(6.7.2017) Eine starre Mindesthöhe von 2,50 Metern für Praxisräume ist - in Abweichung zu einer Entscheidung des Bundessozialgerichts von 1996 - nicht mehr sachgerecht. Die Erbringung physiotherapeutischer Leistungen ist damit auch in Praxisräumen in einem Kellergeschoß zuzulassen, die eine lichte Höhe von 2,28 Metern aufweisen (Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. April 2017 – L 6 KR 936/14). 

Metermass erforderlichTenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 16. Juli 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2013 und der Bescheid vom 31. Juli 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen in ihren Praxisräumen in der T.straße in W. zuzulassen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt auch im Berufungsverfahren von der Beklagten die Zulassung nach § 124 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen.

Die Klägerin ist Physiotherapeutin und zeigte der Beklagten am 14. März 2013 die Verlegung ihrer Physiotherapiepraxis innerhalb der Stadt W. an. Gleichzeitig beantragte sie die Zulassung zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen für die neuen Praxisräume in der … in W. Die Klägerin ist Miteigentümerin dieses Gebäudes, in dessen Kellerräumen sie ihre Praxisräume einzurichten beabsichtigte. Bestandteil der umfangreichen Antragsunterlagen war u.a. die erteilte Baugenehmigung des Landratsamts G. vom 25. Februar 2013 zur Nutzungsänderung sowie die entsprechenden Baupläne.

Mit Bescheid vom 18. März 2013 lehnte die Beklagte den Zulassungsantrag mit der Begründung ab, dass die geplante Praxis nach Prüfung der Unterlagen die räumlichen Mindestvoraussetzungen entsprechend den Empfehlungen des GKV-​Spitzenverbandes gemäß § 124 Abs. 4 SGB V zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen nach § 124 Abs. 2 SGB V für Leistungserbringer von Heilmitteln, die als Dienstleistungen an Versicherte abgegeben werden (im Folgenden: Zulassungsempfehlungen) in Bezug auf die Therapieflächen und die Raumhöhe nicht erfülle.

Hiergegen erhob die Klägerin am 28. März 2013 Widerspruch und trug vor, die zwei zusätzlich erforderlichen Behandlungsräume könnten u.a. durch Teilung eines Raumes geschaffen werden. Hinsichtlich der Raumhöhe sei zu konstatieren, dass die Arbeitsstättenverordnung 1975 durch die Verordnung über Arbeitsstätten vom 12. August 2004 ersetzt wurde. Durch deren § 6 Abs. 1 werde lediglich gefordert, dass Arbeitsräume eine ausreichende Grundfläche und Höhe sowie einen ausreichenden Luftraum aufwiesen. Im Hinblick auf Art. 12 des Grundgesetzes (GG) stelle sich die Versagung der Zulassung als unverhältnismäßig dar und verstoße gegen das Übermaßverbot. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 10. April 2013 darauf hin, dass die Vorschläge der Klägerin hinsichtlich der Schaffung der zusätzlichen Behandlungsräume unzulänglich und daher abzulehnen seien. Der entscheidende Punkt bleibe aber die tatsächliche Raumhöhe von 2,28 m, die wesentlich von der geforderten Mindesthöhe von 2,50 m abweiche. Die erwähnte Arbeitsstättenverordnung 2004 sei ebenso wie die erteilte Baugenehmigung für die kassenseitige Zulassungsentscheidung irrelevant. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2013 wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, durch die unbestimmten Rechtsbegriffe in § 124 SGB V werde den Zulassungsbehörden ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der insoweit in zulässiger Weise durch die gemäß § 124 Abs. 4 SGB V abgegebenen Empfehlungen für eine einheitliche Anwendung der Zulassungsbedingungen konkretisiert. Danach müsse die Raumhöhe der Therapieräume durchgehend mindestens 2,50 m lichte Höhe betragen. Die Raumhöhe in den Praxisräumen der Klägerin betrage nur 2,28 m.

Einen geänderten Zulassungsantrag der Klägerin vom 16. Juli 2014 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Juli 2014 ab.

