Ein mehrfacher Abrechnungsbetrug eines Arztes in 3.693 Fällen mit einem Schaden von über 200.000 EUR rechtfertigt den Widerruf der Approbation; dabei ist es irrelevant, ob die Taten sich unmittelbar im besonders geschützten Arzt-​Patient-​Verhältnis auswirken. Eine zum Widerruf der Approbation führende Unwürdigkeit setzt nicht zwingend die Begehung eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1 StGB) oder die Verhängung einer bestimmten Mindeststrafe voraus. Für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist irrelevant, ob das Fehlverhalten des Arztes tatsächlich in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2016 - 21 ZB 15.2776).

Praxishinweis:

Im Fall eines Widerrufs der Approbation wegen massiven Pflichtverstößen sollte sich der betroffene Arzt auf die Bewährung und auf sein Wohlverhalten konzentrieren, um so eine möglichst frühzeitige Wiedererteilung der Approbation zu ermöglichen. Es ist schwierig, sich nach Widerruf der Approbation ärztlich zu bewähren; es ist aber nicht unmöglich und bedarf der Planung. Eine konsequente Bewährung verspricht mehr Aussicht auf Erfolg als ein - wie im vorliegenden Fall - sinnloses (und kostenträchtiges) prozessuales Anrennen gegen den Widerruf der Approbation nach massivem Abrechnungsbetrug. Zumal dieses Anrennen oft den Weg für die Wiedererteilung der Approbation blockiert, bringt der betroffene Arzt mit seinen Argumenten gegen den Widerruf doch regelmäßig konkludent zum Ausdruck, dass er bereits den Widerruf nicht akzeptiert hat. Von echter Reue oder gar Besserung des Arztes kann dann wahrlich nicht gesprochen werden. 

Akten im Widerrufsverfahren

Der Fall:

Verfahrensgang
vorgehend VG München, 20. Oktober 2015, Az: M 16 K 15.1873, Entscheidung

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.
1. Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.

Das Amtsgericht München verhängte gegen den Kläger mit Urteil vom 23. April 2014 wegen Betrugs in elf sachlich zusammenhängenden Fällen eine Gesamt-​Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Beschluss vom selben Tag setzte das Amtsgericht die Bewährungszeit auf drei Jahre fest und machte dem Kläger zur Auflage, den verursachten Schaden gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns nach Kräften wiedergutzumachen und zu diesem Zweck monatliche Ratenzahlungen in Höhe von mindestens 500,00 Euro an diese zusätzlich zu deren Einbehalt zu leisten.

Der Verurteilung lag nach dem Inhalt des Strafurteils im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist seit dem 19. Juli 1999 zur vertragsärztlichen Versorgung als psychotherapeutisch tätiger Arzt niedergelassen. Er rechnete in den Quartalen 1/2007 bis 4/2009 gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns Leistungen ab, die er, wie er wusste, nicht erbracht hatte. Er markierte in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen die tatsächlich erbrachten Leistungen jeweils mit einem blauen Kreuz, die fingierten Sitzungen (2553 Sitzungen) mit grünen Kreuzen und die nicht wahrgenommenen Sitzungen (1140 Sitzungen) mit Klammern. Insgesamt beliefen sich die nicht erbrachten und dennoch abgerechneten Leistungen auf 210.476,68 Euro.

Mit Bescheid vom 21. April 2015 widerrief die Regierung von Oberbayern die dem Kläger erteilte Approbation. Die Approbation sei nach § 5 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO (zwingend) zu widerrufen, weil sich der Kläger eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe.

Das Verwaltungsgericht München hat die Klage gegen den Widerruf der Approbation mit Urteil vom 20. Oktober 2015 abgewiesen.

Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

Die Entscheidung: 

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltende gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

1. Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der für eine Berufungszulassung maßgebenden Ergebnisrichtigkeit (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV/03 – NVwZ-​RR 2004, 542/543) des angegriffenen Urteils.

