(12.5.2018) Ein Arzt, in dessen Mietvertrag für die Arztpraxis eine Konkurrenzschutzklausel steht, kann von dem Vermieter verlangen, dass er dem Arzt in dem Gebäude Konkurrenz aus demselben Fachgebiet vom Halse hält. Andernfalls kann er Schadensersatz von dem Vermieter verlangen. Der Vermieter verstößt jedoch nicht gegen die mietvertragliche Konkurrenzschutzklausel, wenn er dem Arzt Räume als "chirurgische Praxis", dem Konkurrenten jedoch Praxisräume im gleichen Objekt als "orthopädische Praxis" vermietet. Denn diese beiden Nutzungen sind nicht miteinander vergleichbar, da sie jeweils unterschiedliche ärztliche Leistungen betreffen. Bezeichnet der Mietvertrag die geschützten Leistungen nicht näher, so kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine "chirurgische Praxis" nicht mit einer "orthopädischen Praxis" gleichgestellt werden (Kammergericht Berlin, Urteil vom 2. September 2013 – 12 U 101/12).

Röntgenbild gebrochener Arm beim OrthopädenPraxishinweis:

Ärzten ist zu raten, in dem Mietvertrag für die Praxis genau zu definieren, welche Nutzung geplant ist. Nur so können sie den Vermieter davon abhalten, einen konkurrierenden Arzt derselben oder einer ähnlichen Fachrichtung im selben Gebäude eine Arztpraxis betreiben zu lassen. Vor Abschluß eines Mietvertrages sollten Ärzte den vorgelegten Mietvertrag juristisch prüfen lassen, um sicherzustellen, dass ihre rechtlichen Belange wie z.B. der Wunsch nach Schutz vor Konkurrenz in dem Vertragstext hinreichend geschützt werden. 

Der Fall:

Der klagende Arzt ist Facharzt für Chirurgie. Mit Mietvertrag aus den Neunziger Jahren mietete er Praxisräume für eine "chirurgische Praxis" (§ 1 des Mietvertrages) in einem Ärztehaus. Der Mietvertrag enthielt in § 27 eine Konkurrenzschutzklausel, wonach der Vermieter den Mieter vor Konkurrenz "gleicher Fachrichtung" schützen solle. Später vermietete der Vermieter einem anderen Arzt in demselben Gebäude Praxisräume für den Betrieb einer "orthopädische Praxis". Der klagende Arzt verlangte von dem Vermieter Schadensersatz. Das Landgericht Berlin wies die Klage als unbegründet ab (LG Berlin, Urteil vom 13. Juni 2012  –  29 O 685/11). Der Arzt ging in Berufung.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Juni 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 29 O 685/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 21. August 2012 eingegangenen und gleichzeitig begründeten Berufung gegen das ihm am 06. August 2012 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2012, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und der in erster Instanz gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird.

Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten als Vermieterin wegen eines Verstoßes gegen die Konkurrenzschutzklausel nicht vorliege, weil dem Kläger die Räume als "chirurgische Praxis", dem Konkurrenten jedoch als "orthopädische Praxis" vermietet worden seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger die erstinstanzlich abgewiesenen Klageanträge weiter und meint, die Beklagte hätte die Räume nicht als orthopädische Praxis vermieten dürfen, da die Orthopädie ein Teilgebiet der Chirurgie sei und er selbst in seiner chirurgischen Praxis im Wesentlichen auch orthopädische ärztliche Leistungen erbringe. Dies bestätige auch die neue Weiterbildungsordnung für Ärzte, wonach es nunmehr eine einheitliche Facharztbezeichnung "Orthopädie und Unfallchirurgie" gebe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin, Az.: 29 O 685/11 vom 13.06.2012 zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 40.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen weitergehenden Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte gegen die Konkurrenzschutzklausel gemäß § 27 des Mietvertrages (Mieter Nr. 120.32101) verstoßen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Berufungsvorbringen unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Begründung:

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des im Mietvertrag unter § 27 vereinbarten Konkurrenzschutzes geltend machen kann. Ausgehend von den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger einerseits und dem potentiellen Konkurrenten andererseits, ist die mit dem Kläger vertraglich vereinbarte Nutzung als "Chirurgische Praxis" nicht mit der Nutzung im gleichen Objekt gelegener Räume als "Orthopädische Praxis" durch den Konkurrenten vergleichbar, da die Nutzung jeweils unterschiedliche ärztliche Leistungen betrifft. Hierzu hat das Landgericht die Bedeutung der Begriffe Chirurgie und Orthopädie nach dem Wortsinn überzeugend analysiert und voneinander abgegrenzt, auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Da die geschützten Leistungen in dem Mietvertrag auch nicht näher bezeichnet waren (anders insofern in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt zum Schutz eines Orthopäden vor chirurgischen Leistungen anderer Ärzte, Urt. v. 10.10.2012, XII ZR 117/10, zitiert nach juris), ist auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen, wonach unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs die "chirurgische" der "orthopädischen" Praxis nicht gleichgestellt werden kann.