Bereits zuvor, nämlich am 3. Juni 2013, hatte die Klägerin vor dem Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen die im Widerspruch ausgeführten Argumente wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass sie einen weiteren Praxisraum mit einer Grundfläche von 25 m² und einer Raumhöhe von 2,50 m für die Nutzung zur Krankengymnastik schaffen könne. Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, die Klägerin erfülle nicht die räumlichen Voraussetzungen der Zulassungsempfehlungen, da sie nicht über die zwei erforderlichen Behandlungsräume bzw. Kabinen mit jeweils 6 m² verfüge und auch die Raumhöhe in den Praxisräumen durchgehend nur 2,28 m betrage und somit die geforderte Raumhöhe von 2,50 m mit 22 cm erheblich unterschreite. Auch wenn die Zulassungsempfehlungen nicht verbindlich seien, so konkretisierten sie doch den Beurteilungsspielraum, der ihr durch die unbestimmten Rechtsbegriffe in § 124 Abs. 2 SGB V eingeräumt werde. In den Praxisräumen der Klägerin sei eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung unabhängig von der Änderung der Arbeitsstättenverordnung 1975 nicht gewährleistet. Es liege auf der Hand, dass bei einer extrem niedrigen Raumhöhe Heilmittel, wie sie die Klägerin zu erbringen habe, nicht „zweckmäßig“ erbracht werden könnten. Eine Raumhöhe von 2,50 m - lichte Höhe - dürfe nicht unterschritten werden. Zudem bedürften die Behandlungsräume einer ordnungsgemäßen Be- und Entlüftung. Die Räumlichkeiten der Klägerin im Kellergeschoss seien jedoch nur mit wenigen Kellerfenstern versehen. Dem stehe weder entgegen, dass die Thüringer Bauordnung eine lichte Raumhöhe von lediglich 2,40 m vorschreibe, noch, dass diesbezüglich eine baurechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt worden sei. Das Baurecht regle die spezielle Nutzung für eine physiotherapeutische Praxis nicht. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 27. März 1996 - Az. 3 RK 25/95 ausdrücklich festgestellt. Das Grundrecht der Klägerin nach Art. 12 GG werde hierdurch nicht verletzt, da die in § 124 SGB V geregelten Zulassungsvoraussetzungen als Regelungen der Berufsausübung zulässig seien, weil sie im Interesse und zum Schutz der Versicherten eine ausreichend fachkundige, erfahrene und durch eine ordnungsgemäße Praxisausstattung unterstützte Leistungserbringung sicherstellen sollen, mithin durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt seien. Die Versagung der Zulassung sei insbesondere nicht unverhältnismäßig, da die geforderte Mindesthöhe der Räume nicht nur geringfügig unterschritten werde. So habe das BSG in der bereits zitierten Entscheidung eine Unterschreitung der Mindestraumhöhe von 10 bis 33 cm als massive Abweichung angesehen und gleichzeitig einen Härtefall abgelehnt. Hinzu komme, dass im Falle der Klägerin auch keine zwei Behandlungsräume zu jeweils 6 m² zur Verfügung stünden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Juli 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständlichen Kellerräume erfüllten nicht die Ausstattungsrichtlinien gemäß den Empfehlungen des GKV-​Spitzenverbandes. Die Klägerin verfüge zumindest derzeit bereits nicht über die erforderlichen zwei Behandlungskabinen mit jeweils mindestens 6 m². Auch die geforderte Raummindesthöhe von 2,50 m sei nicht vorhanden. Die Abweichung hiervon sei auch nicht nur geringfügig. Der Streitwert sei in Ermangelung geeigneter Anhaltspunkte für den mit der Zulassung erzielbaren Gewinn auf 5.000,00 € festzusetzen.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 21. Juli 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Juli 2014 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, ihr Zulassungsanspruch könne durch die Empfehlungen des GKV-​Spitzenverbandes nicht eingeschränkt werden, da dieser nicht durch § 124 Abs. 4 SGB V zur Normsetzung ermächtigt sei. Die Voraussetzungen der geltenden Arbeitsstättenverordnung 2004 würden erfüllt. Dagegen verletze die Festlegung starrer Raumhöhen ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit. Im Übrigen könne sie nunmehr einen weiteren Raum mit einer Grundfläche von 25 m² und einer Raumhöhe von 2,50 m bereitstellen. Die zwei Räume mit einer Raumhöhe von 2,28 m könnten ausschließlich als Behandlungsräume genutzt werden. Da Patienten gewöhnlich im Liegen behandelt würden, sei nicht nachvollziehbar, warum diese Leistungen bei dieser Raumhöhe nicht zweckmäßig erbracht werden könnten. Soweit sich die Beklagte auf die Technischen Regeln für Arbeitsstätten berufe, sei darauf hinzuweisen, dass es sich dabei weder um ein Gesetz noch um eine Verordnung handele. Zudem müsse auch der dortige Punkt 6 Abs. 4 in den Abwägungsprozess einbezogen werden. Neben dem Verband der Ersatzkassen e.V. und dem B., die in parallelen Verfahren im Vergleichswege nach Erfüllung zusätzlicher Anforderungen die Zulassung erteilt hätten, habe ihr inzwischen auch die I. die Zulassung erteilt. Sie legt die entsprechende Zulassungsentscheidung der I. vom 21. Dezember 2016 vor.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 16. Juli 2014 sowie die Bescheid der Beklagten vom 18. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2013 und den Bescheid vom 31. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen in ihren Praxisräumen in der T.straße in W. zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus, dass auch hinsichtlich des nunmehr vorgeschlagenen weiteren Raums die räumlichen Mindestvoraussetzungen an die Praxisausstattung nicht erfüllt seien. Nicht abschließend geklärt sei, ob er tatsächlich die geforderte Therapiefläche von mindestens 20 m² aufweise. Insoweit ergäben sich Diskrepanzen hinsichtlich der eingereichten Unterlagen (26,27 m²) und ihren Berechnungen (19,936 m²). Letztlich könne dies aber dahinstehen, da die Mindestraumhöhe für alle Therapieräume erforderlich sei. Dies sei der Grund für ihre Ablehnung. Nach ihrer Auffassung werde eine lichte Raumhöhe von 2,28 m bereits den Anforderungen an eine ausreichende Höhe im Sinne des § 6 Arbeitsstättenverordnung 2004 nicht gerecht. In diesem Zusammenhang verweise sie auf die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (Ausgabe September 2013), die u.a. die Anforderungen an Raumabmessungen von Arbeitsräumen und Bewegungsflächen konkretisierten. Danach hielten die Fachexperten des Ausschusses für Arbeitsstätten nach dem aktuellen Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Arbeitshygiene sowie unter Berücksichtigung sonstiger arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,50 m für Arbeitsräume für erforderlich. Anhand der Fotos des derzeitigen Gymnastikraumes, der in eine oder zwei Kabinen umgestaltet werden solle, könne man gut erkennen, wie niedrig und erdrückend der Raum sei.

