(5.10.2017) Zeigt sich bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge wegen Brustschmerzen (bei einer Patientin mit Vorerkrankung Mammakarzinom) lediglich eine winzige Aufhellung in einem Lungenflügel, so kann die Diagnose "ohne Befund" nicht als dem Arzt vorwerfbarer Diagnosefehler angesehen werden, wenn die Aufhellung nur unter Berücksichtigung der später gewonnenen Erkenntnisse zum Vorliegen eines tumorösen Geschehens bereits als entsprechender Hinweis auf ein (später festgestelltes) Lungenkarzinom eingeordnet werden kann. Vielmehr handelt es sich dann lediglich um einen Diagnoseirrtum, der nicht zu einer Arzthaftung führt. Die Beweislast für einen vorwerfbaren Diagnosefehler liegt beim Patienten (Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 5 U 1349/16).

Was zeigt das Röntgenbild - und was nicht?Erläuterung:

Diagnoseirrtümer sind nicht vorwerfbare Fehler in der Auswertung medizinischer Daten, die in Anbetracht der vielen Interpretationsmöglichkeiten medizinischer Daten vorkommen können und für die der Arzt nicht haften muss. Diagnoseirrtümer, die auf die Fehlinterpretation eines Befundes zurückzuführen sind, können nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden. Eine Einstandspflicht für diesen Irrtum ist nicht gegeben, wenn sich die fehlerhafte Diagnose als in der gegebenen Situation (noch) vertretbare Deutung der Befunde darstellt.

Ein Diagnosefehler ist dagegen gegeben, wenn die Diagnose des Arztes in der gegebenen Situation schlicht nicht mehr vertretbar war, d.h. sich als nicht mehr vertretbare Deutung der Befunde darstellt. Die Beweislast dafür liegt beim Patienten. Das heisst es obliegt nicht dem Arzt nachzuweisen, dass sich die fehlerhafte Diagnose als in der gegebenen Situation vertretbare Deutung der Befunde darstellt. 

Tenor

  1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 4. November 2016 (Az: 2 O 329/15) einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
  2. Die Klägerin kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 14. März 2017 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

(Anmerkung: Die Klägerin nahm die Berufung nach dem Hinweis zurück).

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang der Befundung radiologischer Untersuchungsergebnisse.

Am 9. November 2012 begab sich die Klägerin in die radiologische Gemeinschaftspraxis der Beklagten zur Untersuchung ihrer Lunge. Den Beklagten war die Vorerkrankung der Klägerin an einem Mammakarzinom bekannt. Es erfolgte eine Röntgenuntersuchung der Lunge. Als Ergebnis wurde u.a. festgehalten, es liege kein Befund hinsichtlich einer Lungenmetastase oder eines Tumorrezidivs vor. Wegen Brustschmerzen stellte sich die Klägerin am 3. Februar 2014 erneut in der Praxis der Beklagten vor. Abermals wurde eine Röntgenbildaufnahme gefertigt. Auch hierbei ergab sich nach Auswertung kein Befund. Aufgrund der anhaltenden Schmerzen suchte die Klägerin am 7. Februar 2014 erneut die Praxis der Beklagten auf, wo sie zunächst geröntgt und am 13. Februar 2014 einer CT-​Untersuchung unterzogen wurde. Die Beklagten diagnostizierten eine Raumforderung und empfahlen die Vornahme einer Biopsie. Zu einer weiteren Behandlung durch die Beklagten kam es nicht mehr.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 40.000 € sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für jedweden weiteren materiellen und immateriellen Schaden vorgetragen, die Raumforderung habe sich als Karzinom herausgestellt. Bereits die Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2012 hätten Hinweise hierauf gegeben. Insoweit sei es zu einer Verzögerung bis zur richtigen Diagnose und der anschließenden Behandlung gekommen. Anlass der Untersuchung im Jahr 2012 sei gerade die Überprüfung des Vorliegens eines Rezidivs oder einer Metastasierung gewesen. Das Karzinom habe anschließend entfernt werden müssen.

