(20.9.2017) Auch wenn ein Werbender (hier eine Privatklinik) ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel (hier Botox) weder verkauft noch mit ihm Handel treibt oder das Arzneimittel verschreibt, vielmehr nur durch Partnerärzte spritzen lässt, so unterfällt dies den Werbebeschränkungen des Heilmittelwerberechts (HWG). Die Werbung für Botox u.a. zur Faltenbehandlung betrifft Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen, für die Botox nicht zugelassen ist. Die Werbung der Klinik ist daher verboten und zu unterlassen (Kammergericht Berlin, Urteil vom 17. Februar 2017 – 5 U 78/16).

Botox soll Falten beseitigenDer Fall:

Die beklagte Privatklinikbetreiberin wirbt im Internet für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin Typ A (umgangssprachlich: Botox) u.a. mit folgenden Anwendungsgebieten:

a) “Stirnregion und/oder Zornesfalten und/oder Augenregion und/oder Achseln”,

b) mit der Angabe: “ist ein Protein, das die Muskelkontraktion durch Blockade des hierfür notwendigen Botenstoffs vermindert. Dadurch kommt es zu einer Muskelentspannung, die dafür sorgt, dass sich minische Falten glätten bzw. vollständig verschwinden.”,

c) mit der Angabe: “Der klassische Anwendungsbereich für Botulinum sind die Falten des oberen Gesichtsdrittels, also die Stirnfalten, die Zornesfalten über der Nase (Glabellafalten) sowie Lachfalten an den Augenwinkeln (Krähenfüße)”,

f) mit der Angabe: “Andere Anwendungsbereiche von Botulinum stellen … auch die Migränetherapie dar.”,

Die Behandlung mit Botox erfolgt durch Partnerärzte auf Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), sprich die Behandlungsverträge werden zwischen den Patienten und den sogenannten Partnerärzten geschlossen.

Ein Wettbewerbsverein verlangte erfolglos die Unterlassung der Werbung. Der Verein klagte auf Unterlassung. Das Landgericht Berlin (19. April 2017, Az: 103 O 118/15) wies das Verlangen zurück. 

Die Entscheidung:

Anders als noch das Landgericht verbot das Kammergericht diese Werbung:

§ 3a HWG verbietet Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten, und greift auch dann ein, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

Das Botulinumtoxin Typ A enthaltende Präparat Botox “D...” der I... P... GmbH ist verschreibungspflichtig und für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:

  • zur symptomatischen Alternativbehandlung von idiopathischem Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss), hemifazialem Spasmus und koexistierenden fokalen Dystonie
  • zur symptomatischen Behandlung einer zervikalen Dystonie (Torticollis spasmodicus = spastische Schief- bzw. Fehlhaltung des Halses) mit Beginn im Erwachsenenalter
  • zur symptomatischen Behandlung einer Armspastik bei Erwachsenen infolge eines Schlaganfalls.

Für kosmetische Anwendungen, den Einsatz gegen extreme Schweißneigung und zur Behandlung von Migräne ist es mithin nicht zugelassen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt die Anwendbarkeit des HWG, insbesondere des § 3a HWG, nicht voraus, dass die Beklagte das verschreibungspflichtige Arzneimittel “D...” verkauft, mit ihm Handel treibt oder das Arzneimittel verschreibt. Gemäß Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG gelten als “Werbung für Arzneimittel” im Sinne des Art. 87 Abs. 1 der Richtlinie alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Eine Anregung zum Verbrauch eines Arzneimittels kann jeder geben, unabhängig davon, ob er Arzneimittel verkauft, mit Arzneimitteln Handel betreibt oder Arzneimittel verschreibt oder nicht.

Der Einordnung der beanstandeten Aussagen als unzulässige Werbung steht jedenfalls im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Erwähnung des Arzneimittels im Zusammenhang mit einer ärztlichen Tätigkeit erfolgt. Die beworbene ärztliche Tätigkeit ist auf die Behandlung verschiedener Gesichtsregionen mit dem Ziel der Glättung von Falten und der Behandlung der Achseln mit dem Ziel der Minderung extremer Schweißneigung gerichtet. Die ärztliche Tätigkeit, die die Beklagte als juristische Person ohnehin nicht vornimmt, beschränkt sich offenbar weitgehend auf die Injektion des Arzneimittels, mit anderen Worten den Verbrauchsvorgang.

Aus Sicht des Gerichts ist der Hinweis auf die Möglichkeit, Botulinumtoxin Typ A bei der Migränetherapie einzusetzen nicht lediglich eine (erlaubte) rein sachliche Information ohne Werbecharakter. Denn aus Sicht des Verbrauchers könnte die Aussicht, mit der Behandlung neben einer Verbesserung des Aussehens möglicherweise auch noch eine Wirkung gegen Migräne herbeiführen zu können, die Attraktivität der Botox-Behandlung erhöhen.

Praxisanmerkung:

Die Werbung einer Ärztin mit Faltenunterspritzungen mittels Botox ist verboten, weil diese Werbung gegen das HWG verstößt (OLG Frankfurt, Urteil vom 31. August 2006 – 6 U 118/05). Das Kammergericht hat dieses Werbeverbot erweitert, indem es den Kreis der Adressaten des Werbeverbotes aufgeweitet hat - auch wer (wie hier die Privatklinik) eine bloße Anregung zum Verbrauch des Arzneimittels gibt, "wirbt" auch dafür und muss sich den Verboten des HWG unterwerfen.

Jeder Werbende sollte daher geplante Werbemaßnahmen oder auch scheinbar nur beschreibende Angaben über eine Behandlung vor einer Veröffentlichung durch einen Anwalt auf die rechtliche Zulässigkeit prüfen lassen.   

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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