1.1 Der Kläger meint, der in Rede stehende Abrechnungsbetrug rechtfertige entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht seine Berufsunwürdigkeit. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und das hohe Ansehen, das die Heilberufe in der Bevölkerung hätten, beruhten auf dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Heilkunst des Arztes. Eine besondere persönliche Integrität werde deshalb in der Regel nur bei der Ausübung der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit vorausgesetzt. Dagegen erstrecke sich dieses Vertrauen kaum auf Tätigkeiten des Arztes außerhalb der Heilbehandlung. Abrechnungsbetrug führe also insbesondere dann zur Annahme der Unwürdigkeit, wenn sich etwa die Tat unmittelbar im besonders geschützten Arzt-​Patient-​Verhältnis auswirke. Im Rahmen der erforderlichen Einzelfallbetrachtung sei herauszustellen, dass der Kläger seine Patienten jederzeit de lege artis versorgte und seinen Beruf stets gewissenhaft nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübte. Das Vertrauen der Patienten in die ärztlichen Leistungen des Klägers sei zu keiner Zeit erschüttert worden. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass der Umstand der strafrechtlichen Ahndung des Abrechnungsbetrugs für sich genommen nicht dafür genüge, bei dem Kläger eine Unwürdigkeit anzunehmen.

Das ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.

1.1.1 Die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört zu den Berufspflichten eines Arztes. Die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch betrügerische Falschabrechnungen in großem Umfang ist eine gravierende berufliche Verfehlung, die ohne Weiteres zur Berufsunwürdigkeit führen kann. Eines zusätzlichen "behandlungsrelevanten Aspekts", wie ihn der Kläger verlangt, bedarf es insoweit nicht (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.2012 – 3 B 7.12 – juris).

1.1.2 Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung, dass beim Kläger eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs besteht, nicht aus der bloßen Tatsache der strafrechtlichen Ahndung des Abrechnungsbetrugs gewonnen. Vielmehr hat es seiner Entscheidung die in dem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zugrunde gelegt. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn – wie hier – keine (gewichtigen) Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen sprechen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2003 – 3 B 10.03 – juris).

1.2 Mit dem Zulassungsantrag wird vergeblich beanstandet, das Verwaltungsgericht habe die Wertung im Widerrufsbescheid bestätigt, bei dem Kläger bestehe der Hang, sich aus maßlosen Bereicherungsabsichten über rechtliche Schranken seiner Berufsausübung systematisch und bedenkenlos hinwegzusetzen; solche Ausführungen seien dem Strafurteil nicht zu entnehmen.

Die Verwaltungsgerichte haben die im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse eigenständig darauf zu überprüfen und zu bewerten, ob sich daraus hinreichende Grundlagen für einen Widerruf der Approbation ergeben (vgl. BVerwG, B.v. 28.4.1998 – 3 B 174/97 – juris). Das Verwaltungsgericht ist dem nachgekommen und hat aufgrund einer eigenen Beurteilung der strafgerichtlichen Feststellungen eine Unwürdigkeit angenommen, ohne sich die von der Regierung von Oberbayern getroffene charakterliche Bewertung des Klägers zu eigen zu machen.

1.3. Der Kläger wendet ein, das Verwaltungsgericht habe die rechtliche Würdigung des Amtsgerichts unberücksichtigt gelassen. Die Verurteilung zu der im Vergleich zum Strafrahmen (6 Monate bis zu 10 Jahren) geringen und zudem zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zeige, dass die Verfehlung des Klägers mangels hinreichender Schwere nicht den Widerruf der Approbation rechtfertige. Das Verwaltungsgericht und die Regierung von Oberbayern hätten die im Rahmen der Strafzumessung für den Kläger sprechenden Erwägungen des Amtsgericht unberücksichtigt gelassen. Eine schwere Verfehlung scheide auch deshalb aus, weil ein Betrug selbst im Falle der Gewerbsmäßigkeit lediglich ein Vergehen darstelle.

1.3.1 Das führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Eine Unwürdigkeit im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO setzt nicht zwingend die Begehung eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1 StGB) oder die Verhängung einer bestimmten Mindeststrafe voraus. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verfehlung eines Arztes so schwer wiegt, dass es das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern würde, wenn sie für den Fortbestand der Approbation folgenlos bliebe. Das ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, die nicht allein danach beantwortet werden kann, ob ein Vergehen oder ein Verbrechen begangen und welcher Strafausspruch getroffen wurde (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2011 – 3 B 63/10NJW 2011, 1830 und B.v. 20.9.2012 – 3 B 7.12 – juris).

