigt. Zum Verhängnis wurde dies einem Mann, der sich eine Befreiung von der Corona-Maskenpflicht bequem per Post besorgt hatte (Landgericht Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 5. August 2021 – 2 Qs 36/21).
(10.11.2021) Ein Vertragsarzt hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens, wenn er bisher noch keine nachbesetzungsfähige Praxis aufgebaut hat. Denn dann ist eine Nachbesetzung in einem überversorgten Gebiet aus Versorgungsgründen nicht erforderlich. Dabei ist es unbeachtlich, ob der Arzt wegen der Coronakrise die Praxis nicht aufbauen konnte oder ob er dies von vorneherein nicht beabsichtigte (Sozialgericht Marburg, Gerichtsbescheid vom 8.10.2021 – S 12 KA 77/21).
(9.11.2021) Wechselt ein Vertragsarzt das Fachgebiet der Zulassung nahtlos (hier von der Anästhesie zur Allgemeinmedizin), so berührt dies seine Pflicht zum Nachweis der Erbringung der Fortbildungspflicht nicht. Mithin bleibt auch das Recht (und die Pflicht) der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung davon unberührt. Im Ergebnis muss der Vertragarzt daher eine Honorarkürzung von über 7.000 EUR hinnehmen (Bundessozialgericht, Urteil vom 4.11.2021 - B 6 KA 9/20 R).
(3.11.2021) Vermehrt verlangen niedergelassene Ärzte von ihren Patienten die Einhaltung der sog. 3G-Regel. Das heißt, sie behandeln nur Patienten, die auf Covid19 geimpft, negativ getestet oder nach Infektion wieder genesen sind. Dürfen Ärzte dies tun oder sind sie rechtlich verpflichtet, auch ungeimpfte, ungetestete oder nicht genesene Patienten in ihren Arztpraxen zu behandeln?
(26.10.2021) Die Werbung für eine auf künstlicher Intelligenz beruhende medizinische Untersuchung durch einen sog. "Roboarzt" ist wegen Verstoßes gegen das Fernbehandlungsverbot unzulässig und zu unterlassen (Landgericht Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2021 – 406 HK O 179/20).
(19.10.2021) Das Krankenhaus kann die Krankenhausvergütung für die OPS 8-98 f (aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung) auch dann verlangen von der Krankenversicherung des Patienten, wenn das Krankenhaus keine eigene transfusionsmedizinische Expertise besitzt. Schon die interne Bevorratung und Ausgabe von Blut und Blutbestandteilen durch das klagende Krankenhaus erfüllt den Begriff der Blutbank (Bundessozialgericht, Urteil vom 16.8.2021 - B 1 KR 11/21 R).
(13.10.2021) Wird der Zutritt zu den Praxen von Heilpraktikern und die Inanspruchnahme ihrer Leistungen auf bezüglich des Corona-Virus geimpfte, genesene und (negativ) getestete Personen beschränkt (3G-Regel), während diese Beschränkung für Patienten von Arztpraxen nicht besteht, so stellt dies eine Ungleichbehandlung dar. Eine soclhe Beschränkung der Heilpraktikerpraxen ist daher voraussichtlich rechtswidrig (OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.9.2021 – 13 MN 395/21).
- Zum Streit zwischen gesetzlicher Krankenkasse und Patient über die Übernahme von Operationskosten: LSG Bayern 07-09-2021
- Dürfen Ärzte Patientenunterlagen noch per Fax an andere Ärzte übersenden oder verstößt dies gegen das Datenschutzrecht?
- Wann und wie Ärzte, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten ein Ausfallhonorar von ihren Patienten verlangen können: 14-09-2021
- Kein Schmerzensgeld für Corona-Quarantäne - der Betroffene soll sich mal nicht so haben: LG Hannover 20-08-2021