Die Beklagten haben dem entgegengehalten, die Klägerin sei im Jahr 2012 zur Abklärung einer prolongierten Bronchitis überwiesen worden. Die Auswertung der Befunde sei nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der wechselseitig gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 179 ff. GA) verwiesen.

Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Röntgenbilder vom 9. November 2012 und 3. Februar 2014 seien in haftungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gedeutet worden. Zwar könne man unter Berücksichtigung des späteren Krankheitsverlaufs Anhaltspunkte für den erst im Nachgang festgestellten Befund erkennen. Die heutige Erkennbarkeit beruhe indes im Wesentlichen auf den Erkenntnissen zum Krankheitsverlauf. Aus der maßgebenden Sicht ex ante könne nicht von der Erkennbarkeit der Raumforderung ausgegangen werden. Insofern seien die methodischen Grenzen der Projektionsradiografie zu berücksichtigen. Die Gründe für das in der Praxis anzutreffende Übersehen von Bronchialkarzinomen seien multifaktoriell und komplex. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der später als Bronchialkarzinom gedeutete Befund äußerst schwer bzw. kaum erkennbar gewesen sei. Insofern liege ein nicht vorwerfbarer Diagnoseirrtum vor. Eine CT-​Untersuchung sei im Jahr 2012 weder zur Abklärung einer Bronchitis/Peribronchitis noch zur Nachsorge des Mammakarzinoms geboten gewesen. Hierbei hätte es sich um eine Überdiagnostik gehandelt. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 180 ff. GA) Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin unter Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Begehrens. Die von der Sachverständigen angeführte Übersehensquote bei Bronchialkarzinomen auf Thoraxübersichtsaufnahmen, die sich nach renommierten radiologischen Instituten auf 26 – 90% belaufen solle, müsse als falsch angesehen werden. Zudem habe das Landgericht vernachlässigt, dass sie – was den Beklagten bekannt gewesen sei – eine Krebspatientin gewesen sei. Insofern müssten die Beklagten sich für den Diagnoseirrtum entschuldigen. Eine entsprechende Beweisführung sei ihnen jedoch nicht gelungen. Soweit die Sachverständige auf Auswertungen der radiologischen Bildaufnahmen durch zwölf Berufskollegen verwiesen habe, sei zu berücksichtigen, dass diese nicht namentlich benannt worden seien. Es könne nicht nachvollzogen werden, ob diese einen repräsentativen Querschnitt aller Radiologen darstellen. Schließlich seien die Hinweise der Sachverständigen auf fehlende Heilungschancen bei metastasierten Mammakarzinomen nicht verständlich. Insofern müsse das Lebensalter berücksichtigt werden, weshalb auch bei einer Verlängerung des Lebens bei einem bestimmten Lebensalter von einem "endgültigen Überleben" ausgegangen werden könne. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 6. Februar 2017 (Bl. 199 ff. GA) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mainz vom 4. November 2016 abzuändern und

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach Ermessen des Gerichts zu verurteilen;
  2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr jeglichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus der fehlerhaften Diagnose vom 9. November 2012 entsteht.

II.

Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand übereinstimmend der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht. Hierzu Folgendes:

Voraussetzung für eine vertragliche bzw. deliktische Einstandspflicht der Beklagten ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Diesen hat ebenso wie den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden die Klägerin als Patientin zu beweisen (vgl. nur BGH, NJW 2011, 1672; BGH, VersR 2003, 1256). Allein der Misserfolg der ärztlichen Behandlungsmaßnahme bzw. der Eintritt eines Schadens genügt folglich nicht zur Haftungsbegründung. Die Feststellung eines Behandlungsfehlers unterliegt dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO. Erforderlich ist danach ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. nur BGH, NJW 2011, 375).

