In den kommenden Jahren werden eine Vielzahl von Kassenärzten ihre Tätigkeit aus Altersgründen beenden. Der Wert der Praxis soll als Teil der Alterssicherung übertragen werden auf einen Nachfolger. Zur Regelung der Nachfolge bietet es sich an, für eine bestimmte Zeit einen jüngeren Nachfolger im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis zu erproben und ihm nach Ende der Erprobungsphase die Praxis zu übergeben. Der Artikel beleuchtet die Gestaltungsmöglichkeiten und worauf bei der Vertragsgestaltung zu achten ist.
Grundmodell der Gemeinschaftspraxis: Paritätische Gesellschaft
Die Gemeinschaftspraxis ist im Grundmodell eine Gesellschaft nach §§ 705 ff. BGB. d.h. die Gesellschafter (Ärzte) tragen zu gleichen Teilen Rechte und Pflichten und sind zu gleiche Teilen an Gewinn und Verlust beteiligt. Scheidet ein Gesellschafter aus, zerfällt die Gesellschaft und wird aufgelöst und die Werte verteilt.
Anforderungen an die Gemeinschaftspraxis bei Praxisnachfolge
Der Senior-Arzt, der seine Praxis später abgeben möchte und für eine bestimmte Zeit einen Juniorpartner erproben möchte, hat dagegen eine andere Verteilung von Rechten und Pflichten und der Auflösung der Gesellschaft im Sinn: Er möchte weiterhin "das Heft in der Hand halten". Er will den Juniorpartner nur zu einem kleineren Teil am Gewinn beteiligen. Er will nach Ende der Gemeinschaft die Praxis fortführen können und will nicht gezwungen sein, sie zu "versilbern". Der Juniorpartner dagegen ist vorerst nicht an einer hälftigen Verlustbeteiligung interessiert. Er kann in der Regel auch keine Sachwerte einlegen. Erforderlich ist daher ein Vertrag, der den Interessen der Ärzte Rechnung trägt, aber gleichwohl vor den Gerichten Bestand hat.
Scheingemeinschaft: Gefahr der Honorarrückzahlung
Ein Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahre 2010 zeigt, dass diese Konstellation auch Risiken birgt: Wer einen Juniorpartner in die Gemeinschaftspraxis aufnimmt, diesen aber quasi wie einen Angestellten behandelt, verliert den gesetzlichen Honoraranspruch des Juniorpartners. Denn dieser ist dann kein freier Vertragsarzt, wie es das Gesetz fordert, sondern nur ein Angestellter.
Vertragsgestaltung im Grenzbereich zwischen Partnerschaft und verdeckter Anstellung
Aufgabe des Anwaltes in ist es in diesen Fällen, einen Vertrag zu entwerfen, der einerseits den Interessen der Ärzte Rechnung trägt und andererseits die rechtlichen Grenzen einhält. Dazu ist eine Erprobungsphase vertraglich festzuschreiben. Der Juniorpartner ist in gewissem Maße an Gewinn und Verlust zu beteiligen und er muss auch mindestens bestimmte Geschäftsführungsbefugnisse haben. Zu regeln ist insbesondere, wie die Ärzte auseinandergehen, wenn die Gesellschaft vorzeitig aufgelöst wird und wie in diesem Fall das Praxisvermögen in der Hand des Seniors zu erhalten ist. Zu regeln sind auch die Abfindung als Beteiligung am materiellen und - noch wichtiger - am immateriellen Wert (Good-Will, d.h. Patientenstamm). Dabei ist insbesondere die oft strittige Bewertung des immateriellen Vermögens zu regeln, um Streitigkeiten in der Auseinandersetzungsphase zu vermeiden. Auch ist über Wettbewerbsverbote des ausscheidenden Juniors zu sprechen.
Aufstieg vom Juniorpartner zum Partner
In der zweiten Stufe kommt es nach erfolgreicher Erprobung des Juniors schließlich zur echten Einführung des Juniors in die Gemeinschaftspraxis. Dazu ist durch Gesellschafterbeschluss eine andere, gleichberechtigtere Verteilung von Gewinn und Verlust zu regeln.
Praxisnachfolge
In der letzten Stufe wird die Praxis an den ehemaligen Junior übergeben. Zum einen ist dafür ein Praxisübergabevertrag erforderlich sowie die Übergabe laufender Verträge (z.B. Mietvertrag der Praxis). Zum anderen muss der Junior auf die Arztstelle nachbesetzt werden im sog. Nachbesetzungsverfahren. Hier kommt es zu einer Kopplung eines zivilrechtlichen Geschäfts zwischen den Ärzten (Praxiskaufvertrag etc.) und einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis (der Nachbesetzung durch die Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen). Da man das Nachbesetzungsverfahren nur eingeschränkt steuern kann, ist es z.B. ratsam, den Kaufvertrag davon abhängig zu machen, dass die Nachbesetzung des Wunschkandidaten erfolgreich ist.
Zum Thema:
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