Für die Entscheidung, ob die Kosten eines vom Arzt verordneten Hilfsmittels (hier: Soft-Orthesen) von der Krankenversicherung getragen werden muss, kommt darauf an, ob die Spezialbandage nach dem ärztlichen Erfahrungswissen die medizinisch notwendige Unterstützung der nur eingeschränkt funktionstüchtigen Körperteile leiste. Auf andere Gesichtspunkte komme es nicht an (Hessisches LSG, Urteil vom 19.06.2008, - L 8 KR 69/07 -).

Die im Jahre 1995 geborene Klägerin leidet aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung an einer infantilen Cerebralparese. Dadurch ist die Zusammenarbeit verschiedener Muskeln sowie deren Kontrolle und Steuerung gestört. Ein selbstständiges Gehen ist der Klägerin aufgrund der spastischen Lähmung nicht möglich.

Der behandelnde Arzt verordnete der Klägerin dynamische GPS-Soft-Orthesen, um erste Schritte und damit ein Erlernen des Laufens zu ermöglichen. Diese Bandagen liegen auf dem betroffenen Körperteil eng an. Durch den Druck des elastischen Materials auf die Rezeptoren kann aus Sicht des behandelnden Arztes die Körperwahrnehmung verbessert werden.

Die Krankenkasse der Klägerin teilte diese Auffassung nicht und bezweifelte die therapeutische Wirksamkeit der Soft-Orthesen. Ihrer Ansicht nach reichten feste Orthesen aus Carbonfasermaterial aus. Sie lehnte daher die Übernahme der Kosten in Höhe von knapp 1.100 Euro ab

Das Hessische LSG bejahte den Klageanspruch. Es führt zur Begründung aus, die Soft-Orthesen leisteten die notwendige Unterstützung der behinderten Körperteile. Anders als die starren Orthesen ließen die dynamischen Soft-Orthesen mehr Bewegungsfreiheit zu und seien leichter anzuziehen. Das Gericht ist der Auffassung, ein über den bloßen Ausgleich der Behinderung hinaus gehender therapeutischer Nutzen müsse von der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Klinische Prüfungen der Orthesen seien daher nicht erforderlich. Das hier vorliegende ärztliches Erfahrungswissen des behandelnden Arztes reiche vielmehr aus. Dass die Soft-Orthesen nicht im Hilfsmittelverzeichnis stehen, ist nach Ansicht des Hessischen LSG ohne Bedeutung, da dieses Verzeichnis für die Gerichte nur eine unverbindliche Auslegungshilfe darstelle.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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