Der Berichterstatter des Senats hat am 15. Februar 2016 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der in der Gerichtsakte befindlichen Sitzungsniederschrift (Bl. 116 f. der Gerichtsakte) verwiesen.

Der Senat hat die parallelen Berufungsverfahren der Klägerin gegen den … (Az.: L 6 KR 1286/14) und gegen den Verband der Ersatzkassen e.V. (Az.: L 6 KR 692/14) beigezogen und am 20 April 2017 im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen Ortstermin durchgeführt. Auch diesbezüglich wird hinsichtlich der Einzelheiten auf den Inhalt der in der Gerichtsakte befindlichen Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Gerichtsakten der parallelen Berufungsverfahren und der Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Sie ist auch im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie der Bescheide der Beklagten begründet; diese verletzten die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der begehrten Zulassung. Diese ist nach § 124 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 207 Abs. 4 SGB V hierfür im Bereich der allgemeinen Ortskrankenkassen in Thüringen zuständig.

Der Zulassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 124 Abs. 2 SGB V. Die im vorliegenden Fall einschlägige, weil einzig zwischen den Beteiligten umstrittene Zulassungsvoraussetzung ist in § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V geregelt. Hiernach setzt die Zulassung als Heilmittelerbringer u.a. voraus, dass der jeweilige Antragsteller über eine Praxisausstattung zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung verfügt. Nach Überzeugung des erkennenden Senats verfügt die Klägerin (inzwischen) über die geforderte Praxisausstattung.

