Eine gesetzlich Krankenversicherte, die hochgradig schwerhörig ist, hat einen Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage für den Einsatz in ihrer häuslichen Wohnung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 25.02.09 – L 1 KR 201/07 (Lichtsignalanlage) und L 1 KR 151/08 (Gehörlosennotruf).

Der 1. Senat des LSG hat eine gesetzliche Krankenkasse dazu verpflichtet, bei einer Klägerin die Kosten für eine solche Anlage zu übernehmen, mit der die akustischen Signale von Telefonanlage und Türklingel in Lichtsignale und Vibrationen umgewandelt und damit auch von Gehörlosen wahrgenommen werden können. Die Krankenkasse hatte sich zunächst geweigert mit Hinweis darauf, dass es sich bei der Anlage um eine technische Hilfe zur Anpassung des Wohnumfeldes und nicht um ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung handele im Sinne des § 27 Absatz 1 Nr. 3 SGB V.

Das LSG hat dieser Ansicht widersprochen und in seinem Urteil ausgeführt, dass die Lichtsignalanlage eine technische Hilfe darstellt, die mit dem Wohngebäude nicht fest verbunden ist, sondern aus beweglichen Einzelteilen (Blitzlampen, Kabel, Vibrationskissen, Sender) besteht, die jederzeit von ihrer Verbindung mit Telefonanlage und Türklingel wieder gelöst werden können und damit zum Ausgleich der Behinderung eines Schwerhörigen in jeder Wohnung geeignet sind. Dieses Hilfsmittel war im konkreten Fall zum Ausgleich der Behinderung der Klägerin auch erforderlich, da es deren gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich fördert. Zur selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung gehört es, bestimmten Personen jederzeit und selbstständig Einlass gewähren zu können.

Die Klägerin könne deshalb auch nicht darauf verwiesen werden, ihre Tür dauerhaft offen stehen zu lassen oder andere Personen mit einem Wohnungsschlüssel auszustatten.

In einem weiteren Fall (Aktenzeichen L 1 KR 151/08) hat das LSG einer gehörlosen Versicherten, die bereits mit einer Lichtsignalanlage ausgestattet ist, die Versorgung mit einer Gehörlosennotrufanlage zugebilligt. Die Klägerin in diesem Verfahren leidet zugleich an einer neurologischen Erkrankung unklarer Ursache mit schweren Gang- und Standunsicherheiten. Ihrem ebenfalls gehörlosen Ehemann kann sich die Klägerin ohne die Notrufanlage bei auftretenden Stürzen nicht bemerkbar machen. Die Notrufanlage überträgt als Erweiterungsset zur Lichtklingelanlage einen Notruf per Funk an einen transportablen Funkempfänger, der diesen durch Lichtblitze und/oder Vibration wiedergibt.

Das LSG hat auch in diesem Fall entschieden, dass es sich um ein erforderliches Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, das dem Ausgleich der Behinderung der Versicherten dient und ihr eine möglichst selbstständige Lebensführung ermöglicht.

In beiden Fällen hat das LSG die Revision zum BSG zugelassen. Damit bleibt abzuwarten, ob die Entscheidungen Bestand haben oder vom BSG aufgehoben werden.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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