Richtig ist, dass auch ein Diagnosefehler, also die fehlerhafte Interpretation eines Befundes, als Behandlungsfehler die Haftung des Arztes begründen kann. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Diagnoseirrtum, der auf die Fehlinterpretation eines Befundes zurückzuführen ist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden kann (vgl. nur BGH, NJW 2003, 2827; s. auch OLG Koblenz, GesR 2012, 346). Eine Einstandspflicht ist daher nicht gegeben, wenn sich die fehlerhafte Diagnose als in der gegebenen Situation vertretbare Deutung der Befunde darstellt, wobei auf die Sicht des Arztes zum Zeitpunkt der Diagnosestellung abzustellen ist. Maßgebend ist folglich die Sicht ex ante. Nachträgliche Erkenntnisse sind bei der Beurteilung des Vorliegens eines Behandlungsfehlers nicht zu berücksichtigen. Ein nicht vorwerfbarer Diagnosefehler liegt allerdings dann vor, wenn Symptome oder Befunde gegeben sind, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend sind, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt oder falsch gedeutet werden (vgl. BGH, NJW 2003, 2827).

Auch das Vorliegen eines vorwerfbaren Diagnosefehlers steht in der Beweislast des Patienten. Insoweit gelten die allgemein zum Arzthaftungsrecht entwickelten Grundsätze. Der Einwand der Klägerin in der Berufungsbegründung, die Beklagten müssten dem Entlastungsbeweis hinsichtlich des Diagnoseirrtums führen, trägt also nicht. Die Klägerin muss – wie ausgeführt – das Vorliegen eines Behandlungsfehlers beweisen. Vermag aber nur ein sogenannter vorwerfbarer Diagnosefehler die Haftung zu begründen, muss der Patient das Vorliegen einer entsprechenden Sachlage beweisen. Es obliegt daher nicht den Beklagten, nachzuweisen, dass sich die fehlerhafte Diagnose als in der gegebenen Situation vertretbare Deutung der Befunde darstellt.

Hiervon ausgehend vermochte das Landgericht anknüpfend an die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. ...[A] nach verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Beweisaufnahme keinen Behandlungsfehler festzustellen. Die Sachverständige hat ausgeführt, die Röntgenaufnahme vom 9. November 2012 lasse aus ex ante-​Sicht einen Tumor nicht in einer Weise erkennen, die bei einem Übersehen Vorwürfe gegenüber dem befundenden radiologischen Facharzt eröffnen würde. Die winzige Aufhellung auf der linken Seite könne nur unter Berücksichtigung der später gewonnenen Erkenntnisse zum Vorliegen eines tumorösen Geschehens bereits als entsprechender Hinweis eingeordnet werden. Die Sachverständige hat in diesem Zusammenhang auf die wissenschaftlich belegte Häufigkeit des Übersehens von Bronchialkarzinomen auf Thoraxübersichtsaufnahmen hingewiesen, deren Ursachen komplex und multifaktoriell zu beurteilen seien. Diese bereits im schriftlichen Gutachten vom 4. April 2016 (Bl. 96 ff. GA) eingehend ausgeführte und näher begründete medizinische Beurteilung des Behandlungsgeschehens hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2016 (Bl. 165 ff. GA) nochmals näher erläutert.