Unabhängig davon lässt der Kläger außer Acht, dass ihn das Schöffengericht wegen eines besonders schweren Falles des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) verurteilt hat. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zeigt überdies, dass auch das Strafgericht insoweit von einer schwerwiegenden Verfehlung ausgegangen ist, denn es hat die Mindeststrafe von sechs Monaten deutlich überschritten.

1.3.2 Es ist auch sonst nicht ernstlich zweifelhaft, dass es sich bei dem vom Kläger begangenen Abrechnungsbetrug um eine gravierende Verfehlung handelt, die eine Berufsunwürdigkeit begründet. Der Kläger hat über den langen Zeitraum von drei Jahren (Quartal 1/2007 bis Quartal 4/2009) insgesamt 3.693 Therapiesitzungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vorsätzlich zu Unrecht abgerechnet. Er hat sich so ärztliche Honorare in Höhe von insgesamt 210.476,68 Euro verschafft, auf die er keinen Anspruch hatte. Ein solcher Abrechnungsbetrug ist eine schwere Straftat mit unmittelbarem Bezug zu den beruflichen Pflichten eines Arztes. Sie offenbart, dass der Kläger um des eigenen Vorteils willen bereit ist, sich über die finanziellen Interessen Dritter hinwegzusetzen und diesen, wie die inmitten stehende Schadenssumme zeigt, einen erheblichen Schaden zuzufügen. Ein Arzt, der ein solches Verhalten an den Tag legt, verliert bei objektiver Würdigung das notwendige Vertrauen in eine vorrangig am Wohl der Patienten orientierte Berufsausübung. Das rechtfertigt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Annahme der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Ein Gewinnstreben um jeden Preis steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes, der (so ausdrücklich § 2 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns) den ärztlichen Beruf nach seinem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübt.

Die vom Strafgericht im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Klägers berücksichtigten Umstände rechtfertigen schon deshalb keine andere Beurteilung, weil sie erst nach der die Unwürdigkeit begründenden Verfehlung des Klägers eingetreten sind.

1.4 Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits vor Erlass des Widerrufsbescheids die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs wiedererlangt hat.

Dazu wäre erforderlich gewesen, dass sich die Sachlage „zum Guten geändert“ hätte, nämlich der Kläger das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hätte. Das wäre der Fall, wenn bei Würdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen gewesen wäre, dass dessen selbständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2012 – 3 B 36.12 – juris).

Der Kläger hat zwar im Rahmen des Strafverfahrens Reue gezeigt und ein Geständnis abgelegt. Zudem hat er den von ihm verursachten Schaden teilweise getilgt. Indes kann einem solchen Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden Verfahrens gezeigt wird, regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.1993 – 21 ZB 92.226 – juris; NdsOVG, B.v. 23.7.2014 – 8 LA 142/13 – juris). Das Zulassungsvorbringen gibt keinen Anlass, von diesem Grundsatz ausnahmsweise abzuweichen.

Angesichts der Schwere der Verfehlung besteht auch mit Blick auf die nach Beendigung des Abrechnungsbetrugs bis zum Erlass des Widerrufsbescheids verstrichenen Zeit kein hinreichender Grund für die Annahme, der Kläger habe die Würdigkeit wiedererlangt, zumal auch die vom Strafgericht festgesetzte und mit Rechtskraft des Urteils (1.5.2014) beginnende Bewährungsfrist noch nicht (beanstandungslos) verstrichen ist. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang ohne Erfolg auf eine Entscheidung des OVG Nordrhein-​Westfalen (B.v. 15.1.2003 – 13 A 2774/01NJW 2003, 1888), wonach eine zweijährige beanstandungsfreie Zeit zwischen dem letzten abgeurteilten Vergehen und dem Erlass des Widerrufsbescheids die Annahme relativiere, der Betroffene habe einen Hang zur Kriminalität. Diese Feststellung erging zu einem anders gelagerten Sachverhalt. Das vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-​Westfalen zu beurteilende Fehlverhalten eines (Zahn-​)Arztes erschöpfte sich in von diesem begangenen Verkehrsdelikten. Zudem bezog sich die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts auf die bei einem Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit vorzunehmende Prognose, ob auch künftig Gesetzesverstöße einschließlich der Verletzung der Pflichten als Zahnarzt zu befürchten sind (vgl. OVG NW, B.v. 15.1.2003 – 13 A 2774/01NJW 2003, 1888/1889).