Soweit der Kläger meint, dass seine Tätigkeit dennoch in der Regel orthopädische ärztliche Leistungen voraussetze, die er überwiegend praktiziere, genießt er insofern angesichts der vertraglichen Vereinbarung keinen Konkurrenzschutz. Vielmehr ist zutreffend, dass die Konkurrenzschutzklausel im Mietvertrag auf den Schutz vor Ärzten "gleicher Fachrichtung" abstellt und nach der seinerzeit bei Abschluss des Mietvertrages geltenden Weiterbildungsordnung von 1994 (Amtsblatt Berlin 1995, S. 2573) Orthopädie und Chirurgie ausdrücklich nicht als gleiche Fachrichtung zu bezeichnen waren, sondern unterschiedliche Facharztbezeichnungen existierten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 7 und 29 der Weiterbildungsordnung 1994 in der bis zum 12. April 2006 geltenden Fassung). Auf die zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses geltende Weiterbildungsordnung ist bei der Auslegung der mietvertraglichen Regelung konkret abzustellen (vgl. BGH, wie vorstehend, Rn. 24 bei juris).

Auch durch die Änderung der Weiterbildungsordnung und die Schaffung einer einheitlichen Facharztbezeichnung für "Orthopädie und Unfallchirurgie" bleibt es inhaltlich nach dem Verständnis der sich gegenüberstehenden Mietverträge bei unterschiedlichen Fachrichtungen. Zwar werden in der neuen Weiterbildungsordnung für Ärzte von 2004 (in Kraft getreten am 13. April 2006, Amtsblatt Berlin 2006, 1297) die Orthopädie als Teilgebiet der Chirurgie angesehen und unter dem Oberbegriff Chirurgie acht verschiedene Teilgebiete ausgewiesen, unter anderem unter Ziffer 7.5 der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Daneben gibt es auch die Teilgebietsbezeichnungen für Kinderchirurgie und Allgemeinchirurgie, die der Kläger neben der allgemeinen Bezeichnung "Facharzt für Chirurgie" als Schwerpunkte – wie auch die Unfallchirurgie - vor der Änderung der Weiterbildungsordnung bereits führte. In den Übergangsbestimmungen der Weiterbildungsordnung (Abschnitt B Ziffer 7) wird klargestellt, dass der bisherige Facharzt für Chirurgie jetzt die Bezeichnung "Allgemeine Chirurgie" führen darf. Ferner wird ausgeführt, dass "Kammerangehörige, die sowohl die Facharztanerkennung Orthopädie als auch Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie nachweisen, berechtigt sind, die Facharztanerkennung Orthopädie und Unfallchirurgie zu führen". Anhand der Übergangsregelungen wird aber deutlich, dass der Kläger, der zwar früher schon die Anerkennung als Unfallchirurg besaß, die neue mit der Orthopädie gekoppelte Bezeichnung nur führen dürfte, wenn er auch zuvor bereits die Anerkennung als Orthopäde gehabt hätte. Dies war indessen nicht der Fall und bedeutet konkret, dass der Kläger in Bezug auf die Orthopädie nicht die gleiche Facharztbezeichnung wie der Konkurrent führen kann, die Tätigkeiten der Konkurrenten also - jedenfalls soweit nach außen und damit für die Beklagte als Vermieterin erkennbar – nicht identisch sind.

