(18.9.2017) Vermehrt bitten Patienten Ärzte, ihnen Cannabis zu verordnen, z.B. zur Schmerzbehandlung. Eine Entscheidung des Sozialgerichts Trier zeigt, dass der Arzt sich entscheiden muss - will er Cannabis verordnen oder nicht (SG Trier, Beschluss vom 4.9.2017 - S 3 KR 143/17 ER)?

Wann ist einem Patienten Cannabis zu verordnen?Durch die Verordnung übernimmt der Arzt die Verantwortung für eine bestimmte Behandlung. Die Verordnung ist der Dreh- und Angelpunkt der Behandlung und der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (Sachleistungsprinzip).

Im vorliegenden Fall waren sich die behandelnden Allgemeinärzte einer an chronischer Schmerzstörung, chronischen Rückenschmerzen, Depressionen und Angststörung leidenen Patientin, die Cannabis verabreicht haben wollte, nicht ganz sicher, ob sie diese Verantwortung übernehmen wollten. Daher schrieben sie der Patientin nur ein Attest über „die versuchsweise Rezeptierung von Cannabis nach den neuen Richtlinien zum 01.03.2017“, weil der Erfolg der bisherigen Schmerztherapie (Oxycodon 10mg ret. Tabletten, Ibuprofen 800 Tabletten) nach den Angaben der Antragstellerin unzureichend sei. Von der Krankenkasse wurden die Hausärzte befragt, wie das zu verstehen sei. Wörtlich gaben die Ärzte an, es handele sich bei der beantragten Versorgung um eine „Wunschverordnung“.

Das reicht aber aus Sicht des Sozialgerichts Trier nicht aus. Die Kasse muss der Patientin daher kein Cannabis bezahlen nach § 13 Absatz 3a SGB V

Es fehlt aus Sicht des Gerichts schon an einer konkretisierenden Verordnung, die dem Apotheker die Übergabe eines bestimmten Medikaments in einer bestimmten Menge und Darreichungsform ermöglicht.

Auch das ärztliche Attest der Allgemeinärzte und deren weiteren Angaben enthalten keine Hinweise auf die konkrete zu erbringende Leistung. In dem Attest ist lediglich eine Rezeptierung von Cannabis nach den neuen Richtlinien zum 01.03.2017 aufgeführt. Welches konkrete Produkt zur Behandlung eingesetzt werden soll, ist nicht genannt, auch in den ausgefüllten Fragebögen geben die Ärzte kein konkretes Produkt an.

Der Wunsch des Versicherten eine bestimmte Verordnung zu erlangen, ersetzt nicht die begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung in dem Einzelfall nicht zur Anwendung kommen kann.

Praxisempfehlung:

Wünsche des Patienten auf eine bestimmte Behandlung oder Verordnung sind irrelevant. Entweder der Arzt hält eine Behandlung für erforderlich und führt diese durch bzw. verordnet entsprechende Medikamente. Oder er entscheidet sich dagegen und weist den Wunsch des Patienten zurück. Kompromisse wie das hier vorliegende Wunschattest helfen auch dem Patienten nichts und bringen dem Arzt nur weiteren Papierkram. Mir ist der Fall eines Hausarztes bekannt, der wegen der vermehrten Anfragen nach einer Behandlung mit Cannabis nunmehr gar keine Verordnungen mehr über Cannabis ausstellt, weil ihm die ständigen Diskussionen mit den Patienten auf die Nerven gingen. Der Arzt ist in keinem Fall verpflichtet, Cannabis zu verordnen. Das Ärzteblatt gibt dazu folgende Hinweise:

Ärztinnen und Ärzte jeder Fachrichtung können ab 1. März 2017 Cannabisblüten und Extrakte aus Cannabis mittels Betäubungsmittel-(BtM-)Rezept verordnen. Hierfür ist keine besondere Qualifikation erforderlich. Das bisherige Verfahren entfällt damit, dass Patienten bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb einer standardisierten Cannabisextraktzubereitung oder von Medizinal-Cannabisblüten zur Anwendung im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie beantragen müssen.

Alle anderen bisher in Deutschland bereits verschreibungsfähigen Cannabis-basierten Medikamente können auch weiterhin unverändert verordnet werden. Allerdings besteht unverändert nur für das Mundspray Nabiximols (Sativex®) eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Therapie der mittelschweren bis schweren Spastik bei Erwachsenen mit Multipler Sklerose (MS). Der Cannabisextrakt Nabiximols (bestehend aus einer Kombination von Tetrahydrocannabinol [THC] und Cannabidiol [CBD]), kann in anderen Indikationen aber ebenso off-label verschrieben werden wie die THC-Wirkstoffe Dronabinol und Nabilon. Vor einer Off-Label-Verordnung (per Kassenrezept) sollte stets eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragt werden.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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