Erhält ein Augenarzt von der KV einen Arztinfobrief, in dem er über die fehlende Abrechenbarkeit bestimmter Ziffern informiert wird, so hat er umgehend zu reagieren und seine insofern fehlerhafte Abrechnung zu korrigieren. Tut er dies erst ca. vier Wochen nach Erhalt des Infobriefs, so ist dies verspätet und der Arzt muss auch einen hohen Honorarverlust (hier rund 29 %) in Kauf nehmen (SG Marburg, Urteil vom 27.4.2016 - S 16 KA 119/14). 

BerechnungenDer Fall: 

Streitig ist die nachträgliche Vergütung für 16 Leistungen nach Ziffer 90403 (Sachkosten faltbare Acryllinse außer AOK) sowie nach Ziffer 31351 (Intraocularer Eingriff der Kategorie X2) und Folgeabrechnungen nach Ziffer 31719 (Postoperative Behandlung Augenheilkunde XI/2b) für das Quartal IV/2011.

Der Kläger reichte bis 10.1.2012 und damit fristgerecht seine Honorarbrechung für das Quartal IV/2011 bei der Beklagten ein.

Die Beklagte informierte den Arzt mit Arztinfobrief vom 17.2.2012, dass die Abrechnung teilweise fehlerhaft sei. Unter anderem wies sie den Kläger darauf hin, dass bei Operationsleistungen des Kapitels 31.2 die Angabe der OPS-​Prozeduren in der gültigen Fassung erforderlich ist. Zusätzlich würden die Leistungen, die in Abschnitte 1 und 2 des Katalogs ambulant durchgeführter Operation und sonstiger stationsersetzende Eingriffe gemäß § 115b SGB V ("AOP-​Vertrag") aufgeführt seien, außerhalb der MGV. Es würde zu Absetzungen kommen

Mit Schreiben vom 19.03.2012 teilte der Arzt der Beklagten mit, im Quartal IV/2011 seien ihm bei den Abrechnungen für Katarakt-​Operationen Fehler bei der der Eintragung der Abrechnungsziffern unterlaufen. Ihm sei zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen, dass für die Berechnung der implantierten Linsen eine eigene Leistungsziffer eingetragen werden müsse. Er bat um nachträgliche Berichtigung dieser fehlenden Ziffern und listete 18 Patienten mit Name, Geburtsdatum und Behandlungsdatum auf, bei denen die Ziffer 90403 abzurechnen sei.

Dies verweigerte die Beklagte; stattdessen setzte sie die Leistungen ab. Dagegen klagte der Arzt. 

Die Entscheidung:

Das SG Marburg wies die Klage des Arztes ab. Maßgeblich sei § 3 Nr. 1 der Abrechnungsrichtlinien:

Die Abrechnungsunterlagen sind vollständig, spätestens 10 Tage nach Ende des Abrechnungsquartals bei der KV Hessen einzureichen.

Die KV Hessen kann gestatten, dass ein Arzt bzw. Psychotherapeut innerhalb der ersten 6 Wochen nach Ende eines Abrechnungsquartals seine bereits eingereichten Abrechnungsunterlagen berichtigt. Die Berichtigung ist schriftlich zu beantragen. Sie kann in allen Geschäftsräumen der KV Hessen in Anwesenheit eines Bevollmächtigten der KV Hessen erfolgen.

In begründeten Einzelfällen kann die KV Hessen auf Antrag, soweit die Bearbeitung der Abrechnung nicht beeinträchtigt wird, eine nachträgliche Berichtigung der Abrechnungsunterlagen über den Zeitraum von 6 Wochen hinaus gestatten.

Sofern einzelne Betriebsstättenabrechnungen nach Ablauf der ersten sechs Wochen nach Ende eines Abrechnungsquartals eingereicht werden, so können diese Betriebsstättenabrechnungen noch in der laufenden Abrechnung berücksichtigt werden, soweit die Bearbeitung der Abrechnung nicht beeinträchtigt wird und über diese Betriebsstätte in der Vergangenheit regelmäßig abgerechnet wurde.

Das Gericht hielt dem Arzt zwar zugute, dass es sich um einen erheblichen Honorarverlust (rund 29 %) handele und die Praxis noch jung und in der Abrechnung gesetzlich Versicherter unerfahren sei. Auch ließ es erkennen, dass die Abrechnung von Sachmittelpauschalen bei Katarakt-OPs möglicherweise fehleranfällig ist. Einen Bonus für Jungpraxen verneinte das Gericht aber; die Abrechnungsregeln sind zwingend - es liege in der Risikosphäre jedes Vertragsarztes, sich die Kenntnisse anzueignen oder der Expertise Dritter zu bedienen, um eine korrekte Abrechnung zu gewährleisten.

Gegen den Arzt führte das Gericht ins Feld, dass er die Ziffer 90403 im Quartal IV/2011 ja einmal abgerechnet hatte - sie war ihm also nicht unbekannt. Ganz maßgeblich zu Lasten des Arztes war aber zu berücksichtigen, dass er auf den Arztinfobrief nicht sogleich reagierte. Stattdessen wartete er noch rund einen Monat, bevor er den Antrag auf Berichtigung versandte. In diesem fall überwiege das öffentliche Interesse an einer zeitnahen ordnungsgemäßen Abrechnung das Interesse des Klägers.

Anmerkung:

Wer einen Brief der KV erhält, die auf Abrechnungsfehler hinweist, sollte umgehend reagieren und seine Abrechnungen prüfen oder prüfen lassen. Für Jungpraxen ist es in bestimmten Fällen ratsam, die Abrechnung auf einen Abrechnungsdienst auszulagern.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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