Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, wurde vergangenen Sommer publik, dass es im Klinikum Bayreuth Fehlbehandlungen in der Geburtshilfe, der Kinderklinik und auf der Intensivstation gegeben haben soll. Allerdings haben zwei Expertenkommissionen die Vorwürfe in dieser Form bislang nicht bestätigt, was die Intensivstation betrifft, hieß es, es habe zwar Verfehlungen gegeben, diese seien allerdings eher auf Mängel in der internen Kommunikation zurückzuführen. Die Polizei hat Durchsuchungen durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ein Chefarzt des Klinikums Augsburg erhebt Vorwürfe gegen seine Klink: Er bemängelt chronische Unterbesetzung, fehlende Arbeitsmittel und Hygienemängel. Auch das Klinikum im Mannheim sieht sich erheblicher Kritik ausgesetzt.

Was läuft in deutschen Kliniken eigentlich falsch?

Die Presseberichte über Vorwürfe gegen Klinken häufen sich. Die Zahl der Arzthaftungsverfahren vor deutschen Gerichten steigt seit Jahren kontinuierlich an. Dahinter steckt ein systemisches Problem. In den Neunzigerjahren wurden mehr und mehr Kliniken gegründet und Behandlungskapazitäten geschaffen. Dann überstiegen die Kosten das Budget der Krankenkassen und die Politik beschnitt und begrenzte die Leistungen an die Krankenhäuser (und auch an die niedergelassenen Ärzte). Die Krankenhausverwaltungen mussten also sparen. Dies taten sie dort, wo sie es konnten: beim Personal. Die Zahl der Ärzte, Pfleger und z.B. auch des Reinigungspersonals wurde reduziert. Dabei machten sich die Klinikverwaltungen den Effekt zunutze, dass Ärzte und Pfleger bereit waren und sind, zum Wohl ihrer Patienten unbezahlte Überstunden zu leisten. Dies geht aber zwangsläufig zu Lasten der Behandlungsqualität. Überlastete Ärzte und Pfleger machen Fehler. Sie übersehen Befunde, behandeln unter Stress falsch oder mißachten aus Zeitnot Hygienestandards. Der Kostendruck führt auch dazu, dass die Verwaltungen die Ärzte dazu anhalten, möglichst vermehrt so zu behandeln, dass die Klinik dafür viel Geld von der Krankenkasse erhält. Eine Klinik bekommt z.B. für bestimmte Operationen mehr Geld als für eine schonende, aber langwierige Behandlung. Ausbaden muss dies der Patient. Die Klinikverwaltungen wissen dies, akzeptieren es aber. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Ein Drittel der deutschen Kliniken gilt als faktisch insolvent bzw. insolvenzgefährdet. 

Was kann man dagegen tun?

Der Politik sind die Hände gebunden. Sie hat nicht das Geld zur Verfügung, um die Kliniken besser zu finanzieren. Sie kann auf der anderen Seite aber auch nicht einfach überzählige Klinken schließen. Die Kliniken sind überwiegend private Unternehmen, die nicht vom Staat per Gesetz oder Verwaltungsakt geschlossen werden können. Also muss der Staat versuchen, die Zahl der Kliniken im Wege der natürlichen Auslese zu reduzieren. Die Klinikverwaltungen wehren sich dagegen, indem sie - wie bereits dargestellt - Personal abbauen und Kosten sparen. Ein zweiter Weg, den die Politik beschreitet, ist der Versuch, die Qualität der Klinikbehandlungen zu kontrollieren, gesetzliche Qualitätsvorgaben zu formulieren und die Rechte der Patienten gesetzlich zu definieren (vgl. etwa die neugeschaffenen Paragrafen 630 a - h des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). All dies ist aber schwierig umzusetzen. 

Der Patient hat selbst nicht die Möglichkeit, sich gute Klinken oder Ärzte auszusuchen. Er kann schon gar nicht erkennen, welche Klinik oder welcher Arzt "gut" ist. Glücklich ist der Patient, der über Bekannte eine Empfehlung für einen bestimmten Arzt erhält. Der Patient kann sich nur schützen, indem er während der Behandlung in der Klinik selbst auf Hygiene achtet, kritisch nachfragt und auf seine Rechte pocht - z.B. also weitere Untersuchungen oder Behandlungen aktiv einfordert. Hier gilt der Grundsatz: Wer am lautesten schreit, bekommt auch am meisten. Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass diejenigen Patienten, die gegenüber den Ärzten ihre Ansprüche klar formulieren und vertreten, auch am besten behandelt werden. Nun sind aber die wenigsten Patienten in der Lage, sich gegenüber den Ärzten und Pflegern durchzusetzen. Sie sind schließlich krank und mit ihrer Gesundung beschäftigt. Im Vorteil sind die Patienten, deren Angehörige kritisch nachfragen. All dies ist aber im Ergebnis letztlich auch unbefriedigend.

