Ein psychiatrischer Wahlarzt kann seine Leistungen nur dann als ärztliche Wahlleistung mit entsprechend höheren Vergütungssätzen abrechnen, wenn er der wahlärztlichen Behandlung durch sein eigenes Tätigwerden sein persönliches Gepräge gibt (OLG Oldenburg, Urteil vom 14.12.2011 - 5 U 183/11 -).

Der Fall:

Eine Patientin schloß mit einem ärztlichen Direktor eines psychiatrischen Krankenhauses eine Wahlleistungsvereinbarung mit einsprechend höheren Vergütungssätzen. Die Behandlungen erbrachte dann ein anderer Arzt. Der ärztliche Direktor beschränkte seine ärztliche Tätigkeit darauf, in täglichen Teamsitzungen die Behandlung im Sinne einer Oberaufsicht zu überwachen. Die Patientin reichte die ärztlichen Rechnungen des Wahlarztes mit den gesteigerten Vergütungssätzen bei ihrer Versicherung ein mit der Bitte um Ausgleich. Dies verweigerte die Versicherung unter Hinweis darauf, dass der Wahlarzt selbst keine Leistungen erbracht habe. Die Versicherung war lediglich bereit, die gesetzlichen Vergütungssätze zu begleichen. Dagegen klagte die versicherte Patientin. Sie unterlag vor dem Landgericht und ging in Berufung. Auch das Oberlandesgericht wies ihre Forderung zurück.

Begründung:

Ein Patient, der eine Wahlleistungsvereinbarung abschließe, kauft damit spezielle ärztliche Leistungen eines bestimmten Arztes, der in der Regel aus Sicht des Patienten besonders qualifiziert ist, hinzu. Dies schließt zwar nicht aus, dass der Wahlarzt die se Leistungen teilweise auf andere Ärzte überträgt (delegiert). Zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Wahlarztvertrag müsse er der wahlärztlichen Behandlung aber sein persönliches Gepräge geben.

Das OLG ging davon aus, dass die in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen dermaßen umfassend auf Dritte delegiert wurden, dass sie dem Wahlarzt nach herkömmlichem Verständnis nicht mehr seiner eigenen Verantwortung zugerechnet werden konnten.
Der Wahlarzt beschränkte sich darauf, die Arbeit des behandelnden Arztes im Rahmen täglicher Teamsitzungen der Ärzte zu überwachen. Der Wahlarzt traf die grundlegenden Entscheidungen über den Ablauf der Behandlung und ließ die Behandlung nach Weisung ausführen. Damit erhielt die Patientin im Ergebnis aber lediglich die gleiche Behandlung, wie jeder andere Patient auch.

Anmerkung:
In der Praxis werden wahlärztliche Leistungen oft weitgehend delegiert. Es kommt immer wieder vor, dass der Patient erst bei einer Akteneinsicht bemerkt, dass er gar nicht von dem Wahlarzt operiert wurde, sondern zum Beispiel von dessen ärztlichem Vertreter. Zwar kann der Wahlarzt nicht alle Leistungen selbst erbringen. Ein bestimmtes Maß an Delegation ist damit notwendig. Die Grenze ist aber dort überschritten, wo der Wahlarzt sich darauf beschränkt, die Leistungen eines anderen Arztes in ärztlichen Besprechungen zu überwachen. Denn dann fehlt bereits der unmittelbare physische Eindruck von dem Patienten, der für eine eigenständige Behandlung durch den Wahlarzt erforderlich ist. Die Entscheidung des OLG Oldenburg ist insofern zu begrüßen, weil sie Kriterien für die Beantwortung der oft strittigen Frage der Zulässigkeit der Delegation wahlärztlicher Leistungen bietet. Den Patienten ist zu raten, genau zu prüfen, wer sie behandelt hat. Den Krankenhäusern ist zu raten, das Maß der persönlichen Behandlung mit dem Wahlarzt zu definieren.

Der Fall der Patienten kann hier dadurch gelöst werden, dass die Patientin nur die gesetzlichen Gebühren an den ärztlichen Direktor bezahlt bzw. den bereits bezahlten höheren Satz anteilig von dem Direktor zurück fordert. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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