Von diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen konnte das Landgericht ausgehen. Auch der Senat sieht keine Grundlage für eine ergänzende Sachaufklärung. Die von der Klägerin in der Berufungsbegründung angeführten Gesichtspunkte bieten keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die von der Sachverständigen angeführte Häufigkeit des Übersehens von Bronchialkarzinomen bei Thoraxübersichtsaufnahmen zwischen 26 und 90% sei "problematisch" und als Beurteilungsmaßstab für eine gesicherte wissenschaftliche Erhebung unzureichend, stellt dies die medizinische Beurteilung der Sachverständigen nicht in Frage. Die entsprechenden Ausführungen im schriftlichen Gutachten der Sachverständigen (Bl. 109 ff. GA) bereiten lediglich die Ergebnisse medizinisch-​wissenschaftlicher Studien zur Häufigkeit von Diagnosefehlern bei Thoraxübersichtsaufnahmen mit Blick auf das Erkennen von Bronchialkarzinomen auf. Dass diese Studien zu den von der Sachverständigen geschilderten Ergebnissen geführt haben, stellt die Klägerin nicht in Abrede. Zweifel hieran sind auch nicht ersichtlich. Die Sachverständige hat die Studien auch nicht ohne Berücksichtigung der konkreten Behandlungssituation auf die Beurteilung der Diagnose durch die Beklagten übertragen. Vielmehr hat sie lediglich verdeutlicht, dass die Fehlbeurteilung entsprechender radiologischer Aufnahmen in der Praxis aus vielfältigen Gründen keine Seltenheit darstellt. Sie hat die zu beurteilenden Röntgenaufnahmen, von denen aufgrund der am 13. Februar 2014 (also zehn Tage nach der Röntgenaufnahme vom 3. Februar 2014) gestellten Diagnose mit Blick auf eine Behandlungsverzögerung lediglich die Röntgenaufnahme vom 9. November 2012 von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, ausgeführt, dass die rundliche Verdichtung auf dieser wegen ihres niedrigen Kontrastes zum umgebenden gesunden Lungengewebe, ihres geringen Durchmessers und der Überlagerung durch Rippen und Schlüsselbein ohne Kenntnis der weiteren klinischen Entwicklung nicht zu erkennen war. Insofern hat die Sachverständige unter Berücksichtigung der konkreten Behandlungssituation und des zu beurteilenden Befundes mit ihren Ausführungen zur "Übersehensquote" lediglich verdeutlicht, dass sich vorliegend die auch dem Senat aus anderen Verfahren bekannten methodischen Grenzen der Projektionsradiografie verwirklicht haben.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagten hätten ihre vormalige Brustkrebserkrankung nicht hinreichend berücksichtigt. Dabei kann dahinstehen, von welchem Behandlungsanlass – Überprüfung der Bildung eines Rezidivs bzw. von Metastasen (so die Klägerin) oder die Abklärung einer prolongierten Bronchitis (so die Beklagten) – die Sachverständige ausgegangen ist. Ausweislich des Überweisungsscheins vom 8. November 2012 erfolgte die Röntgenuntersuchung des Thorax wegen der klinischen Verdachtsdiagnose einer prolongierten Bronchitis. Hiervon ist auszugehen, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer ordnungsgemäßen und vertrauenswürdigen Dokumentation Glauben zu schenken ist (BGH, NJW 1987, 1681, 1682). Anhaltspunkte für eine zweifelhafte Dokumentation bestehen nicht. Die Zugrundelegung der Verdachtsdiagnose einer prolongierten Bronchitis als Untersuchungsanlass führt gleichwohl nicht dazu, dass die frühere Brustkrebserkrankung der Klägerin, die dem Beklagten bekannt war, hätte außer Acht gelassen werden können. Vielmehr war dieser Kenntnisstand – wie es auch aus den Ausführungen des Landgerichts und der Sachverständigen hervorgeht – zu berücksichtigen. Die Klägerin kann sich jedoch nicht darauf berufen, die Beachtung ihrer früheren Brustkrebserkrankung sei unzureichend erfolgt. Die Sachverständige hat in ihren gutachtlichen Ausführungen klargestellt, dass auch bei Auswertung der Röntgenaufnahmen in Kenntnis des Zustands nach brusterhaltender Therapie eines Mammakarzinoms keine abweichende Beurteilung der Bildaufnahmen vorzunehmen ist. Ihre gesamten gutachtlichen Ausführungen zur Erkennbarkeit des Herdes bzw. der rundlichen Verdichtung bauen auf die Kenntnis der Beklagten von der Brustkrebserkrankung der Klägerin auf. Sie lassen klar erkennen, dass auch bei Kenntnis der Brustkrebserkrankung aus den angeführten Umständen die rundliche Verdichtung nicht zu perzipieren war bzw. das Übersehen der in dem nachträglichen Wissen erkennbaren Verdichtung nicht zu einer unvertretbaren Deutung der Befunde geführt hat.