Eine Änderung zum Guten ergibt sich auch nicht daraus, dass das Strafgericht dem Kläger zur Bewährungsauflage gemacht hat, den verursachten Schaden wieder gut zu machen und zu diesem Zweck monatliche Ratenzahlungen in Höhe von mindestens 500,00 Euro an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns zu leisten. Der Kläger erfüllt damit letztlich nur die ihm ohnehin obliegende Verpflichtung, den von ihm verursachten Schaden auszugleichen.

Insgesamt rechtfertigen die vom Kläger angeführten Umstände nicht die Annahme, die durch seine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufswürdigkeit und damit das dadurch gestörte Vertrauen der Öffentlichkeit in die Ärzteschaft als Berufsstand, sei bereits im Zeitpunkt des Approbationswiderrufs wiederhergestellt gewesen.

1.5 Entgegen der Auffassung des Klägers führt der von ihm begangene Abrechnungsbetrug auch dann zur Berufsunwürdigkeit, wenn sein Fehlverhalten nicht in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist.

Die Frage, ob ein Arzt zur Ausübung seines Berufs unwürdig ist, unterliegt objektiven Beurteilungsmaßstäben. Es kommt deshalb nicht darauf an, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes tatsächlich in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (BVerwG, B. v. 28.1.2003 – 3 B 149/02 – juris und B.v. 6.3.2003 – 3 B 10.03 – juris).

1.6 Schließlich wirft der Kläger dem Verwaltungsgericht vor, es habe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit der Begründung übergangen, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO sei zwingende Rechtsfolge der Approbationswiderruf. Wegen des Eingriffs in die Berufsfreiheit müsse in jedem Fall eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden.

Auch das rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Im Falle eines nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO wegen Unwürdigkeit des Arztes zwingend auszusprechenden Approbationswiderrufs wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Unwürdigkeit“ Rechnung getragen (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149.02 – juris). Das Verwaltungsgericht hat das berücksichtigt und seiner Entscheidung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt, dass eine Berufsunwürdigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes voraussetze, welches bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lasse (vgl. UA S. 8). Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass im Falle des Approbationswiderrufs der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (auch) dadurch berücksichtigt sei, dass eine Wiedererteilung der Approbation erfolgreich beantragt werden könne, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erneut vorlägen (UA. S. 12 f.).

2. Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

2.1 Der Kläger meint, in der obergerichtlichen Rechtsprechung würden mit dem Begriff der Unwürdigkeit vor allem Zwecke positiver Generalprävention verfolgt, nämlich das durch die Verfehlung zerstörte Vertrauen der Patienten in den ärztlichen Berufsstand wiederherzustellen und diesen Berufsstand von unwürdigen Ärzten reinzuhalten. Er knüpft daran die Frage an, ob dieser dann nur generalpräventiv begründete Entzug der Approbation unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist.

Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es keines Berufungsverfahrens. Sie ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, soweit das fallübergreifend möglich ist. Danach sind generalpräventive Zwecke im Sinne einer Abschreckung anderer Angehöriger des Berufsstands vor ähnlichen Verfehlungen nicht damit vereinbar, dass der Widerruf der Approbation in besonders schwerem Maß in die Berufsfreiheit eingreift. Der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit, der nach seiner Zielrichtung keine auf die Person des Betroffenen bezogene Gefahrenprognose erfordert, muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit stehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2011 – 3 B 63/10NJW 2011, 1830/1831).

2.2 Die zum Widerrufsgrund der Unzuverlässigkeit als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung. Sie sind mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsfähig. Das angefochtene Urteil beruht allein darauf, dass das Verwaltungsgericht beim Kläger eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs angenommen hat. Die Frage, ob der Kläger auch unzuverlässig im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist, lässt das Verwaltungsgericht ausdrücklich dahinstehen (vgl. UA S. 11).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG, wobei sich der Senat an Nr. 16.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ibd. vom 18. Juli 2013 (aber. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14) orientiert hat.

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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