Bei der Beschreibung der für eine Zulassung erforderlichen Praxisausstattung handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Anwendung gerichtlich voll überprüfbar sind. Diese Beschreibung räumt der Beklagten entgegen ihrer Auffassung keinen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein. Der Senat geht mit dem BSG (vgl. Urteil vom 27. März 1996 - Az. 3 RK 25/95, nach juris) davon aus, dass die Einräumung eines "gerichtsfesten" Beurteilungsspielraums der Beklagten den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gerichtsschutz einschränkt und deshalb nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist. Das gilt besonders im - hier einschlägigen - Schutzbereich des Art. 12 GG. Solche besonderen Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Bei den Zulassungsempfehlungen, die nach der Amtlichen Begründung (BT-​Drucks. 11/2237, S. 205) durch die Ermächtigung eine möglichst einheitliche Handhabung der Zulassungskriterien gewährleisten sollen, handelt es sich lediglich um "Verwaltungsbinnenrecht", das die Behörden anderer Träger bindet - hier die Landesverbände der Krankenkassen, wie z.B. die Beklagte, und die Verbände der Ersatzkassen bei der Zulassung -, nicht aber die Leistungserbringer und die Gerichte (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 1996 - Az. 3 RK 25/95, Rdnr. 17, nach juris). Der Senat schließt sich der Auffassung des BSG an, dass sich ein Zulassungsanspruch allein aus der Anwendung des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V ergibt.

Hiernach gehört zu einer Praxisausstattung, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleisten muss, u.a. auch die Raumhöhe. Der erkennende Senat geht mit dem BSG (vgl. Urteil vom 27. März 1996 - Az. 3 RK 25/95, Rdnr. 19, nach juris) davon aus, dass bei extrem niedriger Raumhöhe "Heilmittel", wie sie die Klägerin als Physiotherapeutin erbringt, nicht "zweckmäßig" erbracht werden können und deshalb das Erfordernis der "Zweckmäßigkeit" auch das Erfordernis einer Raummindesthöhe beinhaltet. Allerdings hält er eine starre Mindesthöhe von 2,50 m, wie sie das BSG in der zitierten Entscheidung unter Heranziehung der seinerzeit geltenden Arbeitsstättenverordnung 1975 noch angenommen hatte, nicht mehr für sachgerecht. Nach § 3 Abs. 1 der nunmehr geltenden Arbeitsstättenverordnung 2004 i.V.m. der Anlage Nr. 1.2 wird nämlich keine Mindesthöhe mehr sondern lediglich eine "in Abhängigkeit von der Größe der Grundfläche der Räume, ausreichende lichte Höhe" verlangt, "so dass die Beschäftigten ohne Beeinträchtigung ihrer Sicherheit, ihrer Gesundheit oder ihres Wohlbefindens die Räume nutzen oder ihre Arbeit verrichten können". Zwar enthalten die nach § 3a Abs. 1 Satz 2 der Arbeitsstättenverordnung 2004 zu berücksichtigenden Technischen Regeln für Arbeitsstätten Richtgrößen für die Raumflächen und -höhen, der Arbeitgeber kann jedoch davon abweichen, sofern er durch andere Maßnahmen gleichen Schutz der Beschäftigten erreicht. Im Hinblick auf die durch Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit erachtet der erkennende Senat diese nunmehr geltenden Berufsausübungsregelungen, die gerade keine starren Grenzen mehr enthalten, sondern lediglich Richtwerte mit der Möglichkeit von Ausnahmen und Abweichungen sind, für sachgerecht, weil verhältnismäßig. Sie erlauben der Zulassungsbehörde, im Einzelfall angemessene Lösungen zu finden, die auch das Grundrecht auf freie Berufsausübung so wenig wie möglich einschränken. Ausgeschlossen werden sollen dabei nur erkennbare Missstände, für deren Vorliegen der Senat im Falle der Praxisräume der Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte hat.Im Hinblick auf die von der Klägerin im Rahmen des Verwaltungs- sowie des gerichtlichen Verfahrens vorgelegten Pläne und Fotos sowie insbesondere im Hinblick auf den Eindruck, den der Senat selbst beim Ortstermin gewonnen hat, ist nicht zu erkennen, dass hier aufgrund der Höhe der Räume im Kellergeschoß von durchschnittlich 2,26 m Gefahren für die dort Beschäftigten drohen bzw. erkennbar Ungeeignetheit für den Betrieb einer Physiotherapiepraxis vorliegt. Die Klägerin ist zudem die einzige dort Beschäftigte, so dass es eines besonderen Beschäftigtenschutzes nicht bedarf. Auch ist es für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar, weshalb eine Raumhöhe von durchschnittlich 2,26 m ungeeignet für die Durchführung physiotherapeutischer Maßnahmen sein soll. Eine Erklärung hierfür ist die Beklagte, mit Ausnahme des Verweises auf die bereits zitierte Entscheidung des BSG, schuldig geblieben. Diese Begründung überzeugt aber nicht, nachdem der Gesetzgeber durch die Änderung der Arbeitsschutzverordnung keine Notwendigkeit der Festlegung von starren Raummindesthöhen mehr sieht.