Soweit die Sachverständige in diesem Zusammenhang auf die Beurteilung der radiologischen Bildgebung durch Ärzte des Radiologischen Instituts der Universitätsklinik …[Z] verwiesen hat, kann die Klägerin dies nicht mit dem Argument angreifen, es handele sich hierbei nicht um einen repräsentativen Querschnitt aller Radiologen. Die Mitteilung der für Beurteilung der Vertretbarkeit der Deutung der Befunde in der gegebenen Situation maßgebenden medizinischen Aspekte war durch die Sachverständige vorzunehmen. Es fiel in deren Aufgabe, die tatrichterliche Überzeugungsbildung durch Vermittlung allgemeiner Erfahrungssätze und besonderer Kenntnisse des jeweiligen Wissensgebietes bzw. durch das Ziehen von Schlussfolgerungen aufgrund von Erfahrungssätzen und besonderen Fachkenntnissen aus einem bestimmten feststehenden Sachverhalt zu unterstützen (vgl. etwa OLG Koblenz, GesR 2005, 329). Insofern waren bereits die Ausführungen der Sachverständigen zur unvertretbaren Gefahr einer Fehldeutung des erhobenen Befundes sowie zu denjenigen Umständen, die vorliegend zur Nachvollziehbarkeit der Befundauswertung führen, geeignet, die Annahme eines nicht zu vertretenden Diagnoseirrtums zu tragen. Bereits durch die entsprechenden fundiert begründeten medizinischen Einschätzungen der Sachverständigen ist sie ihrem Gutachtenauftrag nachgekommen. Die von der Sachverständigen vorgenommene "Erprobung" ihrer Beurteilung durch die testweise Befundauswertung durch radiologische Institutsärzte ist daher nur von flankierender Natur. Sie wurden von der Sachverständigen ersichtlich nicht dazu angeführt, "repräsentativ" zu belegen, dass kein Radiologe den Befund richtig gedeutet hätte. Insofern kommt der testweisen Beurteilung des Befundes durch andere Radiologen des Instituts lediglich eine plausibilisierende Wirkung hinsichtlich der Ausführungen der Sachverständigen zu. Insofern ist die Vorgehensweise der Sachverständigen nicht zu beanstanden. Darüber hinaus verdeutlichen die Ergebnisse des von der Sachverständigen eingeholten Meinungsbildes, dass auch in Kenntnis der vorangegangenen Brustkrebserkrankung der Klägerin ohne die Erkenntnisse zu dem weiteren Krankheitsverlauf eine richtige Befunddeutung zumindest nicht ohne weiteres eröffnet war. Denn die Sachverständige hat überzeugend darauf verwiesen, dass den befragten Institutsradiologen allein aufgrund der Art der Fragestellung klar war, dass diagnostische Schwierigkeiten gegeben waren. Auch zur Verdeutlichung dessen bedurfte es allerdings keiner "repräsentativen Umfrage" unter Radiologen.

Die von der Klägerin hinsichtlich der Überlebenschancen bei einem metastasierten Mammakarzinom vorgebrachten Einwände gegen die Ausführungen der Sachverständigen sind für die Frage des Vorliegens eines Diagnosefehlers nicht zielführend. Aber auch hinsichtlich eines Befunderhebungsfehlers eröffnet sich keine von der Entscheidung des Landgerichts abweichende Sichtweise. Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn die Beklagten für die Diagnosestellung oder die Überprüfung, Kontrolle oder weitere Abklärung der Anfangsdiagnose erforderliche Befunde erheben mussten. Auch wenn sich die Klägerin in ihrem Klagevorbringen nicht ausdrücklich auf das Vorliegen eines Befunderhebungsfehlers berufen hat, hat sich das Landgericht in der mündlichen Anhörung der Sachverständigen im Termin vom 6. September 2016 und hierauf aufbauend in der angefochtenen Entscheidung hiermit auseinandergesetzt. Unter Verwertung der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. ...[A] hat das Landgericht in nachvollziehbarer und auch für den Senat überzeugender Weise klargestellt, dass eine weitere Befunderhebung im November 2012 weder unter dem Gesichtspunkt der Abklärung einer prolongierten Bronchitis noch der Sachlage eines Zustands nach einem operativ entfernten Mammakarzinom geboten war. Ein entsprechender Behandlungsstandard lässt sich nach den Ausführungen der Sachverständigen nicht vermitteln. Hiergegen hat die Klägerin weder erstinstanzlich noch mit der Berufungsbegründung Einwände erhoben. Weitergehender Aufklärungsbedarf ist nach den eingehend begründeten Ausführungen der Sachverständigen im Anhörungstermin vom 6. September 2016 (Bl. 167 f. GA) nicht gegeben.

