Solange für das Pflegeheim keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Heimbewohnerin für die Begleitung zur Toilette zwei Pflegekräfte benötigt, haftet das Pflegeheim nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB für Schäden, die der Heimbewohnerin in Folge eines Sturzes entstehen (OLG Bamberg, Urteil vom 01.02.2010 - 6 U 54/09 -)

Der Fall:

Eine 83jährige Bewohnerin eines Pflegeheims benötigte aufgrund ihrer Erkrankungen Hilfe beim Stehen und Gehen. Sie stürzte auf dem Gang zur Toilette, bei dem sie von einer Pflegeperson begleitet worden war und erlitt eine Oberschenkelfraktur.

Durch die weitere Behandlung in Folge des Bruches entstanden erhebliche Behandlungskosten, die die gesetzliche Krankenkasse der Heimbewohnerin aus abgetretenem Recht gegen das Pflegeheim als Schaden geltend machte. Sie warf dem Pflegeheim eine Verletzung der vertraglichen Aufsichtspflichten vor. Die Krankenkasse war der Meinung, mindestens zwei Pflegekräfte hätten die alte Dame auf die Toilette begleiten müssen. Zudem hätte das Pflegeheim weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Stürzen treffen müssen.

Das Pflegeheim wies die Forderung zurück und verteidigte sich damit, dass eine ihrer Mitarbeiterinnen die Bewohnerin beim Sturz noch habe auffangen können, ohne aber den Bruch vermeiden zu können. Das Pflegeheim behauptete, Gleichgewichtsstörungen seien ihm nicht bekannt gewesen.

Die Entscheidung:

Landgericht Coburg und OLG Bamberg wiesen die Klage der Krankenkasse als unbegründet zurück.

Das OLG Bamberg stellte in seinem nunmehr rechtskräftigen Urteil fest, dass die Pflicht des Pflegeheims zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihm anvertrauten Bewohner auf die üblichen Maßnahmen begrenzt ist, die mit vernünftigen, finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Dabei seien insbesondere die Würde, die Interessen und die Bedürfnisse der Bewohner zu berücksichtigen. Deren Selbstverantwortung und Selbstständigkeit seien zu wahren und zu fördern. Weitere Maßnahmen, als diejenigen die das Heim getroffen hatte, hielt das Gericht im vorliegenden Fall nicht für erforderlich.

Das OLG Bamberg stellte ausdrücklich fest, dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass für die Begleitung der Heimbewohnerin zur Toilette zwei Pflegekräfte notwendig wären. Den kurzen Weg zu ihrer Toilette hatte die Bewohnerin in der Vergangenheit stets problemlos bewältigt.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Seniorin von einer Pflegekraft auf die Toilette begleitet wurde. Selbst die Schwiegertochter der Heimbewohnerin gab an, dass ihr ein besonderes Sturzrisiko nicht bekannt gewesen ist. Die 83jährige Dame habe noch selbstständig gehen und stehen können. Die Auffassung der Krankenkasse, dass sich das Heim über eine mögliche Sturzgefahr seiner Bewohnerin durch Beiziehung von medizinischen Gutachten hätte informieren können, teilte das Gericht nicht.

Hinweis:

Hat ein Pflegeheimbewohner oder dessen Angehörige den Verdacht, dass ein Fehlverhalten des Pflegeheims dazu geführt hat, dass der Bewohner zu Schaden kam, so können die Betroffenen auch der Krankenversicherung einen entsprechenden schriftlichen Hinweis geben und um Unterstützung nach § 66 SGB V bitten. Die Krankenkasse ermittelt dann selbst, ob ein Behandlungsfehler vorlag und teilt dem dem Patienten das Ergebnis mit. Die Betroffenen können also von den Ermittlungsergebnissen der Krankenkasse profitieren.

Dies ist insbesondere für die Betroffenen von Interesse, die zeitlich oder finanziell nicht in der Lage sind, selbst zu ermitteln oder einen Anwalt damit zu beauftragen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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