(24.7.2017) Ein Pneumologe in Templin erhält eine Sonderbedarfszulassung, weil in Templin kein Pneumologe sitzt und der nächste Pneumologe im 35 km entfernten Prenzlau tätig ist. Auch durch das spätere Angebot des eingesessenen Pneumologen auf Eröffnung einer Zweigpraxis im unterversorgten Templin ändert daran nichts. Die gegen die Sonderbedarfszulassung gerichtete Konkurrentenklage des in Prenzlau eingesessenen Pneomologen wird abgewiesen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juli 2017 – L 24 KA 42/15).

Der Blick des Pneumologen auf die LungeDer Fall:

Der in Templin eingesessene Internist und Pneomologe greift eine einem anderen Pneumologen erteilte Sonderbedarfszulassung mit einem halben Versorgungsauftrag für eine vertragsärztliche Tätigkeit als fachärztlicher Internist mit Schwerpunkt Pneumologie in Templin an.

Entscheidend begründete der klagende eingesessene Pneumolge seine Klage mit dem Argument, der Ausschuss habe hinsichtlich der Sach- und Rechtslage auf den falschen Zeitraum, nämlich den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, abgestellt. Der eingesessene Arzt hatte mittlerweile nämlich beantragt, ihm eine Zweigpraxis in Templin zu genehmigen - diese Zweigpraxis verbessere qualitativ und quantitativ die dortige Versorgung und gehe einer Sonderbedarfszulassung vor.

Das Sozialgericht stellte eine unzureichende Versorgungslage in Templin fest - der Ausschuss habe diesen Versorgungsbedarf auch ordnungsgemäß ermittelt. In Templin sei kein Pneumologe tätig. Die Praxis des klagenden Pneumologen liege im 35 km entfernten Prenzlau. Nach den Feststellungen des beklagten Zulassungsausschusses bestehe zwar eine regelmäßige Busverbindung, jedoch benötige der Bus für eine Fahrstrecke ca. 70 Minuten. Das Sozialgericht konnte insofern keine Ermessensfehler in der Entscheidung des Ausschusses erkennen und wies daher die Klage des eingesessenen Pneumologen aus Prenzlau ab. Auf die mittlerweile beantragte Zweigpraxis komme es nicht an, da der neue Pneumologe schon investiert habe, und daher Vertrauensschutz genösse.

Nachdem auch Eilanträge scheiterten, ging der eingesessene Pneumologe gegen das Urteil des SG in Berufung.

Die Entscheidung:

Das LSG bestätigte die Klageabweisung des Sozialgerichts. 

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Ausschusses, der hier bei Fragen der Sonderbedarfszulassung maßgeblich sei, bestand ein Sonderbedarf, so das LSG. Das LSG nahm auf die Begründung des SG Bezug. 

Im gesperrten Bereich seien Sonderzulassung aufgrund eines besonderen lokalen oder qualifikationsbezogenen Besorgungsbedarfes möglich, § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Dieser Sonderbedarf bestehe hier. 

Der Sonderbedarf erfordere:

  1. Eine abgrenzbare Region, die vom beantragten Ort der (Sonder-)Niederlassung aus versorgt werden soll
  2. Bewertung der Versorgungslage (Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage).
  3. Der Ort der (Sonder-)Niederlassung muss für die beantragte Versorgung geeignet sein, d.h. er muß erreichbar und dauerhaft sein). Er muss strukturelle Mindestbedingungen erfüllen; der Einzugsbereich der (Sonder-)Praxis muss über eine ausreichende Anzahl an Patienten verfügen; dabei sind die Auswirkungen der (Sonder-)Praxis auf bestehende Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen.

Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt habe, überschreite der beklagte Ausschuss bei der Annahme eines Versorgungsbedarfes im Sinne des § 36 BedarfsplRL seinen Beurteilungsspielraum nicht. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verweist das LSG auf die Ausführungen des SG. Ob es – einzelne – Fahrverbindungen zwischen T und P mit öffentlichen Verkehrsmitteln von 40 Minuten gebe, spiele für die Annahme, dass die Fahrten regelmäßig unzumutbar sind, keine relevante Rolle.

Das entscheidende Argument des Klägers, das SG habe hinsichtlich der Sach- und Rechtslage auf den falschen Zeitraum abgestellt und deshalb zu Unrecht seine im Raum stehende Zweigpraxis in T unberücksichtigt gelassen, greift nicht durch. Mittlerweile ist die Ablehnung durch die Beigeladene bestandskräftig.

Praxisanmerkung:

Der Versuch des eingesessenen Arztes, den Sonderbedarf im Nachhinein durch das Angebot einer eigenen (Zweig-)Praxis im unterversorgten Bereich zu beseitigen, ist gescheitert.

Denkbar wäre aber, dass man diesen Antrag auf Genehmigung einer Zweigpraxis sofort mit Bekanntwerden des Sonderbedarfszulassungsantrages stellt. Dann könnte der Zulassungsausschuss im Rahmen seines Ermessens entscheiden, den Sonderbedarf über die Zweigpraxisgenehmigung zu decken - vorausgesetzt, dass die Zweigpraxistätigkeit des eingesessenen Arztes nicht die Tätigkeit in der (Haupt-)Praxis einschränkt.  

In jedem Fall sollte der eingesessene Arzt schnell handeln, wenn er gegen einen Konkurrenten vorgehen will. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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