Allein die Kritik der Klägerin an den Angaben der Sachverständigen zu den Heilungschancen bei einem metastasierten Mammakarzinom stellen das Fehlen eines Anknüpfungspunktes für einen Befunderhebungsfehler nicht in Frage. Die Beurteilung, ob ein Befunderhebungsfehler vorliegt, ist von der Frage der Überlebenschancen bei einem metastasierten Mammakarzinom im Ergebnis unabhängig, wenn selbst bei einem Zustand nach der operativen Entfernung eines Mammakarzinoms ohne weitere Anhaltspunkte keine vorsorgliche CT-​Untersuchung zur Kontrolle geboten ist, was sich im Übrigen mit den Erfahrungen des Senats aus anderen Verfahren deckt. Die Einwände der Klägerin ziehen auch die Sachkenntnis der Sachverständigen nicht in Zweifel. Die angegriffene Äußerung wird von der Beklagten letztlich damit angegriffen, auch bei einem metastasierten Mammakarzinom seien Überlebensvorteile möglich, die letztlich zu einem Überleben über Jahrzehnte führen könnten. Dieser Angriff stellt die Äußerung der Sachverständigen nicht in Frage, sondern lediglich in einem anderen Licht dar. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass bei einem fern-​metastasierten Mammakarzinom kein vollständig kurativer Ansatz möglich ist, wie dem Senat auch in anderen Verfahren aktuell durch Sachverständige berichtet wurde. Die Sachverständige Prof. Dr. ...[A] hat mit ihrer Ausführung, bei einem metastasierten Mammakarzinom bestehe keine Heilungschance, nicht in Abrede gestellt, dass Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die das Überleben der Patienten beeinflussen können. Damit ist letztlich eine Frage des Kausalzusammenhangs im Falle des Vorliegens eines Behandlungsfehlers angesprochen. Mit Blick auf die Beurteilung der mutmaßlichen Fehlerhaftigkeit der Befunderhebung hat die Sachverständige mit ihrem Hinweis auf die Heilungsmöglichkeit bei metastasierten Mammakarzinom lediglich einen für die Diskussion um die Frage der gebotenen Befunderhebung nach einem Mammakarzinom erheblichen Gesichtspunkt hingewiesen. Sie hat nur einen Aspekt des medizinischen Meinungsstandes, ob bei einem entfernten Mammakarzinom weitere CT-​Kontrolluntersuchungen geboten sind, verdeutlicht. Dass die entsprechende Darstellung der Sachverständigen fehlerhaft sei, wird von der Klägerin nicht angeführt. Sie beschränkt sich darauf, die Überlebensmöglichkeiten bei einem metastasierten Mammakarzinom zu betonen, ohne jedoch den Diskussionsstand in der medizinischen Wissenschaft zur Befunderhebung anzugreifen. Insofern bedarf es keiner ergänzenden Anhörung der Sachverständigen dazu, welche Überlebensvorteile bei einem metastasierten Mammakarzinom aufgrund aktueller Behandlungsmöglichkeiten denkbar sind.

III.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen vor.

Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung kostensparend zurückzunehmen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 45.000,00 € festzusetzen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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