(14.10.2021) Der klagende Patient ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz seine Einwendungen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder selbst bzw. durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren (OLG Dresden, Urteil vom 14.9.2021 – 4 U 1771/20). Ein erst nach Abschluß der ersten Instanz eingeholtes Privatgutachten ist damit nicht als verspätet zurückzuweisen, auch wenn sich daraus neue Gesichtspunkte für einen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler ergeben.

Mit seiner ganz auf der Linie des BGH (Urteil vom 8.6.2004, Az.: VI ZR 199/03) liegenden Entscheidung entlastet das OLG Dresden auch den Anwalt des Patienten. Dieser muss dem Patienten nicht raten, sogleich in erster Instanz ein Privatgutachten einzuholen und vor Gericht vorzulegen. 

Allerdings ist es oft ratsam, bereits erstinstanzlich Einwendungen gegen die - für das Klagebegehren abträglichen - Feststellungen eines gerichtlichen Sachverständigen einzuholen. Dieses Gutachten kann kostenfrei beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen beantragt werden (nach § 66 Sozialgesetzbuch V).

Interessant ist auch die weitere Feststellung des OLG Dresden: Der Privatgutachter muss kein Facharzt des betreffenden streitgegenständlichen Behandlungsgebiets sein. Auch das Gutachten eines Arztes einer anderen Fachrichtung wird also vor Gericht gehört. Gleichwohl zeigt die Praxis, dass Gerichte den Worten eines Privatgutachters vor Gericht mehr Bedeutung beimessen, wenn der Privatgutachter eben dieser Fachrichtung angehört. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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