(13.11.2017) Im Streit mehrerer bayrischer Kinderärzte mit Schwerpunkt Kinderkardiologie gab das Sozialgericht München dem Kinderarzt, der eine Sonderbedarfszulassung für Kinderkardiologie beantragt hatte, Recht (Sozialgericht München, Urteil vom 11. Oktober 2017 – S 38 KA 721/16).

Kardiologe: Das EKG war hier unauffälligDer Fall: 

Der Kläger (Facharzt Kinderheilkunde mit Schwerpunkt Kinderkardiologie) beantragte eine hälftige Sonderbedarfszulassung für Kinderkardiologie für den Vertragsarztsitz in E-Stadt (Gebiet Traunstein). Der Zulassungsausschuss führte eine Bedarfs-und Abrechnungsanalyse durch. Das Ergebnis war ein geringer Bedarf an kinderkardiologischen Leistungen, aber trotzdem ausreichend für eine hälftige Sonderbedarfszulassung. Der Zulassungsausschuss erteilte dem Kläger daher die begehrte Sonderbedarfszulassung für E-Stadt am 10.2.2016.

Gegen diese Erlaubnis legt eine Fachärztin für Kinderheilkunde (ebenfalls mit Schwerpunkt Kinderkardiologie), die in C-Stadt (ebenfalls Gebiet Traunstein) zugelassen ist, Widerspruch ein. 

Der beklagte Berufungsausschuss bejahte im Rahmen der Prüfung dieses Widerspruchs eine Konkurrenzsituation zwischen dem Kläger und der Kinderärztin. Denn es gehe um eine Konkurrenzsituation von wesentlichem Umfang hinsichtlich gleicher Leistungen und Einzugsbereiche. Außerdem sei der Status des Klägers gegenüber der schon bestehenden Zulassung der Kinder- und Jugendärztin nachrangig. Die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung (§§ 36, 37 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie) für den Kläger lägen nicht vor. Was einen quantitativen Sonderbedarf betreffe, sei eine Überversorgung im Planungsbereich C-Stadt Stadt und Landkreis von 142,5 % bei den Kinder-und Jugendärzten (= 20 Ärzte) festzustellen. Mit Bescheid vom 7.7.2016 hob der beklagte Berufungsausschuss daher die Sonderbedarfszulassung des Klägers wieder auf. 

Dagegen klagte der Kinderarzt. 

Im Verlauf dieses Rechtsstreites, und zwar am 14.12.2016, wurde der klagende Kinderarzt auf einen hälftigen Versorgungsauftrag in E-Stadt für Kinderheilkunde nachbesetzt, auf den eine Kollegin der Klägers verzichtet hatte. Im Rahmen dieses hälftigen Versorgungsauftrages erbrachte der Kläger allgemeine pädiatrische Leistungen in großem und überdurchschnittlichem Umfang.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht München gab dem Kinderarzt Recht und verurteilte den Berufungsausschuss, noch einmal über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts - wonach der Ausschuss den Fall noch einmal in einigen Punkten genauer prüfen soll - zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht bejahte zwar auch das Recht der Kinderärztin, gegen die Sonderbedarfszulassung vorzugehen (Anfechtungsberechtigung). Denn ein zugelassener Vertragsarzt sei dann zur Anfechtung einer Zulassung eines Neubewerbers berechtigt, wenn durch die zusätzliche Zulassung ein Konkurrenzverhältnis entstehen würde, das die Erwerbsmöglichkeiten nicht nur unerheblich beeinträchtigen würde. Dies sei anzunehmen, wenn im Wesentlichen gleiche Leistungen erbracht werden und die Fallzahl der Patienten 5 % der durchschnittlichen Fallzahl einer Praxis überschreitet. Beide, Kläger und Beigeladene zu 8 sind Kinder-und Jugendärzte mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie. Insofern bestehe ein potentielles Konkurrenzverhältnis. Die Kinderärztin erbringe auch die kinderkardiologische Komplexleistung GOP 04410 und zwar in einem Umfang von mehr als 5 % der durchschnittlichen Fallzahl. Folglich bestehe auch ein tatsächliches Konkurrenzverhältnis.

Dass der Kinderarzt bereits eine hälftige Zulassung besitzt (seit 14.12.2016), stehe seinem Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung von Ende 2015 nicht entgegen. Die hälftige Zulassung in E-Stadt wurde erst dadurch möglich, dass eine Kollegin des Klägers auf die hälftige Zulassung verzichtete. Der Kläger sei nicht anders zu behandeln, als ein Dritter, der noch keine Zulassung besitzt und eine Sonderbedarfszulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag anstrebt. Hinzu komme, dass auf der Grundlage der bereits erhaltenen hälftigen Zulassung pädiatrische Leistungen in großem und überdurchschnittlichem Umfang erbracht werden, so dass kaum mehr Raum bleibe für die Erbringung der speziellen Leistungen der Kinderkardiologie.

Im Rahmen des Beurteilungsspielraums bei Bedarfsprüfungen sei das Stufenverhältnis von Zulassung, Sonderbedarfszulassung und Ermächtigung zu prüfen und zu beachten. Es gelte ein Stufenverhältnis in der Reihenfolge 1) Zulassung, 2) Sonderbedarfszulassung und 3) Ermächtigung. Der beklagte Berufungsausschuss weist in diesem Zusammenhang darauf hin, im Klinikum C-Stadt sei ein dort angestellter Arzt, Dr. F. auf Überweisung durch Fachinternisten (Kardiologie) sowie Kinder-und Jugendärzte ermächtigt worden. Entsprechende Ermächtigungen bestehen offensichtlich am Klinikum in I-Stadt. Im Rahmen der Bedarfsprüfung hätte sich der Berufungsausschuss aber auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die bestehenden (Instituts-) Ermächtigungen nicht hätten ganz oder teilweise ersetzt werden können durch eine den Ermächtigungen vorgehende Sonderbedarfszulassung.

Bei der Sonderbedarfsfeststellung dürfe nicht nur auf den Planungsbereich abgestellt werden, vielmehr müsste die Bedarfsprüfung, da es sich um spezielle Leistungen handelt, in der Regel auch auf benachbarte Gebiete ausgedehnt werden. Denn bei Prüfungen und Feststellungen im Zusammenhang mit einer Sonderbedarfszulassung gemäß §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie komme es zwar primär auch auf den Planungsbereich an. Gleichwohl sei zu berücksichtigen, dass es um die Deckung eines besonderen Versorgungsbedarfs geht. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht der Auffassung, dass - es handelt sich um spezielle Leistungen aus dem Bereich der Kinderkardiologie, für die ein weitaus geringerer Bedarf besteht als bei allgemeinen pädiatrischen Leistungen - benachbarte Regionen bei der Sonderbedarfsfeststellung mit herangezogen werden müssen.

Praxisanmerkung:

Der Kinderarzt hat sich durch den Berufungsausschuss nicht verschrecken lassen und einen Etappensieg errungen. Der Berufungsausschuss muss nun den Fall erneut prüfen und insbesondere schauen, ob man die Institutsermächtigung nicht auch durch die Sonderbedarsfzulassung ersetzen kann (es gilt ja der Grundsatz ambulant vor stationär) und ob ein Sonderbedarf besteh, wobei der Berufungsausschuss auch den Sonderbedarf in den benachbarten Regionen berücksichtigen soll. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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