(20.2.2020) Dass VW seine Kunden mit Dieselmotoren betrogen hat, die mittels einer speziellen Software die Abgaswerte manipulieren, ist mittlerweile von vielen Gerichten festgestellt worden. Nun hat VW in einem der Gerichtsverfahren versucht, sich seiner Haftung zu entziehen: Wenn man Haftungsansprüche wegen grober vorsätzlicher Schädigung der Käufer bejahte (was die Gerichte vermehrt tun), dann müsste VW ja einen sehr sehr hoher Schadensersatz zahlen. Das dürfe nicht sein, meinten die VW-Anwälte. Das OLG Koblenz wies diese Argumentation aber zurück (Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 20.11.2019 - 10 U 731/19).  

VW-Dieselskandal: Kunden wollen ihr Geld zurück - das ist heuchlerischDer Fall: 

Der Käufer eine VW Caddy mit Dieselmotor klagt gegen VW auf Rückzahlung seines Kaufpreises. 

In dem Verfahren vor dem OLG Koblenz zeichnet sich eine Niederlage von VW ab. Deshalb wandten die Anwälte von VW nun ein, eine Haftung von VW scheide aus, weil die Gefahr einer sehr großen Häufung von Schadensersatzansprüchen drohe, wenn das Gericht ein vorsätzlich-sittenwidriges Verhalten von VW bejaht. 

Die Entscheidung:

Diese weinerliche Erwiderung von VW ließen die Richter des OLG nicht gelten. Sonst könne sich VW umso leichter entlasten, je größer die Anzahl der Geschädigten und je größer der Schaden sei. Das sei nicht tragbar für die betroffenen Kunden. 

Es sei auch nicht zu erkennen, dass eine exorbitante Kumulation von Schadensersatzansprüchen drohe. Sowohl die bundesweite Zahl der Individualklagen als auch die Zahl der Personen, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, liegen weit unter der Zahl der potentiell betroffenen Fahrzeuge.

Damit spricht das OLG Koblenz eine bedauerliche Entwicklung an und wendet diese gegen VW: Weil VW sich in Deutschland allen Haftungsklagen konsequent entgegenstellt und alle juristsichen Mittel nutzt, um sich einer Haftung zu entziehen, haben viele betroffene VW-Kunden Klagen gescheut. denn es besteht wegen der Verweigerungshaltung von VW jedem Kunden ein gewisses Prozessrisiko. Die Kunden können mit ihren Klagen, die sie lange Zeit jeder für sich allein geltend machen mußten, auch auf die Nase fallen und dann auf - recht hohen - Gerichts- und Anwaltskosten sitzen bleiben. VW hat dies ausgenutzt, sich weiter uneinsichtig gezeigt und alle Haftungsansprüche mit einer Vielzahl von Argumenten zurück gewiesen. Das hat schließlich dazu geführt, dass nur ein geringer Teil der geprellten Käufer von Diesel-Pkw mit manipulierten Motoren Klagen auf Rückzahlung des Kaufpreises erhoben hat. Gleichwohl wendet VW nun heuchlerisch ein, wenn man den die Fälle als das behandele, was sie sind - ein Betrug des Kunden - würde VW ja unheimlich viel Geld an die Kunden zurückzahlen müssen. Glücklicherweise hat das OLG Koblenz dieses Argument nun nicht gelten lassen. Sachlich und kalt seziert das OLG Koblenz die tatsächliche Lage und weist auch diese etwas an den Haaren herbeigezogene Ausflucht von VW als unbegründet zurück. 

Praxisanmerkung:

Auch wenn die VW-Käufer damit einen Schritt weitergekommen sind auf ihrem Weg zur Rückforderung ihres gezahlten Kaufpreises, müssen sie sich fragen lassen, ob sie wirklich getäuscht wurden. Wollte jemand vor zehn Jahren wirklich glauben, dass es VW gelungen war, einen Pkw-Motor herzustellen, der zwar leistungsfähiger war als die früheren Modelle, gleichzeitig aber weniger Schadstoffe ausstößt? Hier haben sich die Kunden, die stärkere Motoren und größere Pkw wollen, gerne in Sicherheit wiegen und in ökologischer Hinsicht einlullen lassen.

Diesel-Käufer sind selbst schuld

Liebe VW-Käufer: Ihr seid selbst blind gewesen. Was fallt Ihr auch auf diesen Unsinn herein? Pkw verdrecken die Luft, trinken guten Sauerstoff und machen Lärm und töten bei Unfällen jedes Jahr viele Fußgänger und Radfahrer. Und das tun alle Pkw. Selbst Elektroautos verursachen Emissionen, nämlich bei der Stromproduktion. Wer ist schon so blöd und läßt sich von der Industrie vormachen, er könne ein irgendwie "sauberes" Auto kaufen? Wer sauber fahren will, muss den öffentlichen Verkehr nutzen, laufen oder schlicht Fahrrad fahren. Das wäre auch gesünder für Euch, liebe rückenkranke und übergewichtige Autofahrer. Das wollen die bequemen Kunden aber nicht, stattdessen wollen sie ein statusträchtiges, schnelles und auch schön großes Auto kaufen, mit dem sie individuell und komfortabel jederzeit überall hin fahren können, auch bei Regen und Schnee. Scheiß auf die Umwelt sagen sie sich, Hauptsache, ich habe es schön. Und jetzt beschweren sich die Kunden, sie seien hintergangen worden. Nein, Ihr habt Euch nur mit Eurer Bequemlichkeit und Eurer Geltungssucht allzu gern von der Industrie (die gezwungen ist, Zeug in großer Zahl zu produzieren und zu verkaufen) einfangen lassen. Ihr seid auch selbst schuld.    

Ich merke an, dass ich in einer Großstadt wohne, in der Nähe einer Einfallstraße für Pendler, die mit ihren Diesel-Pkw und sonstigen Benzinern beim Rein- und Rauspendeln jeden Tag die Stadtluft verdrecken, selber aber schön im Grünen wohnen. Und mir geht es auf die Nerven, dass sich unsere Verkehrspolitik dahin entwickelt hat, wo sie jetzt steht: zu einer Welt für Autofahrer. Daran wird auch diese - richtige und weise - Entscheidung des OLG Koblenz leider auch nichts ändern. Denn wenn die VW-Kunden ihr Geld zurückkkriegen, kaufen sie sich damit nur die nächste stinkende Karre. Viellecht auch wieder von VW, wer weiss. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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