(6.10.2017) Verordnet ein praktischer Arzt seinen Patienten Methadon, ohne diese Leistungen nach dem EBM abzurechnen und ohne eine Substitutionsgenehmigung zu besitzen, und verordnet er diesen Patienten zusätzlich auch noch Benzodiazepine, so muss er Regresszahlungen leisten (Landesozialgericht NRW, Urteil vom 5.4.2017, Az. L 11 KA 72/14).

Medikamente des ArztesDer Fall:

Der Kläger ist praktischer Arzt. Er ist zur Substitution Opiatabhängiger zugelassen, allerdings beschränkt auf 80 kassenübergreifende Fälle im Quartal. Im Quartal IV/2007 substituierte er 65 Patienten und verordnete bei weiteren 156 Patienten Methadon bzw. L-Polamidon oder Methaddict, obwohl keine Abrechnung nach dem EBM erfolgte und er keine Substitutionsgenehmigung besaß. Zusätzlich verordnete er diesen Patienten Mittel mit hohem Suchtpotenzial wie Benzodiazepin. Dies führte er in den Folgequartalen fort.

Im Prüfverfahren wandte er ein, die Gabe von Benzodiazepinen sei indiziert gewesen, weil es sich um eine supportive Verordnung zur Behandlung von Angstsyndromen gehandelt habe. Belege legte er dazu nicht vor. Die Prüfstelle setzte einen Regress von insgesamt rund 120.000 Euro für mehrere Quartale fest. Widerspruch und Klage des Arztes blieben erfolglos. Der Kläger legte Berufung ein.

Die Entscheidung:

Das LSG wies die Berufung des Arztes ab und bestätigte den Regress. Der Arzt habe gegen die Richtlinien zur Verordnung von Substituten verstoßen. Eine Genehmigung zur Substitution habe nur in einem geringen Teil der Fälle vorgelegen. Auch habe der Arzt die erforderliche Anzeige der Substitutionen bei der KV unterlassen.

Die Verordnung von Benzodiazepinen verstoße gegen die Prüfvereinbarungen, weil eine Substitution unzulässig sei, solange – wie hier – eine Abhängigkeit z. B. von Benzodiazepinen vorliege. Benzodiazepine dürften laut Fachinformation bei einer bestehenden Abhängigkeitsanamnese (Alkohol, Medikamente, Drogen) nicht eingenommen werden.

Der Vortrag des Klägers, der Benzodieazepin-Beigebrauch sei differenziert zu betrachten, sei zu pauschal. Der Kläger hätte hierzu und zu der Indizierung der Verwendung von Benzodiazepinen im Einzelnen patientenbezogen vortragen müssen. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Prüfstelle nicht verpflichtet sei, dies von sich aus zu ermitteln oder den Arzt darauf hinzuweisen, dass er noch präziser vortragen soll.

Praxishinweis:

Substituierende Ärzte müssen sich die jeweilige Behandlung genehmigen lassen.

Einmal mehr zeigt sich hier, dass der Arzt bei Regressen gehalten ist, zeitnah umfassend und vor allem unter Vorlage von Daten der Patienten vorzutragen, warum die von ihm durchgeführte Behandlung, die grundsätzlich kontraindiziert war, ausnahmsweise doch medizinisch erforderlich war. Der Arzt kann sich nicht darauf verlassen, dass die Prüfstelle dies ermittelt. Die Beweislast liegt insofern beim Arzt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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