Im Übrigen hat der Senat anhand der Fotos der beiden Behandlungsräume im Keller, die in Ausführung des mit den übrigen Landesverbänden abgeschlossenen Vergleichs durch die Einrichtung eines weiteren Gymnastikraumes im Erdgeschoss geschaffen wurden, und insbesondere angesichts seines persönlichen Eindrucks aller Örtlichkeiten im Rahmen des Ortstermins nicht den Eindruck gewonnen, dass die Räume zu niedrig sind und erdrückend wirken. Auch der Umstand, dass der kleinere der beiden Behandlungsräume im Keller durch eine Rohrverkleidung an der Decke in einem kleinen Teilbereich des Raumes nur eine lichte Höhe von 2,16 m aufweist, ändert an diesem Gesamteindruck nichts. Der Umfang dieser Verkleidung ist nur gering und stört nicht. Insofern ist auch dieser Raum mit einer ganz überwiegenden Höhe von 2,26 m für die Behandlung liegender Patienten ausreichend. Der Beklagten ist zudem entgegenzuhalten, dass die Klägerin die vorhandenen Räume, zu denen im Erdgeschoß auch ein Raum zählt, der eine lichte Höhe von 2,50 m aufweist, je nach der erforderlichen Therapie nutzen kann, so dass in den im Kellergeschoß befindlichen Therapieräumen nur diejenigen Therapien durchgeführt zu werden brauchen, die keine besondere Raumhöhe erfordern, wie z.B. Massagen und physiotherapeutische Übungen auf dem Boden. Eine durchgängige Mindesthöhe ist entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht erforderlich. Schließlich steht dem auch der Umstand, dass die Thüringer Bauordnung in § 47 Abs. 1 für Aufenthaltsräume eine lichte Mindesthöhe von 2,40 m verlangt, nicht entgegen, da nach der von der Klägerin vorgelegte Baugenehmigung gerade die bestehenden Abweichungen von der bauordnungsrechtlich geforderten Raummindesthöhe genehmigt worden sind.

Auch die durch die Beklagte infrage gestellte Belüftung erachtet der Senat nach der Ortsbegehung im Hinblick auf die in sämtlichen Behandlungsräumen vorhandenen Fenster für ausreichend. Nur die Klägerin arbeitet dort, so dass zur gleichen Zeit jeweils nur ein Raum für die Therapie genutzt wird, während die anderen Räume gelüftet werden können. Letztlich hat die Klägerin durch die Umsetzung der nach dem mit den anderen Landesverbänden und Ersatzkassen geschlossenen Vergleich erforderlichen baulichen Anpassungen die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 SGB V erfüllt. Dies dokumentieren die in den vom Senat beigezogenen Parallelverfahren (Az.: L 6 KR 1286/14, L 6 KR 692/14) erteilten Zulassungen. Bedenken hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit hat der erkennende Senat nicht. Lediglich ergänzend weist er darauf hin, dass auch die Raumgröße des im Erdgeschoß zusätzlich geschaffenen Gymnastikraumes ausreichend ist. Selbst wenn man der Anwendung des § 124 Abs. 2 SGB V die Zulassungsempfehlungen sowie die Berechnung der Beklagten (19,936 m²) zugrunde legen wollte, ist die Abweichung von der Raumgröße von 20 m² nur marginal (0,064 m²). Die diesbezüglichen Bedenken der Beklagten sind nicht angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Gründe für die Zulassung liegen hier vor, nachdem der Senat die grundsätzliche Bedeutung bejaht und der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 27. März 1996 - Az. 3 RK 25/95 nicht (mehr) folgt (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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