Daher können sich die meisten Patienten nur im Nachhinein wehren und prüfen, ob sie falsch behandelt wurden und dann ihre Ansprüche gegen die Kliniken geltend machen. Die zunehmende Zahl von Arzthaftungsklagen wird für die Kliniken immer teurer und belastender. Manche Klinken haben bereits Probleme, einen Haftpflichtversicherer zu bezahlen. Nur auf dem Weg des Kostendrucks durch Arzthaftungsverfahren bzw. teurer Haftpflicht-Versicherungspolicen können die Krankenhäuser gezwungen werden, entweder mehr Personal einzustellen - oder aber das Haus zu schließen. 

Patienten sollen also um ihre Rechte kämpfen. Für Patienten mit einer Rechtsschutzversicherung ist dies einfach. Das Kostenrisiko eines Arzthaftungsprozesses trägt ihre Rechtsschutzversicherung. Was aber sollen diejenigen Patienten tun, die nicht rechtsschutzversichert sind? Auch sie sind nicht ohne Schutz. Zwar hat der Patient das Recht, eine Kopie der Krankenakte der Klinik zu fordern - er wird damit aber als medizinischer Laie wenig anfangen könne. Er kann aber Stellen zu Hilfe rufen, die den wenigsten Patienten bekannt sind. 

Strafanzeigen bringen meist wenig

Über die Staatsanwaltschaft vorzugehen, bringt - abgesehen von Fällen mit vielen geschädigten Patienten oder spektakulären Todesfällen - meistens wenig. Zum einen muss man einem Staatsanwalt einen Arztfehler (Körperverletzung) quasi mundfertig vorlegen, damit er Anklage erhebt. Nur wenige Staatsanwaltschaften in Deutschland sind personell und materiell gut genug ausgestattet, um im Fall eines einzelnen betroffenen Patienten von sich aus ein ärztliches Gutachten in Auftrag zu geben. Und ein Gutachten ist notwendig. Denn der Staatsanwalt kann aufgrund der Behandlungsakte selbst nicht feststellen, ob ein Behandlungsfehler vorlag. Er ist schließlich genauso medizinischer Laie, wie es der Patient ist. Denkbar ist es dagegen, Strafanzeige zu erheben, nachdem einem ein Gutachten vorliegt und dieses dann dem Staatsanwalt bzw. der Polizei vorzulegen.

Zum anderen behindern Strafverfahren das zivilrechtliche Verfahren wegen Arzthaftungsansprüchen. Man sollte daher in der Regel erst dann eine Strafanzeige erwägen, wenn die zivilrechtlichen Fragen gerichtlich geklärt sind. Dann aber hat der Patient aber gar keinen Bedarf an staatsanwaltschaftlicher Unterstützung zur Ermittlung eines Behandlungsfehlers mehr.

Die unbekannten Verbündeten des Patienten

Die Patienten können die Hilfe der Krankenkassen nutzen. Die Krankenkassen haben ein Interesse daran, nicht für Behandlungskosten zahlen zu müssen, die erst dadurch entstanden sind, dass ein Patient falsch behandelt wurde. Ein Beispiel: Eine Klinik behandelt Gallensteine fehlerhaft und punktiert den Bauchraum. Es kommt zu einer Bauchfellentzündung mit einer Infektion des ganzen Körpers. Der Patient wird auf der Intensivstation der Klinik behandelt, was riesige Kosten verursacht. Diese Kosten will die Krankenkasse gerne nicht zahlen. Wird sie von dem Patienten auf einen möglichen Behandlungsfehler hingewiesen (und nur so kann sie davon überhaupt erfahren), so prüft sie die Behandlungsakten der Klinik und lässt ein ärztliches Gutachten dazu erstellen. Wichtig ist dabei, dass der Patient den Fehler auch irgendwie konkret benennen kann. Stellt das Gutachten einen Fehler fest, fordert die Krankenkasse alle Folgebehandlungskosten von der Klinik zurück. Der Patient bekommt eine Kopie des Gutachtens und hat damit eine wirksame Waffe gegen die Klinik in der Hand, um seinerseits Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen.

Diese Ansprüche muss er noch nicht einmal anwaltlich bzw. gerichtlich geltend machen. Er kann dazu die Schlichtungsstellen anrufen. Das Schlichtungsverfahren endet im Idealfall damit, dass die Klinik einen Fehler eingesteht und bezahlt. Das Verfahren vor den Schlichtungsstellen ist für den Patienten kostenlos. Auch die Schlichtungsstellen lassen ein ärztliches Gutachten erstellen. Der Patient kann sich natürlich auch sogleich an die Schlichtungsstelle wenden, ohne zuvor über die Krankenkasse vorzugehen. Er kann auch beides parallel tun.

Je stärker der wirtschaftliche Druck ist, den Krankenkassen, Schlichtungsverfahren und Arzthaftungsklagen auf die Kliniken ausüben, desto eher werden diese bereit sein, überzählige Häuser aufzulösen oder mehr Personal einzustellen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de