Der Kläger kann sich auch nicht über den Umfang des vereinbarten Konkurrenzschutzes hinaus auf einen weitergehenden vertragsimmanenten Konkurrenzschutz dahingehend berufen, dass seine sämtlichen ausgeübten ärztlichen Tätigkeiten geschützt seien und deswegen der Konkurrent einen wesentlichen Teil der ausgeübten orthopädischen Tätigkeiten nicht ohne Verstoß gegen die Konkurrenzschutzklausel erbringen könne. Denn die Klauseln des Mietvertrages sowohl in § 1 zur Nutzung der Mietsache als auch in § 27 zum Konkurrenzschutz sind eindeutig und bedürfen insoweit keiner ergänzenden Vertragsauslegung. Wenn andere als chirurgische Tätigkeiten des Klägers hätten geschützt werden sollen, wären den Parteien bei Abschluss des Mietvertrages oder auch unter der Geltung der geänderten Weiterbildungsordnung konkrete Absprachen möglich gewesen. Derartige Absprachen erfolgten jedoch nicht und können auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung in den Vertrag hineininterpretiert werden. Gerade weil die Tätigkeit des Klägers als Chirurg zu zahlreichen anderen ärztlichen Fachgebieten Bezüge aufweist, wäre ein weitergehender als der nach dem Wortlaut des Vertrages vereinbarte Konkurrenzschutz kaum eingrenzbar gewesen und hätte beide Mietvertragsparteien in einer Weise beschränkt, dass eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke im Vertrag nicht ersichtlich ist. Da die Räume in einem Ärztehaus belegen sind, mussten beide Parteien von Anfang an damit rechnen und wollten dies wegen der Synergieeffekte auch, dass es zu Überschneidungen hinsichtlich der angebotenen ärztlichen Leistungen kommen könnte, so dass es nahegelegen hätte, konkrete Leistungen zu benennen, wenn auch insoweit Schutz vor Konkurrenz hätte gewährt werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2012, XII ZR 40/10, Rn. 30 bei juris; vgl. ferner OLG Brandenburg, Urt. v. 10.08.2007, 3 U 133/06, zitiert nach juris, zu einem weitergehenden mietvertraglich vereinbarten auch indirekten Konkurrenzschutz).

Eine Konkurrenzschutzverletzung liegt auch nicht darin, dass der Konkurrent als "Orthopäde und Unfallchirurg" in seiner Facharztbezeichnung den Begriff Unfallchirurgie trägt. Diese auf die heute geltende Weiterbildungsordnung zurückgehende Bezeichnung hat der Konkurrent auf Betreiben der Beklagten von dem Praxisschild vor dem Mietobjekt entfernt. Damit hat die Beklagte als Vermieterin der vereinbarten Konkurrenzschutzklausel hinreichend Rechnung getragen. Eine Vertragsverletzung allein durch Abschluss des Mietvertrages kann nicht angenommen werden. Denn die Vermietung an den Konkurrenten erfolgte gerade nicht unter dessen Facharztbezeichnung sondern allgemein an den Dr. med. … und ausdrücklich zur Nutzung als orthopädische Praxis, so dass die Beklagte hier berechtigt keine Gefahr einer Konkurrenzverletzung wegen einer chirurgischen Tätigkeit sehen musste. Außerdem waren dem Kläger die Räume nach den Vereinbarungen im schriftlichen Mietvertrag vom 14. Mai 2004 bereits im Jahr 2003 überlassen worden, als Orthopädie und Unfallchirurgie ausdrücklich getrennte unterschiedliche Facharztbezeichnungen waren. Da somit eine Pflichtverletzung der Beklagten bei der Vermietung von Räumen an den Konkurrenten schon nicht gegeben war, kommt es auch nicht darauf an, ob bis zur Änderung des Praxisschildes potentielle Erwerber der Praxis von einer bestehenden Konkurrenzsituation abgeschreckt worden sein könnten. Dass es tatsächlich zu Konkurrenzverletzungen betreffend der von dem Kläger angebotenen und aufgrund der mietvertraglichen Vereinbarung geschützten chirurgischen Tätigkeit gekommen wäre, trägt der Kläger nicht vor. Orthopädische Tätigkeiten des Konkurrenten waren demgegenüber wie ausgeführt nicht von dem Konkurrenzschutz zugunsten des Klägers erfasst und können eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht begründen.

Eine Konkurrenzschutzverletzung folgt ferner nicht aus dem Umstand, dass der Konkurrent vor der Anmietung der Räume Verhandlungen mit dem Kläger über den Erwerb dessen Praxis geführt hat. Zwar kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass der Konkurrent sich wegen einer Überschneidung der Tätigkeitsgebiete auch für den Patientenstamm des Klägers interessierte. Die wirtschaftlichen Überlegungen vor Abschluss eines möglichen Kaufvertrages sind jedoch für die Annahme einer Verletzung der Konkurrenzschutzvereinbarung aus dem Mietvertrag der Parteien ohne Relevanz. Zudem ist unstreitig, dass die Vertragsverhandlungen zum Verkauf der Praxis aus Gründen scheiterten, auf die die Beklagte keinen Einfluss hatte, so dass in diesem Zusammenhang eine Vertragsverletzung der Beklagten auch von dem Kläger nicht behauptet wird. Der Kläger, der weder Minderung noch ein Unterlassen der Vermietung an den Konkurrenten begehrt, hat zwar ein legitimes Interesse, seine Praxis zu verkaufen und dem Käufer der Praxis die Nutzung als Unfallchirurg und Orthopäde zu ermöglichen. Dieses Interesse und die damit verbundenen Vorstellungen des Klägers über den Wert seiner Praxis sind indessen im Rahmen der mietvertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht geschützt.

Schließlich ist auch der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden angesichts der vorstehenden Ausführungen unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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